Neue Beitrittsgespräche im Raum
Mehr als zwei Monate nach der Parlamentswahl bekommt Island im vierten Anlauf eine neue Regierung. Die Konservativen, die bei der Wahl die meisten Stimmen bekommen hatten, sowie die neuen Parteien Bright Future und die Reformpartei Vidreisn stimmten für einen gemeinsamen Koalitionsvertrag - obwohl sie beim Thema EU weit auseinanderliegen.
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Das Politpatt seit der Wahl im Oktober ist beendet. Die neue Regierung wird nun die konservative Unabhängigkeitspartei mit Parteichef Bjarni Benediktsson an der Spitze anführen. Das Kabinett wurde am Dienstag präsentiert.
EU-Frage bleibt offen
Die Regierungsbildung hatte sich vor allem wegen der unterschiedlichen Haltungen zu einem möglichen EU-Beitritt schwierig gestaltet. Benediktssons Konservative hatten sich stets gegen eine engere Bindung gewehrt. Reformpartei und Bright Future waren für die Fortsetzung der EU-Gespräche. Der Streitpunkt war bereits zuvor Anlass gewesen, die Koalitionsverhandlungen zu beenden.
Nun bleibt abzuwarten, wie sich Island, das am dünnsten besiedelte Land Europas, weiterhin zur Frage eines Referendums über die Wiederaufnahme der Gespräche über eine EU-Mitgliedschaft verhält. Bei der Präsentation ihrer Pläne ließen die drei frischgebackenen Regierungsparteien die große Frage weiterhin offen: Falls das Thema im Parlament aufkomme, „soll die Angelegenheit gegen Ende der Legislaturperiode zu einer Abstimmung und einem Abschluss gebracht werden“, heißt es im Koalitionsvertrag. „Die Regierungsparteien können unterschiedliche Meinungen zu dem Thema haben und werden ihre gegenseitigen Ansichten respektieren.“
Island hatte 2009 bereits einen Beitrittsantrag eingereicht - nach den schwerwiegenden Folgen der Finanzkrise für das Land. Der EU-Beitritt war für 2012 geplant. 2015 zog Island jedoch seinen Antrag zurück, seither liegen die Gespräche auf Eis. Inzwischen ist Island teilweise in EU-Strukturen integriert, es gehört etwa zum Schengen-Raum.
Knappe Mehrheit
Die Koalition der drei Parteien hat nun 32 der 63 Parlamentssitze, gerade genug für eine Mehrheit. Für Benediktsson war es der zweite Versuch, eine Regierung auf die Beine zu stellen. Auch die Grünen und die Piratenpartei scheiterten mit einer Regierungsbildung nach der Wahl.
Die Demoskopen waren davon ausgegangen, dass die Isländer die Konservativen abstrafen würden. Zehntausende waren nach den Enthüllungen der „Panama-Papers“ auf die Straßen gegangen. Regierungschef Sigmundur David Gunnlaugsson nahm seinen Hut, bei der Wahl votierte fast jeder Dritte für die Konservativen. Für die Piraten, vorübergehend in Umfragen stärkste Partei, reichte es am Ende nicht, ein linkes Bündnis zu formen.
Premier mit „Teflonhaut“?
Benediktsson hatte zuvor keinen Zweifel daran gelassen, Ministerpräsident werden zu wollen. Schon sein Großonkel war Regierungschef, er selbst war Finanzminister. Er stammt aus einer gut vernetzten Familie, die das politische und wirtschaftliche Geschehen in Island seit Jahrzehnten mitbestimmt. Seine Gegner kritisieren, dass Benediktsson die Enthüllungen durch die „PanamaPapers“, in denen auch sein Name auftauchte, dank seiner „Teflonhaut“ schadlos überstanden habe.
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