Für Datenschützer „demokratieschädlich“
Gegenüber den jüngsten Plänen von Innenminister Wolfgang Sobotka (ÖVP) zur Ausweitung von Überwachungsmaßnahmen macht sich zunehmend Skepsis breit. Kritik kommt von Datenschützern und Juristen. Koalitionspartner SPÖ spricht von einer „alleinigen Wunschliste des Innenministers“.
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Die Maßnahmen, die Sobotka am Mittwoch vorschlug, sollen Terroranschläge im Vorfeld verhindern. So solle die Fußfessel, die bisher nur im Bereich des Strafvollzugs Anwendung findet, zur Überwachung von „Gefährdern“ verwendet werden. Zudem solle die private Videoüberwachung vernetzt werden, so der Innenminister. Es gebe in Österreich mehr als eine Million Kameras, die man in Serie schalten könnte. Auch die Kameras der ASFINAG könnten zusätzlich Videomaterial durch Ausbau der Kfz-Kennzeichenerfassung zur Aufklärung und Vorbeugung von Verbrechen liefern.
Auf der Agenda des Innenministers steht auch der „kleine Lauschangriff“ im Auto (Abhören eines nicht öffentlich gesprochenen Wortes außerhalb einer Wohnung). „Derzeit können wir nur die Peilung der Autos setzen, nicht aber die Gespräche im Auto überwachen“, sagte Sobotka.
Mayer: „Erst U-Haft, dann Fußfessel“
Der Verfassungsrechtler Heinz Mayer betonte gegenüber ORF.at die Notwendigkeit eines konkreten Verdachts: „Eine Überwachung für alle und jeden und völlig anlassbefreit ist nicht zulässig.“ Auch sei die reine Option, einen „Gefährder“ mittels Fußfessel zu überwachen, eine Einschränkung der persönlichen Freiheit: „Wenn man nachweisen kann, dass ein dringender Tatverdacht besteht, kann U-Haft verhängt werden. Diese kann dann durch eine Fußfessel ersetzt werden.“
Das Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung habe eine gute Einschätzung davon, welche Personen genauer im Auge behalten werden sollten. „Das reicht aber noch nicht, um jemanden einfach einzusperren oder ihm eine Fußfessel zu verpassen. Der Verdacht muss konkret sein.“ Der „kleine Lauschangriff“ ist laut Mayer schon jetzt möglich - aber nur bei konkretem Verdacht. „Dazu ist aber ein Gerichtsbeschluss nötig.“
SPÖ: „Kein akkordierter Vorschlag“
Auch der Koalitionspartner reagierte skeptisch auf die Vorschläge und führte an, dass dem Staatsschutz bereits die notwendigen Instrumente in die Hand gegeben wurden, und diese „in einem ausgewogenen Verhältnis mit dem Grundrecht auf Schutz des Privatlebens und Achtung der Privatsphäre stehen“, hieß es aus dem Büro von SPÖ-Sicherheitssprecher Otto Pendl gegenüber ORF.at. Das Polizeiliche Staatsschutzgesetz sei nach einem fast zweijährigen Diskussionsprozess erst im Juli 2016 in Kraft getreten.
„So ist es jetzt möglich, die Mobiltelefone von Terrorverdächtigen zu überwachen und Daten deren Umfeldes zu sammeln, es können Vertrauenspersonen eingesetzt werden, Kennzeichen-Erkennungsgeräte können eingesetzt werden, und Auskünfte zu Standortdaten oder IP-Adressen können eingeholt werden.“ Man müsse erst beobachten, ob diese Instrumente greifen. Zudem seien Sobotkas Pläne „noch kein akkordierter Vorschlag, sondern alleinige Wunschliste des Innenministers“, hieß es in der Stellungnahme.
Auch der Kärntner SPÖ-Landesvorsitzende Peter Kaiser sagte, dass er die Ideen nur aus den Medien kenne: „Diese Vorschläge wurden nicht dort präsentiert, wo sie eigentlich sinnvollerweise angesprochen werden, etwa bei Referententagungen.“
Sorge von Datenschützern
Datenschützer reagierten am Donnerstag ablehnend auf Sobotkas Vorschläge. Der Verein epicenter.works (ehemals AK Vorrat) hält sie gar für „demokratieschädlich“, hieß es in einer Stellungnahme für ORF.at. Durch die vorgeschlagenen Maßnahmen entstehe „nämlich bei den Bürgern das Gefühl, dass ihr Privatleben Gegenstand ständiger Überwachung ist. Daher fordern wir eine klare Positionierung des Bundeskanzlers (Christian Kern, SPÖ, Anm.) zu diesen überschießenden Überwachungsfantasien.“

ORF.at/Zita Klimek
Datenschützer kritisieren das „Gefühl ständiger Überwachung“ durch Kameras
Die einzelnen Maßnahmen seien mit großen Risiken verbunden, so die Datenschützer: Aufgrund der vielen unterschiedlichen Kameramodelle in Umlauf müssten Hersteller einheitliche Schnittstellen implementieren und an das Internet anbinden. „Die Folgen für die technische Sicherheit wären äußerst bedenklich“, so epicenter.works.
Fußfessel „gegen die Unschuldsvermutung“
Auch eine Fußfessel für „Gefährder“ sieht der Verein kritisch: Diese seien „erst einmal nur“ Verdächtige, nicht verurteilte Straftäter. „Eine derartige Maßnahme steht im Widerspruch zum Prinzip der Unschuldsvermutung und ist daher höchst problematisch.“ Jede Verschärfung von Überwachungsmaßnahmen müsse „sehr genau betrachtet werden, da sie immer mit der Einschränkung von Grundrechten wie dem Recht auf Privatsphäre einhergeht“.
Auch der steirische Experte Georg Markus Kainz vom Datenschutzverein quintessenz sieht darin eine politische Reaktionen nach Terroranschlägen. Die Verknüpfung von Videodaten verbiete das Datenschutzgesetz - mehr dazu in steiermark.ORF.at.
Technische Möglichkeiten eingeschränkt
Kritik kam schon zuvor von Oppositionsparteien, die ebenfalls besonders die Vernetzung der Videoüberwachung monierten. „Immer wieder sehen wir uns mit unausgegorenen Vorschlägen des Innenministers konfrontiert, die darauf abzielen, Grund- und Freiheitsrechte der Österreicherinnen und Österreicher massiv zu beschränken“, so Nikolaus Scherak, Menschenrechtssprecher von NEOS. In den Augen des grünen Justizsprechers Albert Steinhauser würde die Vernetzung „einen nahezu lückenlosen Überwachungsstaat bringen“.
Die ASFINAG, deren Kameras der Innenminister für die Vernetzung von Daten nutzen will, winkte ab: Die meisten der rund 5.000 Verkehrskameras seien etwa derzeit nicht in der Lage, Kennzeichen zu erfassen. Das sagte Hartwig Hufnagl von der ASFINAG gegenüber dem Ö1-Morgenjournal. „Ein paar gibt es für betriebliche Zwecke, die natürlich Kennzeichen erfassen könnten, aber unser Fokus ist in der ASFINAG, diese betrieblich zu verwenden“, so Hufnagl. Um Kameras, die den Verkehrsfluss beobachten, auf Kennzeichen scharfzustellen, müsste man sie umrüsten. Momentan werden auch nur Bilder gespeichert, die in Tunneln aufgenommen werden.
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