Großangelegte Razzia
Nach dem Terrorangriff auf eine Silvesterparty in einem Club in Istanbul mit mindestens 39 Toten geht die Suche nach dem oder den Tätern weiter. Die türkischen Behörden nahmen acht Verdächtige fest, der Attentäter soll jedoch weiter auf der Flucht sein. Die Polizei fahndet nach dem Mann und veröffentlichte ein Foto des Verdächtigen, das von einem Überwachungsvideo stammt.
Dieser Artikel ist älter als ein Jahr.
Die Nachrichtenagentur DHA meldete, am Montagabend sei es zu einer Operation von Anti-Terror-Einheiten in Istanbul gekommen. Dabei seien Hubschrauber eingesetzt und Straßen gesperrt worden. Über Festnahmen bei dieser Razzia wurde nichts bekannt.
IS-Bekennerschreiben
Die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) reklamierte die Tat am Montag für sich. In einem Bekennerschreiben hieß es: „In Fortsetzung der gesegneten Operationen des Islamischen Staates gegen die Beschützerin des Kreuzes, die Türkei, hat einer der heldenhaften Soldaten des Kalifats gegen den berühmten Nachtclub zugeschlagen, wo die Nazarener (Christen) ihr polytheistisches Fest feiern. Er hat sie mit Handgranaten und seiner automatischen Waffe angegriffen und ihre Feiern in Trauer umgewandelt.“ Der Angreifer hatte das Feuer mit einer automatischen Waffe eröffnet.
Überlebende schildern Terror
Zwei Wiener konnten sich in Istanbul rechtzeitig aus der Schusslinie bringen. Im ORF-Interview berichten sie über den Anschlag im Nachtclub.
Von einem Einsatz von Handgranaten bei dem Angriff ist von offizieller Seite bisher nichts bekannt. Die türkischen Sicherheitsbehörden prüfen laut einem Bericht der Zeitung „Hürriyet“ einen Zusammenhang mit einem Anschlag im Sommer. Laut dem Zeitungsbericht wird eine Verbindung zur IS-Zelle untersucht, die den Angriff auf den Atatürk-Flughafen im Juni mit 47 Toten verübt haben soll. Bereits vor dem IS-Bekennerschreiben hatte „Hürriyet“ von entsprechenden Ermittlungen berichtet.
Täter aus Kirgistan oder Usbekistan?
Ferner hieß es, dass der Attentäter, der Sonntagfrüh mit einem Gewehr in das beliebte Lokal Reina am Bosporus gestürmt war, aus Kirgistan oder Usbekistan stammen soll. Eine Reaktion aus dem kirgisischen Außenministerium gibt es bereits: Die Information sei fragwürdig, man wolle den Bericht aber prüfen, sagte eine Sprecherin laut der staatlichen russischen Nachrichtenagentur Interfax.

APA/AP/CCTV/Haberturk Newspaper
Das Fahndungsbild des Täters
Außerdem werden über Medien immer mehr vermutete Details zum Ablauf der Bluttat bekannt: Insgesamt habe der Attentäter mehr als 180 Schüsse abgegeben und dabei sechsmal das Magazin gewechselt, berichtete die Zeitung „Hürriyet Daily News“ am Montag unter Berufung auf Ermittler, die Videobilder des Angriffs ausgewertet hatten.
Kleidung in Küche gewechselt?
Der unbekannte Täter, der ein grünes Hemd, dunkle Hosen und schwarze Stiefel trug, soll mit einem Taxi aus dem Istanbuler Stadtteil Zeytinburnu gekommen sein. Wegen des dichten Verkehrs in Ortaköy, wo der Club liegt, sei er ausgestiegen und die letzte Strecke zu Fuß gegangen, berichtete „Hürriyet Daily News“. Um 1.20 Uhr wurde er offenbar dabei gefilmt, wie er einen Polizisten und einen Zivilisten vor dem Eingang mit einem Gewehr erschoss.
Die Zeitung zitierte Ermittler mit der Aussage, der Angreifer habe im Umgang mit seiner Waffe professionell gewirkt. Demnach ging er im Reina zunächst nach oben, bevor er in das untere Stockwerk zurückkehrte. Laut Augenzeugen tötete er auch am Boden liegende Menschen durch Kopfschüsse. Schließlich sei er in die Küche gegangen, wo er rund 13 Minuten geblieben sei, die Kleidung gewechselt und seinen Mantel zurückgelassen habe.
Zu wenig Geld fürs Taxi?
Dem Bericht zufolge entkam der Mann in der allgemeinen Panik nach dem Angriff unerkannt. Laut „Hürriyet Daily News“ nahm er ein Taxi, stieg aber nach kurzer Strecke wieder aus, weil er dem Fahrer sagte, dass er kein Geld bei sich habe. Demnach wurden 500 Lira in der Tasche des Mantels gefunden, den er am Anschlagsort zurückließ. Seitdem fehlt von ihm jede Spur.
Zuvor waren auch Aufnahmen von Überwachungskameras aufgetaucht, auf denen der bzw. die Täter zu sehen sein sollen. Von einer vor dem Nachtclub installierten Überwachungskamera sei etwa eine schwarz gekleidete Person mit Rucksack zu sehen, die offenbar auf einen Polizisten schießt. Andere Aufnahmen aus dem Inneren des Nachtclubs sollen dann eine gänzlich anders gekleidete Person zeigen.
Offenbar Fingerabdrücke entdeckt
Die Behörden stehen unterdessen angeblich kurz davor, den Schützen zu identifizieren. Es seien Fingerabdrücke gefunden worden, auch gebe es eine grundsätzliche Beschreibung des „Terroristen“, sagte der türkische Regierungssprecher Numan Kurtulmus am Montag auf einer Pressekonferenz. Der Täter werde rasch identifiziert werden.
Das Muster des Anschlags weise signifikante Unterschiede zu früheren Terrorattacken in der Türkei auf, sagte Kurtumulus, ohne Details zu nennen. Zudem stellte er einen direkten Zusammenhang zwischen dem Anschlag und dem militärischen Engagements Ankaras in Syrien her. Die Intervention im Norden des Landes habe Terrorgruppen verärgert, die Offensive werde aber weitergehen, bis alle Sicherheitsrisiken für die Türkei entfernt seien.
Keine Opfer aus Österreich
Außenminister Sebastian Kurz (ÖVP) bestätigte Montagfrüh, dass keine Österreicher unten den Opfern seien. Es seien Österreicher im Club anwesend gewesen, sie seien aber unverletzt, so Kurz im „Ö1-Morgenjournal“. Sie seien bei ihrer Ausreise unterstützt worden.
26 Todesopfer kamen aus dem Ausland, elf der identifizierten Todesopfer waren türkische Staatsangehörige, zwei kommen aus Deutschland, ein weiteres habe zusätzlich die belgische Staatsangehörigkeit gehabt, hieß es von den türkischen Behörden. Die meisten Todesopfer stammten den Angaben zufolge aus arabischen Staaten. Als Herkunftsländer genannt wurden Saudi-Arabien, Libanon, Irak, Tunesien, Marokko, Indien, Jordanien, Kuwait, Kanada, Israel, Syrien und Russland. Auch zwei Inder wurden getötet. Am Montag wurden die ersten türkischen Opfer unter großer öffentlicher Anteilnahme beigesetzt.

APA/AFP/Bulent Kilic
Hunderte strömten zum Begräbnis eines 23-jährigen Opfers in Istanbul
PKK weist Verantwortung von sich
Von kurdischer Seite wurde die Verantwortung für das Attentat abgewiesen. Die Agentur Firat, die der verbotenen Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) nahesteht, zitierte deren Chef Murat Karayilan mit der Aussage, dass keine kurdische Gruppierung hinter der Tat stecke. Der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen verurteilte den Anschlag als abscheuliche und barbarische Tat. Alle Terrorakte seien verbrecherisch und durch nichts zu rechtfertigen, unabhängig von ihrer Motivation, teilte der Sicherheitsrat mit.
„Hürriyet“ zufolge hatten Polizei und Geheimdienste in der Türkei vor Silvester Informationen über möglicherweise zum Jahreswechsel bevorstehende Anschläge in verschiedenen Städten erhalten. Im Dezember habe es in diesem Zusammenhang Razzien und Festnahmen gegeben. Am 30. Dezember sei dann eine Geheimdienstwarnung aus den USA über die Gefahr von IS-Anschlägen in Istanbul oder Ankara am kommenden Tag eingegangen.
Links: