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Glücksodyssee mit Hindernissen

Gerade zum Jahreswechsel fragt sich manch einer, was man im Leben ändern könnte, um ein bisschen glücklicher zu werden. Stefan Sagmeister, Österreichs weltbekannter Design-Superstar, hat sich mit „The Happy Film“ auf die Suche nach dem Wesen des Glücks begeben, um im Selbstversuch Antworten durch Meditation, Psychotherapie und Drogenkonsum zu finden. Entstanden ist das amüsante Porträt eines Berufsjugendlichen in der Midlife-Crisis.

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Eines wird gleich zu Beginn klargestellt: „Dieser Film wird Sie nicht glücklich machen.“ Und schon ist man mittendrin im Sagmeister’schen Universum aus gelben Luftballons, kreativ-schrägen Persönlichkeiten und charmantem Imperfektionismus. Es ist Sagmeisters erster Film, und der preisgekrönte Designer macht kein Geheimnis daraus, dass er während der Dreharbeiten mehr als einmal an seine professionellen Grenzen gestoßen ist. Statt 18 Monaten hat es immerhin sieben Jahre gedauert, bis „The Happy Film“ fertiggestellt war.

Der Erfolg eines Auslandsösterreichers

Doch alles der Reihe nach. Sagmeister ist erfolgsverwöhnt. Der gebürtige Vorarlberger, der seit 1993 in New York wohnt, wurde für seine Arbeiten - darunter Plattencover für die Rolling Stones, Lou Reed und die Talking Heads - international ausgezeichnet, zwei Grammys inklusive, und das Goldene Ehrenzeichen für Verdienste um die Republik Österreich wird wohl auch nicht so bald wieder an einen Grafikdesigner verliehen werden. Seine weltweit gezeigte „Happy Show“, die im Herbst 2015 auch im Wiener Museum für angewandte Kunst gastierte, ist mittlerweile die bestbesuchte Grafikdesignausstellung aller Zeiten.

Stefan Sagmeister am Strand von Bali

Polyfilm

Beim Meditieren in Bali stellten sich nur bedingt Glücksgefühle ein

Mit der Suche nach dem Glück scheint Sagmeister also wieder einmal den Nerv der Zeit getroffen zu haben. Die Idee zu einem Film über das Thema - die Ausstellung dazu war sozusagen ein Nebenprodukt, das schneller das Licht der Welt erblickt hat - kam ihm während einer Auszeit in Indonesien vor sieben Jahren, wo sich der vielbeschäftigte Großstädter ein Jahr lang eine Art Bildungskarenz gönnte. Nach Rücksprache mit diversen Experten stellte sich jedoch heraus, dass ein Film über das menschliche Glück an sich wohl eine Nummer zu groß für den Regiedebütanten wäre. Also wurde das Projekt reduziert auf Sagmeisters eigenes Glücklichsein, denn - wie er im Film betont - in Bezug auf sein eigenes Glück sei er schließlich weltweit der Experte Nummer eins.

In drei Phasen zum Glück

Der Film sollte allerdings nicht auf Emotionen basieren, sondern auf Fakten und eindeutigen Zahlen, dargelegt und dokumentiert mit Hilfe des Psychologen und Glücksexperten Jonathan Haidt in einer Versuchsreihe. In drei Phasen wollte Sagmeister am eigenen Leib erfahren, ob und wie man sein eigenes Glück beeinflussen kann. In Phase eins sollten Glücksgefühle durch Meditation erlangt werden. Doch trotz der atemberaubenden Kulisse Balis, wohin er sich zu Glücksforschungszwecken begab, und einer kurzen, aber heftigen Liebesaffäre wollte sich das erhoffte Ergebnis nicht einstellen.

Stefan Sagmeister mit Blume

Polyfilm

Aufgabenstellung: Raus aus der Komfortzone und einer Unbekannten Blumen schenken

Regelmäßige Sitzungen bei einer Verhaltenstherapeutin standen in Phase zwei auf dem Plan. Sagmeister, der auf eine ausgesprochen glückliche Kindheit im Bregenzerwald zurückblicken kann, schien hier fehl am Platz zu sein. Ein wenig konflikt- und bindungsscheu sei er, lautete schließlich die Diagnose, nachdem Therapeutin und Zuschauer einiges über vergangene Liebesbeziehungen im Leben des Protagonisten erfahren hatten. Immerhin, der Patient lernte, dass es hilfreich sein kann, die eigene Komfortzone hin und wieder zu verlassen.

Vorträge zu „Glück und Design“

Bereits in der Vergangenheit hat Sagmeister immer wieder Vorträge zum Thema „Glück und Design“ gehalten. Dabei zitiert er gern aus den Büchern des amerikanischen Psychologie-Professors Jonathan Haidt. Spaßfaktor im Hörsaal garantiert.

Zu guter Letzt wurde in Phase drei mit verschreibungspflichtigen Medikamenten experimentiert. Obwohl Sagmeister keineswegs an Depressionen leidet, wurde ihm ein Antidepressivum gegen Angststörungen verschrieben. Und siehe da, die Psychopharmaka schienen ihren Zweck zu erfüllen. Entspannt wie nie zuvor gelang es Sagmeister, sich emotional zu öffnen und sogar die Liebe seines Lebens zu finden. Zumindest vorübergehend.

Lose Enden und offene Fragen

Dem nachhaltigen Glück ist Sagmeister während seiner Selbstversuche nicht wirklich näher gekommen. Auch visuell hübsch verpackte Sinnsprüche wie „Zu versuchen, gut auszusehen, schränkt mein Leben ein“ haben dabei nicht geholfen. „Das wird eine absolute Katastrophe“, resümiert er am Ende des Films, als ihm klar wird, dass er keine Ahnung hat, wie er all die losen Enden und offenen Fragen zu einer stimmigen Dokumentation verknüpfen soll. Statt einer wissenschaftlich fundierten Bestandsaufnahme über das Wesen des Glücks wurde sein Film zum Porträt eines Berufsjugendlichen voller Selbstzweifel und Unsicherheiten.

Stefan Sagmeister bei der Arbeit

Polyfilm

Das Glück des Berufsjugendlichen: Spaß bei der Arbeit

Doch genau in der Schwäche des Filmemachers liegt die Stärke des Werks: Die schonungslos unverblümte und entwaffnend offenherzige Darstellung eines Mannes in der Midlife-Crisis erweist sich als erfrischend glaubwürdig und optisch herausragend durch die Handschrift des genialen Grafikdesigners. Und Sagmeister wäre kein Aushängeschild der zeitgenössischen Popkultur, wäre die ganze Story nicht amüsant, unterhaltsam und kurzweilig wie ein Ausflug in die hippsten Viertel von New York.

Sonia Neufeld, ORF.at

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