„Zweifellos“ Amri
Der mutmaßliche Attentäter von Berlin Anis Amri ist bei Mailand bei einer Schießerei getötet worden, berichtete der italienische Innenminister Marco Minniti bei einer Pressekonferenz Freitagvormittag. Der getötete Mann sei „zweifellos“ Amri, betonte Minniti.
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Amri wurde laut Minniti in der Nacht auf Freitag bei einer Schießerei mit der Polizei in Sesto San Giovanni bei Mailand getötet. Er war nach 3.00 Uhr bei einer Routinekontrolle angehalten worden und nach seinen Dokumenten gefragt worden. Amri zog daraufhin aus seinem Rucksack eine Pistole, mit der er sofort auf die Polizisten schoss. Amri verletzte einen der Polizisten an einer Schulter, der andere Polizist sei unversehrt, so Minniti weiter. Die Polizisten reagierten auf den Angriff und töteten ihn, so Minniti weiter.

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Die Polizei riegelte den Ort des Schusswechsels ab
Anhand von Fingerabdrücken identifiziert
Der geflohene Verdächtige sei äußerst gefährlich gewesen und hätte andere Anschäge verüben können, sagte der Mailänder Polizeichef Antonio De Iesu. Amri hatte kein Telefon und keine Dokumente bei sich, in der Tasche hatte er „einige hundert Euro“, sagte der Polizeichef. Nach Angaben aus Sicherheitskreisen wurde er anhand von Fingerabdrücken identifiziert. Der verletzte Polizist wurde ins Spital in Monza eingeliefert, er schwebt nicht in Lebensgefahr.

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Die italienische Polizei vermutete indes, dass die Pistole Kaliber .22, mit der Amri auf einen Polizisten geschossen hatte, dieselbe sei, mit der er den polnischen Lkw-Fahrer in Berlin getötet haben könnte. Dabei handle es sich um eine nicht registrierte Waffe deutscher Produktion.
Die vermutliche Reiseroute Amris
Amri ist wohl mit dem Zug von Frankreich nach Italien gereist. Nach Angaben der italienischen Nachrichtenagentur ANSA vom Freitag kam der Terrorverdächtige aus Chambery nach Turin in der italienischen Region Piemont. Von dort nahm er die Bahn nach Mailand, wo er gegen 1.00 Uhr in der Nacht zum Freitag am Hauptbahnhof ankam. Darauf habe er sich zum Bahnhof Sesto San Giovanni begeben. Vor dem Bahnhof, auf dem Platz des 1. Mai, begegnete Amri nach Polizeiangaben um etwa 3.30 Uhr den Polizisten, die ihn dann bei einem Schusswechsel töteten.

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„Ganz Italien ist auf diese Polizisten stolz“
„Italiens Sicherheitssystem funktioniert. Wir können darauf stolz sein“, sagte Minniti weiter. „Wenn wir eine Person identifiziert und neutralisiert haben, die in einem Großteil Europas auf der Flucht war, bedeutet das, dass unser Sicherheitssystem effizient ist“, sagte Minniti. Er gab die Namen der beiden jungen Polizisten bekannt, die den Tunesier angehalten haben. „Ganz Italien ist auf diese Polizisten stolz.“
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Dramatische Szenen vor Bahnhof
Amri wurde nahe Mailand erschossen. Er war zu Fuß unterwegs und wurde für eine Routinekontrolle angehalten. Er schoss laut Angaben des italienischen Innenministeriums sofort auf die Beamten.
Gentiloni: Bedrohungslage weiter hoch
Der Polizist, der Amri erschoss, ist ein 29-Jähriger aus dem sizilianischen Catania, der erst seit wenigen Monaten bei der Polizei ist und auf Probezeit im Einsatz war. Bei dem zweiten, von Amri angeschossenen Polizisten handle es sich um einen 36-Jährigen aus Udine.
Die Bedrohungslage bleibt laut dem italienischen Ministerpräsidenten Paolo Gentiloni auch nach dem Tod Amris hoch. „Die Bedrohung wird nicht unterschätzt“, sagte Gentiloni. Italien sei stolz auf die Sicherheitskräfte, sagte Gentiloni. „Ein besonderer Dank geht an den jungen Polizisten auf Probe Christian Movio, der bei dem Einsatz in Sesto San Giovanni verletzt wurde.“ Der vorbildliche Einsatz der Polizisten habe aber gezeigt, dass der Staat für die Sicherheit der Bürger sorgt.
Berliner Behörden sagen „Grazie“
Die Berliner Polizei bedankte sich bei ihren italienischen Kollegen für die Hilfe bei der europaweiten Suche nach dem mutmaßlichen Berliner Attentäter Anis Amri. „Grazie e pronta guarigione ai colleghi feriti“ („Danke & gute Besserung den verletzten Kollegen“), schrieb die Polizei bei Twitter auf Italienisch.
Auch die deutsche Regierung dankte den italienischen Behörden für die Zusammenarbeit in dem Fall. Es habe einen sehr engen und vertrauensvollen Informationstausch am Freitagvormittag gegeben, sagte ein Sprecher des Auswärtigen Amts in Berlin. So sei der deutsche Generalkonsul in Mailand sehr früh eingeweiht worden, es habe auch direkten Kontakt mit dem dortigen Polizeipräfekten gegeben. „Die Abklärungen laufen, wir sind in Kontakt mit den italienischen Sicherheitsbehörden“, sagte ein Sprecher der deutschen Bundesanwaltschaft.
Haftstrafe in Italien
Laut italienischen Behörden war Amri 2011 mit anderen tunesischen Migranten auf Lampedusa eingetroffen. Hier soll er ein Flüchtlingslager in Brand gesetzt haben. Auf Sizilien wurde er zu vier Jahren Haft verurteilt, die er in Catania und Palermo abgesessen hatte. Im Mai 2015 wurde er freigelassen. Danach sei er nach Deutschland gereist.
Die Leiterin der Strafanstalt Pagliarelli in Palermo, in dem Amri vier Monate lang verbracht hatte, bezeichnete den Tunesier als „problematischen Sträfling“. Amri, der auch Gefängnisaufseher geschlagen habe, hatte nach Ansicht von Francesca Vazzana ein „psychologisches Problem, das darauf zurückzuführen ist, dass er unser Kultursystem nicht akzeptierte“. Signale einer Radikalisierung habe er jedoch nicht gegeben.
Ermittlungen gehen in Deutschland weiter
Nach dem Tod von Amri gehen die Ermittlungen zum Anschlag auf dem Weihnachtsmarkt auf dem Breitscheidplatz in Berlin laut Berlins Innensenator Andreas Geisel (SPD) unvermindert weiter. „Das bedeutet nicht, dass wir die Fahndungsmaßnahmen aufheben werden“, sagte Geisel. So müsse zum Beispiel geklärt werden, ob der Attentäter Komplizen hatte. „Der Sachverhalt wird weiter aufgeklärt.“
Nunmehr würden sich die Ermittlungen der deutschen Sicherheitsbehörden auf ein mögliches Helfernetzwerk Amris konzentrieren. Allerdings liefen die Ermittlungen „derzeit nur gegen Unbekannt weiter“, sagte der deutsche Generalbundesanwalt Peter Frank. Unter anderem gelte es herauszufinden, ob Amri von Unterstützern Geldmittel oder Fluchthilfe erhielt.
„Auch wenn der Tatverdächtige tot ist, die rechtsstaatliche Aufarbeitung endet nicht“, sagte Justizminister Heiko Maas (SPD). Bei Gesprächen mit Innenminister Thomas de Maiziere (CDU) im Jänner „wird es insbesondere um die Fragen gehen, wie Ausreisepflichtige so schnell wie möglich abgeschoben werden und wie Gefährder noch besser überwacht werden können“. Und Maas weiter: „Konkrete politische Schlussfolgerungen können wir erst dann abschließend vorlegen, wenn dieses abscheuliche Verbrechen umfassend aufgearbeitet ist.“
Fingerabdrücke am Lkw
Die deutschen Ermittler haben kaum noch Zweifel, dass Amri für den Anschlag auf den Berliner Weihnachtsmarkt mit zwölf Toten und mehr als 50 Verletzten verantwortlich ist. Amris Fingerabdrücke wurden am Fahrerhaus des Lastwagens sichergestellt, der am Montagabend in den Weihnachtsmarkt gerast war. Das hatte De Maiziere am Donnerstag mitgeteilt. Es gebe auch weitere Hinweise, „dass dieser Tatverdächtige mit hoher Wahrscheinlichkeit wirklich der Täter ist“.
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