Quereinsteiger löst Meyer ab
Bogdan Roscic, derzeit Präsident der Klassiksparte des Musikkonzerns Sony, wird mit der Saison 2020/21 neuer Direktor der Wiener Staatsoper. Der einstige Chef des ORF-Radiosenders Ö3 folgt damit auf Dominique Meyer, dessen Vertrag nach zwei Amtszeiten 2020 auslaufen wird.
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Rosic habe eine Vernetzung mit den wichtigsten Sängern und Dirigenten der Welt, die ihresgleichen suche, begründete Kulturminister Thomas Drozda (SPÖ) seine Entscheidung, deren Tragweite er sich durchaus bewusst sei: „Ich möchte die Gelegenheit nutzen und die Staatsoper als ‚die‘ Leitinstitution unserer Kulturlandschaft ab dem Jahr 2020 neu positionieren.“ So repräsentiere der 52-jährige Plattenboss Roscic auch einen Generationswechsel. „Ich glaube, wir müssen in die Zukunft blicken - und das heißt in keinem Fall Kritik am Status quo“, so Drozda.
„Herausragender Gestaltungswille“
Zwar sei die aktuelle Situation sehr gut, allerdings gehe es darum, die Staatsoper künftig neu aufzustellen. Er wolle, dass die Zahl der Premieren erhöht und das Repertoire künftig anders gepflegt werde, sagte Drozda. Roscic zeichne ein „herausragender Gestaltungswille“ aus. Nicht zuletzt habe ihn aber Roscics Konzept für die inhaltliche Ausrichtung der Staatsoper ab 2020 restlos überzeugt. „Wenn Sie so wollen, geht es auch darum, eine Staatsoper 4.0 zu kreieren.“

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Bundestheater-Holding-Chef Christian Kircher und Kulturminister Thomas Drozda präsentieren Bogdan Roscic (v. l. n. r.)
„Wichtigste Entscheidung meines Lebens“
Roscic selbst nannte den Wechseln nach Wien „die wichtigste Entscheidung meines Lebens“. Sein Vorsatz sei eine „allabendliche Hebung der Qualität“, und zwar auf ein Niveau, das der Oper die Kraft gebe, „ihr Publikum selbst zu erschaffen“ und in der Konkurrenz mit anderen Medien zu bestehen.
Gelockt habe ihn der „gewaltige Gestaltungsspielraum“ und die Überzeugung, dass man sich als Opernhaus heute „Rechenschaft ablegen muss darüber, wo Oper als Kunstgattung eigentlich steht“. Das Genre habe „an Bedeutung verloren, ist nicht mehr selbstverständlicher Bestandteil unserer aller Sozialisation“ und stehe in einer „Konkurrenz, wie es sie noch nie gegeben hat, um die Zeit und das Geld ihres Publikums“.
„Was“ und „Warum“ wichtiger als „Wie“
In der amerikanischen Alltagswelt, „links der Broadway, rechts Netflix“, sei die Situation zwar verschärft, aber der Umstand, „dass Oper vor lauter kulturellem Prestige nicht den Vergleich eingehen muss mit der Relevanz“, gehöre auch hierzulande der Vergangenheit an. „Wir reden zu viel über das Wie. Das Publikum von heute und von morgen braucht auch Antworten auf Fragen wie Was oder Warum. Was ist die Oper für mich, warum muss sie Teil meines Lebens werden?“ Diese Antworten könnten nur gegeben werden durch „Erlebnisse einer anderen Tiefe und Intensität, als sie Theaterroutine manchmal zu bieten hat“. Die Oper - „die größte Materialschlacht der Kulturwelt“ - stehe unter großem Druck und „muss liefern“.
„Nicht das Amtsblatt zur Ausschreibung studiert“
Der neue Staatsoperndirektor heißt überraschenderweise Bogdan Roscic. Der künftige Direktor weiß das und sparte bei der Skizzierung der Herausforderungen für die Oper nicht mit klaren Ansagen. Das „Amtsblatt für die Ausschreibung des Posten“ habe er nicht „studiert“, so Roscic.
Jeder kenne den bewegenden Moment in der Oper, „wo ein ganzes Haus wie in einem Klimmzug es schafft, sich auf das Niveau des gespielten Werkes hochzuziehen“. Das sei sein klares Ziel. Inspiration sei ihm „der bedeutendste Direktor der Staatsoper bisher“, nämlich Gustav Mahler, dessen Amtsantritt sich 2022 zum 125. Mal jährt. „Vorwärts zu Mahler“ war auch der Titel seines Konzepts. Seine Ideen „ziehen viele organisatorische Maßnahmen nach sich“, die er im Detail allerdings noch nicht erläutern könne. Die Bestellung eines Generalmusikdirektors zähle jedenfalls ebenso dazu wie eine klare Ausrichtung auf zeitgenössisches Musiktheaterschaffen.
Meyer hätte gerne weitergemacht
Der amtierende Direktor Meyer hatte zuvor gesagt, noch länger im Amt bleiben zu wollen. „Ich habe noch viele Ideen und Projekte. Ich liebe Wien und ich liebe mein Theater. Und deshalb möchte ich gerne weitermachen.“ Dass seine Bewerbung im Kulturministerium auf taube Ohren stoßen werde, hatte sich aber schon in den letzten Wochen abgezeichnet.

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Meyer muss gehen - wäre aber gerne geblieben
Schon 2007 bewarb er sich mit einem Konzept, das eben nicht in die Reformagenda Drozdas gepasst hätte. „Generell bin ich der Überzeugung, man kann an einem Haus wie der Wiener Staatsoper nur sanfte Anpassungen vornehmen“, gab Meyer damals in seiner Antrittsbiografie als Motto aus: „Es ist nicht möglich, alle Reformen, die vielleicht nötig sind, gleichzeitig in Angriff zu nehmen.“
„Dem österreichischen Staat sehr dankbar“
Heute jedenfalls wolle er „nur die positive Seite der Dinge zusammenfassen“, so der scheidende Direktor in einer Stellungnahme: „Ich bin dem österreichischen Staat sehr dankbar, mir die Möglichkeit gegeben zu haben, zehn Jahre (insgesamt sogar 13, wenn man die Vorbereitungszeit dazuzählt) im Dienste dieser wunderbaren Institution arbeiten zu dürfen, umgeben von einem kompetenten und engagierten Team, das mich stets unterstützt hat.“
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