Ermittlungen laufen weiter auf Hochtouren
Eines der zwölf Opfer des Anschlags mit einem vermutlich gestohlenen Lkw auf einen Berliner Weihnachtsmarkt am Montag wurde erschossen. Das teilte der Brandenburger Innenminister Karl-Heinz Schröter am Dienstag mit. Es handelt sich offenbar um den ursprünglichen Fahrer des polnischen Lkw. Dieser sei Opfer und nicht Täter, so Schröter.
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Der Fahrer konnte vom Besitzer der Spedition, Ariel Zurawski, identifiziert werden. Er habe seinen Cousin auf einem Polizeifoto erkannt, sagte Zurawski im polnischen Fernsehen. „Der Täter ist, diese Information habe ich von der Polizei, ein Flüchtling, der seit Februar in Berlin gewesen ist“, sagte Zurawski. Polnischen Medien zufolge könnte der Lkw am Montagnachmittag in Berlin gestohlen worden sein.
Zum Toten in dem Lastwagen sagte Innenminister Thomas de Maiziere: „Ich habe Kenntnis von einer Schusswunde. Es wird natürlich ermittelt mit Hochdruck, wann diese Schusswunde zugefügt wurde.“ Eine Obduktion dauere aber. DNA-Spuren würden untersucht. „Das ist keine Frage von Stunden.“
Auf Adventmarkt gerast
Der dunkle Lastwagen mit polnischem Kennzeichen fuhr laut Polizei gegen 20.00 Uhr auf einer Strecke von 50 bis 80 Metern mit hoher Geschwindigkeit über den Markt an der Gedächtniskirche und zerstörte dabei mehrere Stände.

Reuters/Fabrizio Bensch
Der polnische Lkw wird vom Tatort gebracht
Insgesamt starben zwölf Menschen. 48 Personen lagen Dienstagfrüh in Krankenhäusern. 18 von ihnen sind laut de Maiziere schwer verletzt. Laut Thomas Schnöll, dem Sprecher des österreichischen Außenministeriums, gibt es keine Hinweise auf Opfer aus Österreich. Zwei Opfer sollen laut APA aus EU-Ländern außerhalb Deutschlands sein.
Täter „auf freiem Fuß“
Laut einem Bericht der deutschen „Welt“ soll es sich beim noch am Abend festgenommenen Pakistaner nicht um den Todesfahrer handeln. Die Zeitung beruft sich auf Angaben der Berliner Polizei. Der wahre Täter sei noch bewaffnet auf freiem Fuß.
Bis dato war man davon ausgegangen, dass es sich bei dem Mann, der nahe der Siegessäule im Tiergarten festgenommen worde war, um den Täter handeln müsse. Er wurde in der Nacht verhört, stritt die Tat aber ab. Laut De Maziere stammt er aus Pakistan. Er sei am 31. Dezember 2015 nach Deutschland eingereist und registriert worden, sagte der Minister in Berlin. Sein Asylverfahren sei noch nicht abgeschlossen, nachdem mehrere Versuche einer Anhörung nicht zustande gekommen seien.

APA/AFP/Odd Andersen
Ermittler untersuchen den Tatort im Zentrum Berlins
Bisher bekannte sich nach Angaben von de Maiziere keine Organisation zu dem Anschlag. „Es gibt keine Bekennung vom Islamischen Staat auf uns bekannten Wegen.“ Es gebe aber indirekte Bekennungen. Zuletzt hatte es aus Sicherheitskreisen geheißen, der Festgenommene sei 1993 geboren. Derzeit wird laut dem Sprecher des heimischen Innenministeriums, Karl-Heinz Grundböck, geprüft, ob der Festgenommene des Anschlags im Vorjahr aus Österreich bei Passau nach Deutschland eingereist ist. Der Anschlag in Berlin habe aber „derzeit keinen direkten Bezug zu Österreich“.
Wegen Sexualvergehen amtsbekannt
Wie unter anderem der Berliner „Tagesspiegel“ berichtete, war der Festgenommene in Zusammenhang mit einem sexuellen Übergriff und Beleidigungen amtsbekannt. Einen entsprechenden Eintrag gebe es in der Interpol-Datenbank, dem länderübergreifenden Informationssystem der Polizeien. In den entsprechenden Terrordateien sei er bisher nicht vertreten. Das ZDF hatte berichtet, der Festgenommene sei so rasch gefasst worden, weil ein Augenzeuge den Mann nach der Todesfahrt in den Tiergarten flüchten sah, ihm nachrannte und die Polizei via Handy über den genauen Standort informierte.
Blutige Kleidung gefunden
Der polnische Fahrer des Lkw soll mit einer kleinkalibrigen Waffe erschossen worden sein. Im Führerhaus des Lastwagens sei blutverschmierte Kleidung gefunden worden. Bei dem später in einiger Entfernung vom Tatort festgenommenen Tatverdächtigen sei dagegen keine blutige Kleidung gefunden worden. Womöglich habe der Täter im Lkw seine Kleidung gewechselt.

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Trauerbekundungen in Berlin
Die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) geht von einem Anschlag aus. De Maiziere (CDU) fügte später hinzu, es gebe keinen Zweifel mehr, dass es sich um ein Attentat handelt. Die Polizei ermittelt ebenfalls in diese Richtung: „Alle polizeilichen Maßnahmen zu dem vermutlich terroristischen Anschlag am Breitscheidplatz laufen mit Hochdruck und der nötigen Sorgfalt“, so die Polizei via Twitter.
Einsatz in Flüchtlingsquartier: Keine Festnahmen
In der Früh gab es auf dem Gelände des ehemaligen Flughafens Tempelhof, wo sich eine der größten Flüchtlingsunterkünfte Berlins befindet, eine Hausdurchsuchung - der Verdächtige soll dort gelebt haben. Vier Männer Ende 20 seien befragt worden, es habe aber keine Festnahmen gegeben, sagte Sascha Langenbach, Sprecher des Landesamtes für Flüchtlingsangelegenheiten.

APA/AFP/Odd Andersen
Ein Überblick über den Ort des Geschehens
Der Einsatz, an dem auch Kräfte der Spezialeinheit (SEK) beteiligt waren, habe um 3.00 Uhr mit bis zu 250 Beamten begonnen. Die Kräfte seien dann aber reduziert worden. Die Lage sei ruhig gewesen. Um 8.00 Uhr sei der Einsatz beendet gewesen. Ob die Polizei nach Verbindungen des Täters suchte, sagte der Sprecher nicht explizit. „Die Annahme kann man aber haben.“ Zur Herkunft der befragten Flüchtlinge gab es keine Angaben.
GPS-Daten zeigen Lkw-Bewegung
GPS-Daten des Lkw hätten gezeigt, dass der Wagen ab etwa 15.45 Uhr mehrmals gestartet worden sei, berichtete der Sender TVN24 unter Berufung auf die betroffene polnische Spedition. Dabei könnte es sich um Versuche eines mutmaßlichen Diebes gehandelt haben, den Lkw zu steuern, vermuteten polnische Medien. „Es sah aus, als wenn jemand geübt hätte, den Wagen zu fahren“, sagte auch der Speditionsbesitzer. Gegen 19.45 Uhr habe der Wagen seinen Standort in Berlin endgültig verlassen. Der Lkw habe seit etwa Montagmittag vor einer Berliner Firma geparkt.

Grafik: OSM/ORF.at; Quelle: APA/dpa
Der Lastwagen habe Stahlkonstruktionen aus Italien nach Berlin transportiert, berichtete Zurawski. Wegen einer Verzögerung habe der Fahrer bis Dienstag warten müssen und den Lastwagen in Berlin geparkt. Die Berliner Polizei teilte dagegen mit, es bestehe der Verdacht, dass der Sattelschlepper in Polen von einer Baustelle gestohlen worden sei.
Polizei bittet um Zurückhaltung
Weihnachtsmärkte sollen in ganz Deutschland auch weiterhin stattfinden, beschlossen die Innenminister von Bund und Ländern. An Ort und Stelle solle über „lageangepasste und angemessene Maßnahmen zur Erhöhung der Sicherheit“ entschieden werden. In Berlin sollen die Märkte aus Respekt vor den Opfern am Dienstag aber geschlossen bleiben.
Die Polizei schaltete ein Portal frei, über das Augenzeugen des möglichen Anschlags in Berlin Fotos und Videos hochladen können. Zuvor hatte die Polizei gebeten, kein Bildmaterial über Soziale Netzwerke zu verbreiten oder es per Twitter an die Behörden zu senden. Auf Handyfotos und -videos könnten Hinweise zu sehen sein, die den Ermittlern bei ihrer Arbeit helfen.
Bei einem Anschlag im Juli in Nizza waren 86 Menschen ums Leben gekommen, als ein Terrorist mit einem Lastwagen über die Uferpromenade der Mittelmeer-Stadt fuhr. Für den Anschlag hatte die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) die Verantwortung übernommen.
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