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Täter „neutralisiert“

Bei einem bewaffneten Angriff in Ankara ist der russische Botschafter Andrej Karlow erschossen worden. Er sei seinen Schussverletzungen im Spital erlegen, teilte das Außenministerium in Moskau am Montag der Agentur Interfax zufolge mit.

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Der Angriff ereignete sich während einer Ausstellungseröffnung im Cagdas Sanatlar Merkezi, einer wichtigen Ausstellungshalle im Cankaya-Viertel, in dem die russische und viele andere Botschaften liegen. Der Attentäter habe auf den 62-jährigen Diplomaten geschossen, als dieser seine Ansprache beendet habe.

Der mutmaßliche Täter und Andrei Karlow

APA/AP/Burhan Ozbilici

Der mutmaßliche Attentäter mit der Schusswaffe - Karlow liegt angeschossen auf dem Boden

Videos zeigen Hergang

Auf Videos vom Anschlag ist zu sehen, wie der in einen Anzug gekleidete Attentäter immer wieder „Allahu Akbar“ ruft, nachdem er Karlow von hinten niedergeschossen hat. In der Folge ist zu sehen, wie der Angreifer fast eine Minute lang brüllt. Er schreit auf Türkisch außerdem „Vergesst nicht Aleppo“ und „Vergesst nicht Syrien“, während er neben dem leblos auf dem Boden liegenden Botschafter umherläuft.

Wer für die Grausamkeiten verantwortlich sei, werde bezahlen, schreit der Attenttäter zudem. Unmittelbar nach den Schüssen ruft der Angreifer zunächst auf Arabisch: „Wir sind diejenigen, die dem Propheten Mohammed und dem Dschihad Treue schwören.“ Diesen Satz rufen auch syrische Islamisten, wenn sie ins Gefecht ziehen. Im Hintergrund sind noch Schreie der flüchtenden Anwesenden zu hören. Drei weitere Menschen wurden laut türkischen Medienberichten verletzt.

Andrei Karlow

APA/AP/Burhan Ozbilici

Botschafter Karlow wurde während seiner Rede erschossen

Täter war 22-jähriger Polizist

Der türkische Staatssender TRT berichtete, Spezialkräfte der Polizei seien nach dem Anschlag in die Galerie gestürmt. Der Angreifer sei „neutralisiert“ worden, hieß es. „Neutralisiert“ bedeutet im Sprachgebrauch der türkischen Behörden, dass der Angreifer getötet, verletzt oder gefangen genommen wurde.

Nach Angaben des türkischen Innenministers Süleyman Soylu handelte es sich beim Täter um einen türkischen Polizisten. Der 22-Jährige war den Angaben zufolge seit zweieinhalb Jahren in der Hauptstadt eingesetzt gewesen. Nach Angaben der regierungsnahen Tageszeitung „Yeni Safak“ handelt es sich um ein Mitglied einer Spezialeingreiftruppe.

Wiederholt Proteste vor Botschaften

In den vergangenen Tagen hatte es in der Türkei wiederholt Proteste vor den Botschaften des Iran und Russlands wegen deren Unterstützung für die Offensive der syrischen Regierungstruppen gegen die Rebellen im syrischen Aleppo gegeben. In der türkischen Bevölkerung ist die Empörung groß über das Vorgehen des syrischen Machthabers Baschar al-Assad in der nordsyrischen Großstadt, die die syrische Armee inzwischen fast vollständig von den Rebellen zurückerobert hat.

Tatort in Ankara

Reuters/Umit Bektas

Die Gegend um den Anschlagsort wurde großräumig abgesperrt

Telefonat Erdogan - Putin

Russlands Präsident Wladimir Putin und sein türkische Amtskollege Recep Tayyip Erdogan telefonierten nach dem Attentat. Erdogan habe Putin über die Attacke informiert, teilten die türkischen Behörden am Freitagabend mit. In einer Erklärung verurteilte das türkische Außenministerium die „niederträchtige terroristische Tat“. Der Angriff dürfe keinen „Schatten über die türkisch-russische Freundschaft werfen“, hieß es. Verurteilungen der Bluttat gab es auch aus Paris und Berlin.

Syrien-Gespräche sollen wie geplant stattfinden

Die Syrien-Verhandlungen in Moskau sollen trotz der Ermordung des russischen Botschafters wie geplant am Dienstag stattfinden. Das Treffen von Ministern der Türkei, Russlands und des Iran stehe weiter auf der Tagesordnung, sagte der russische Außenpolitiker Leonid Sluzki am Montag nach Angaben der Agentur Interfax.

„Trotz dieser Tragödie sollten wir konstruktiv arbeiten“, sagte der Chef des außenpolitischen Ausschusses der Staatsduma. Moskau und Teheran unterstützen den syrischen Präsidenten Assad. Die Türkei will eine Zukunft für Syrien ohne Assad. Sluzki sprach sich auch für eine Fortsetzung der Beziehungen mit Ankara aus. Nach der Bluttat sei es wichtig, den „gesunden Menschenverstand“ zu benutzen.

„Große Fehleinschätzung der Sicherheitsorgane“

Sein Kollege Viktor Oserow vom Sicherheitsausschuss sprach von einem Anschlag auf das russisch-türkische Verhältnis. Die Drahtzieher wünschten sich offenbar eine Eintrübung der bilateralen Beziehungen.

Der Abgeordnete Franz Klinzewitsch bezeichnete das Attentat als sorgfältig geplante Tat. Es sei unverständlich, warum die türkischen Behörden den Botschafter Karlow nicht besser geschützt hätten. „Das ist eine große Fehleinschätzung der Sicherheitsorgane. Besonders nach den jüngsten Anschlägen hätten sie einen so hohen diplomatischen Gast schützen müssen“, sagte der kremlnahe Abgeordnete.

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