IWF-Vorstand tritt „in Kürze“ zusammen
IWF-Chefin Christine Lagarde hat nach einem Urteil eines Pariser Gerichts in ihrer Zeit als französische Finanzministerin fahrlässig im Amt gehandelt. Der Gerichtshof der Republik sprach die 60-Jährige am Montag schuldig, verhängte aber keine Strafe. Der Vorwurf in dem Prozess lautete, Lagarde habe durch ihr Verhalten eine Veruntreuung öffentlicher Gelder ermöglicht.
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Lagarde selbst hatte beteuert, nach bestem Gewissen gehandelt zu haben. Das Gericht setzte sich mit seinem Urteil über die Staatsanwaltschaft hinweg, die sich gegen eine Verurteilung der Finanzmanagerin ausgesprochen hatte. Lagarde hörte das Urteil nicht; sie war laut ihrem Anwalt Patrick Maisonneuve bereits in Washington.

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Lagardes Anwalt Maisonneuve ist über das Urteil enttäuscht
Der Anwalt hätte lieber einen Freispruch gesehen: „Ich bin ziemlich enttäuscht“, sagte Maisonneuve. Er ließ es offen, ob Lagarde gegen das Urteil Rechtsmittel einlegen wird. „Wir werden die Bedingungen prüfen“, sagte er. Er betonte, dass der Schuldspruch des Sondergerichts keinen Eintrag ins französische Vorstrafenregister nach sich ziehen werde.
„Jüngste Entwicklungen diskutieren“
Die Entscheidung erschüttert Lagardes Glaubwürdigkeit. Laut früheren Angaben aus Kreisen des Internationalen Währungsfonds (IWF) in Washington gibt es keine Vorschrift, nach der Lagarde im Falle eine Verurteilung zwingend ihr Amt aufgeben müsste. Unmittelbar nach dem Urteil verlautete, dass der IWF in Washington sein Führungsgremium zusammenrufen will.
„Es ist zu erwarten, dass der Vorstand in Kürze zusammentritt, um die jüngsten Entwicklungen zu diskutieren“, sagte IWF-Kommunikationschef Gerry Rice in einem Statement. Das Gremium hatte bereits in früheren Sitzungen mehrmals über die Folgen des Gerichtsverfahrens Lagardes in Frankreich diskutiert.
Affäre um Ex-Minister Tapie im Mittelpunkt
Im Mittelpunkt des Prozesses stand die Affäre um den schillernden Ex-Minister und Geschäftsmann Bernard Tapie. Lagarde stimmte 2007 einem Schiedsverfahren zu, um einen langwierigen und höchst komplexen Rechtsstreit mit Tapie beizulegen. Als die Schiedsmänner dem Unternehmer daraufhin eine hohe Summe von mehr als 400 Mio. Euro zusprachen, verzichtete Lagarde auf einen Einspruch. Das Gericht kreidete Lagarde an, diesen Einspruch nicht eingelegt zu haben.
Paris spricht Lagarde Vertrauen aus
Die französische Regierung sprach Lagarde nach dem Urteil ihr Vertrauen aus. Die Entscheidung des Gerichts betreffe Ereignisse, die sich vor der Amtsübernahme Lagardes beim IWF in Washington abgespielt hätten, teilte Wirtschafts- und Finanzminister Michel Sapin im Namen der Regierung mit. „Christine Lagarde führt ihr Mandat beim IWF mit Erfolg, und die Regierung vertraut weiter in ihre Fähigkeit, dort ihre Verantwortlichkeiten wahrzunehmen“, schrieb Sapin.

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Ex-Minister und Geschäftsmann Bernard Tapie
Jahrelang Finanzministerin unter Sarkozy
Lagarde leitet den IWF seit 2011 und gehört damit zum kleinen Zirkel der mächtigsten Frauen der Welt. Sie hatte im Prozess in der vergangenen Woche beteuert, sie sei unschuldig und habe nach bestem Gewissen gehandelt. Sie war von 2007 bis 2011 unter Präsident Nicolas Sarkozy französische Wirtschafts- und Finanzministerin gewesen. In dem Verfahren drohten maximal bis zu ein Jahr Haft und 15.000 Euro Strafe.
Der Gerichtshof der Republik tagt nur sehr selten. Er ist für Vergehen französischer Regierungsmitglieder im Rahmen ihres Amtes zuständig. Das Sondergericht wurde 1993 geschaffen; das Verfahren gegen Lagarde war erst der fünfte Prozess. Auf der Richterbank sitzen neben drei Berufsrichtern zwölf Parlamentarier.
Betrugsermittlungen laufen
Das Schiedsverfahren im Rechtsstreit um Tapie erwies sich letztlich als eine schlechte Lösung. Inzwischen laufen Betrugsermittlungen gegen mehrere Beteiligte, weil es Verbindungen zwischen Tapie und einem der Schiedsleute gegeben haben soll. Der Schiedsspruch wurde deshalb bereits von Gerichten aufgehoben. Der 73-jährige Tapie wurde zudem verurteilt, die Entschädigung von rund 400 Mio. zurückzuzahlen. Die nach ihm benannte Affäre gilt als noch lange nicht beendet.
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