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Mobilisieren gegen den Wahlverdruss

Langes Wählen macht offenbar müde - und das tendenziell politikverdrossen. Gewonnen hat die Präsidentschaftsstichwahl jener Kandidat, der seine Klientel besser mobilisierte. Und das war Alexander Van der Bellen, wie die Wahltagsbefragung der Institute ISA und SORA im Auftrag des ORF zeigt. Deutlicher denn je: der Geschlechterunterschied im Elektorat. Norbert Hofer punktete bei den Männern, Van der Bellen über die Maßen bei den Frauen.

Dieser Artikel ist älter als ein Jahr.

Geschadet hat der lange Wahlkampf beiden Kandidaten. So nannten im Mai noch 67 Prozent der Hofer- und 50 Prozent der Van-der-Bellen-Wähler Sympathie als wichtiges Wahlmotiv. Bei der Wiederholungswahl sanken diese Werte auf 46 Prozent (Hofer) bzw. 37 Prozent (Van der Bellen). Auch bei der Glaubwürdigkeit zeigte sich ein Rückgang von 62 auf 51 Prozent (Hofer) bzw. von 61 auf 50 Prozent (Van der Bellen). Dass Van der Bellen die Stichwahl gewonnen hat, lag der Umfrage zufolge an der besseren Mobilisierung.

Deutlicher Unterschied zwischen den Kandidaten

Die Wahlbeteiligung sei um 1,4 Prozentpunkte gestiegen. Van der Bellen habe mehr Stimmen aus dem Nichtwählerlager geholt, analysiert Politologe Peter Filzmaier.

Deutlicher Frauenüberhang bei Van der Bellen

Wie schon im ersten Wahlgang und der Stichwahl im Mai zeigte sich auch bei der Wiederholungswahl ein starker Gender-Gap: Männer stimmten stärker für Hofer, er erreichte in dieser Gruppe 56 Prozent.

Wahlverhalten nach Geschlecht

Hofer-Wähler

Männer 56 %
Frauen 38 %

Van der Bellen-Wähler

Männer 44 %
Frauen 62 %
  • 0 %
  • 20 %
  • 40 %
  • 60 %
  • 80 %
  • 100 %

Stichprobe = 1.218; max. Schwankungsbreite: ± 3,9 Prozent; Quelle: ORF.at/ISA/SORA

Frauen wählten dagegen öfter Van der Bellen, er erreichte unter ihnen 62 Prozent. Auch bei höher Gebildeten und bei Jugendlichen punktete Van der Bellen stärker. Hofer schaffte mit 58 Prozent sein bestes Ergebnis bei Männern im Alter von 30 bis 59 Jahren.

Wahlverhalten nach Alter

Hofer-Wähler

bis 29 42 %
30-59 49 %
ab 60 45 %

Van der Bellen-Wähler

bis 29 58 %
30-59 51 %
ab 60 55 %
  • 0 %
  • 20 %
  • 40 %
  • 60 %
  • 80 %
  • 100 %

Stichprobe = 1.218; max. Schwankungsbreite: ± 6,4 Prozent; Quelle: ORF.at/ISA/SORA

Entscheidungen standen lange fest

Nahezu alle Befragten gaben an, dass ihre Entscheidung schon seit Längerem feststand - und sie ihre Meinung seit dem Mai nicht geändert hätten. Rund acht von zehn Befragten sagten auch, dass sie den Sieg des jeweiligen Gegenkandidaten akzeptieren würden. Befragt wurden 1.218 Personen per Telefon. Die Ergebnisse sind repräsentativ und weisen eine Schwankungsbreite von 2,8 Prozent auf.

Wahlverhalten nach Erwerb

Hofer-Wähler

Arbeiter 85 %
Angestellte 40 %
Öff. Bedienstete 34 %
Selbstständige 49 %
In Pension 44 %

Van der Bellen-Wähler

Arbeiter 15 %
Angestellte 60 %
Öff. Bedienstete 66 %
Selbstständige 51 %
In Pension 56 %
  • 0 %
  • 20 %
  • 40 %
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  • 80 %
  • 100 %

Stichprobe = 1.218; max. Schwankungsbreite: ± 10,4 Prozent; Quelle: ORF.at/ISA/SORA

Der Ansehensbonus und Van der Bellen

Van der Bellen überzeugte seine Wähler vor allem damit, dass er Österreich im Ausland gut vertreten könne (für 67 Prozent „sehr wichtiges“ Motiv) sowie mit seiner proeuropäischen Haltung (65 Prozent). Amtsverständnis (59 Prozent) und Kompetenz (58 Prozent) waren ebenfalls wichtige Entscheidungsmotive. 42 Prozent der Van-der-Bellen-Wähler erklärten, dass es ihnen eher um die Verhinderung des Gegenkandidaten gegangen sei. 54 Prozent sahen auch eine Richtungsentscheidung für Österreich.

Bedeutung der Wahl
Geht es bei dieser Wahl für Sie in erster Linie um …

um Person des Bundespräsidenten?

Hofer-Wähler 50 %
Van der Bellen-Wähler 44 %
Gesamt 51 %
Wähler 47 %
Männer 50 %
Frauen 52 %

in welche Richtung sich Österreich entwickeln wird?

Hofer-Wähler 45 %
Van der Bellen-Wähler 54 %
Gesamt 45 %
Wähler 50 %
Männer 46 %
Frauen 43 %
  • 0 %
  • 20 %
  • 40 %
  • 60 %
  • 80 %
  • 100 %

Stichprobe = 1.218; max. Schwankungsbreite: ± 4,8 Prozent; Quelle: ORF.at/ISA/SORA

Hofer: Botschaft gegen die Etablierten

Hofer wiederum punktete vor allem mit der Anti-Establishment-Botschaft. Seine Wähler machten ihr Kreuz überwiegend seinetwegen (51 Prozent) und nicht, um den Gegner zu verhindern (24 Prozent). Wichtigste Wahlmotive für Hofer waren, dass er die Sorgen der Menschen verstehe (55 Prozent „sehr wichtiges“ Motiv), kompetent sei (55 Prozent) und gegen das etablierte politische System auftrete (54 Prozent). Für 52 Prozent war ein sehr wichtiges Wahlmotiv, dass Hofer bedeutende Veränderungen im Land anstoßen könne.

Wahlmotive
Treffen folgende Gründe, Hofer/Van der Bellen zu wählen, sehr zu?

beste Vertretung im Ausland

Hofer 36 %
Van der Bellen 67 %

kann überparteilich handeln

Hofer 31 %
Van der Bellen 36 %

versteht Sorgen von Menschen wie mir

Hofer 55 %
Van der Bellen 28 %

hat richtiges Amtsverständnis

Hofer 46 %
Van der Bellen 59 %

ist sympathisch

Hofer 46 %
Van der Bellen 37 %

ist glaubwürdig

Hofer 51 %
Van der Bellen 50 %

ist kompetent

Hofer 55 %
Van der Bellen 58 %
  • 0 %
  • 20 %
  • 40 %
  • 60 %
  • 80 %
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Stichprobe = 1.218; max. Schwankungsbreite: ± 4,8 Prozent; Quelle: ORF.at/ISA/SORA

Klares Vertrauen in ordentliche Wahl

Eine klare Mehrheit von über 90 Prozent der Befragten hatte übrigens Vertrauen, dass die Wahl ordentlich durchgeführt und ausgezählt wird, 66 Prozent stimmten der Aussage sehr, weitere 27 Prozent ziemlich zu. Dieses hohe Vertrauen gelte für alle Bevölkerungsgruppen, auch für Nichtwähler und Hofer-Unterstützer, teilten SORA und das Institut für Strategieanalysen (ISA) mit.

Optimisten am stärksten mobilisiert

Im Wahlverhalten gab es große Unterschiede zwischen Pessimisten und Zukunftsoptimisten. Wobei man natürlich nach eingesessener Meinung fragen könnte, was das sein solle, ein Optimist ein Österreich?

Was erwarten Sie für die kommenden fünf Jahre?
Wird sich Ihre persönliche Lebensqualität eher verbessern, eher verschlechtern, oder wird sie sich nicht verändern?

Hofer-Wähler

verbessern 13 %
verschlechtern 43 %
nicht verändert 41 %
keine Angabe 4 %

Van der Bellen-Wähler

verbessern 29 %
verschlechtern 16 %
nicht verändert 52 %
keine Angabe 3 %
  • 0 %
  • 20 %
  • 40 %
  • 60 %
  • 80 %
  • 100 %

Stichprobe = 1.218; max. Schwankungsbreite: ± 4,8 Prozent; Quelle: ORF.at/ISA/SORA

So erzielte Hofer unter Personen, die die Entwicklung der Lebensqualität in Österreich pessimistisch sehen, mit 70 Prozent einen Vorsprung von 40 Prozentpunkten gegenüber Van der Bellen. Menschen, die keine Veränderung der Lebensqualität erwarten, wählten hingegen überwiegend Van der Bellen. Wie die Wahltagsbefragung auch zeigt, war dabei die Wahlbeteiligung unter Zukunftsoptimisten deutlich höher als unter Pessimisten.

Wahlverhalten nach Parteipräferenz
Im Falle vorgezogener Nationalratswahlen, welcher Partei würden Sie da aktuell Ihre Stimme geben?

Hofer-Wähler

SPÖ 10 %
ÖVP 45 %
FPÖ 99 %
Grüne 0 %

Van der Bellen-Wähler

SPÖ 90 %
ÖVP 55 %
FPÖ 1 %
Grüne 100 %
  • 0 %
  • 20 %
  • 40 %
  • 60 %
  • 80 %
  • 100 %

Stichprobe = 1.218; max. Schwankungsbreite: max. ± 6,8 Prozent; Quelle: ORF.at/ISA/SORA

Was wählten die Anhänger von SPÖ und ÖVP?

Wähler, die sonst für die SPÖ stimmen, wählten zu 90 Prozent Van der Bellen. ÖVP-Sympathisanten stimmten zu 55 Prozent für den Ex-Grünen-Chef, zu 45 Prozent für den FPÖ-Kandidaten. Grün- und Blau-Wähler entschieden sich entsprechend der Parteifarbe. Das Wahlverhalten von Anhängern von NEOS und des Teams Stronach wurde aufgrund zu kleiner Fallzahlen nicht ausgewiesen.

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