Zeichen stehen auf knappes Rennen
Ob als „Verfassungsreform Renzi-Boschi“ oder einfach als „Boschi-Gesetz“ bezeichnet - der von Italiens Premier Matteo Renzi geplante Umbau der politischen Institutionen trägt den Namen einer seiner engsten Vertrauten. Reformministerin Maria Elena Boschi ist aber weit mehr als nur Namensgeberin, vielmehr stellte die erst 35-Jährige bereits vor ihrem Amtsantritt einen tiefgehenden Umbau Italiens in den Mittelpunkt ihrer Karriere.
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So war Boschi auch unter dem von Renzi gestürzten Premier Enrico Letta bei der Demokratischen Partei (Partito Democratico, PD) bereits für die Reformagenden zuständig. Wie das Wochenmagazin „L’Espresso“ in diesem Zusammenhang nun erinnert, forderte Boschi in dieser Funktion im Jänner 2014 - und damit unmittelbar bevor Renzi zum neuen PD-Premier wurde - unter anderem die nun zur Abstimmung stehende weitgehende Entmachtung des Senats und eine umfangreiche Reform der Verfassung.

Reuters/Remo Casilli
Boschi bei einer Kundgebung von Reformbefürwortern in Rom
Eine Umsetzung dieser Forderung käme der größten institutionellen Reform Italiens seit Jahrzehnten gleich, und genau diese schrieb sich dann die im Februar 2014 angelobte Renzi-Regierung als eines ihrer größten Vorhaben auf die Fahnen. Als für Verfassungsreformen und Beziehungen zum Parlament zuständige Ministerin versucht Boschi seitdem neben Renzi an vorderster Front die Bedenken der Reformkritiker zu entkräften. Diese fürchten nicht zuletzt eine Zentralisierung und ein zunehmend autoritär regiertes Italien.
Umfragen sehen Nein-Lager in Führung
Ob das am 13. Oktober vom Senat und damit der zweiten Parlamentskammer beschlossene Gesetzesvorhaben auch umgesetzt wird, hängt nun vom Ausgang des am 4. Dezember anstehenden Referendums ab. Eine Zustimmung gilt derzeit als alles andere als sicher. Medienberichten zufolge sehen Umfragen derzeit das Nein-Lager in Führung - verwiesen wird gleichzeitig aber auf die noch große Zahl an Unentschlossenen.
Wohl in Erwartung eines engen Rennens reiste Boschi im Vorfeld der Abstimmung unter anderem nach Zürich und London und machte dort unter den möglicherweise entscheidenden Auslandswählern, die per Briefwahl ihre Stimme bis 1. Dezember abgeben konnten, Stimmung für ein Ja. So wie ein von Renzi an die Auslandsitaliener geschicktes Schreiben wurde Boschis Auslandstour ebenfalls von Reformkritikern ausgeschlachtet und etwa der Schweizer Auftritt von dem zum Berlusconi-Konzern Mondadori zählenden Wochenmagazin „Panorama“ angesichts einer offenbar aufgeheizten Stimmung zum „Debakel“ erklärt.
Neben dem Abstimmungsdatum sorgen indes vom Nein-Lager geortete Ungereimtheiten bei der Briefwahl für einen weiteren gemeinsamen Nenner zur Hofburg-Wahl. Zumindest für den Fall, dass tatsächlich ein Ja der Auslandsitaliener zugunsten der Renzi-Boschi-Reform entscheidet, steht nun auch in Italien eine Anfechtung im Raum.
„Trete so wie Renzi zurück“
Dass die angepeilten Reformen „keine Kleinigkeit“ seien, dessen ist sich indes Boschi, etwa im Interview mit der deutschen „Zeit“, mehr als bewusst. Erklärtes Ziel sei es aber, das nachzuholen, „was in 20 Jahren versäumt wurde“, und deswegen drücke man nun eben „auf das Gaspedal“.

Reuters/Max Rossi
So wie Renzi erklärte auch Boschi das Referendum zur Schicksalswahl
Natürlich steht dabei nun auch Boschis bisher steile Politkarriere auf dem Spiel. Gewinnt das Nein-Lager, werde sie wie Renzi zurücktreten, wie sie etwa im Mai gegenüber dem Nachrichtenportal TGcom24 gleich selber sagte. Renzi hat einen möglichen Rücktritt seitdem zwar immer wieder relativiert, schließlich gehe es um die Sache und nicht um seine Person. Er könne aber nicht „im Sumpf stecken bleiben“, sagte er zuletzt und erklärte damit das Referendum wohl erneut auch zu seiner Schicksalswahl.
Peter Prantner, ORF.at
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