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„Nichtabsprache“ des ÖVP-Chefs kritisiert

Aus der niederösterreichischen ÖVP kommt Unterstützung für die Vorgangsweise von Klubchef Reinhold Lopatka in Sachen Präferenzen für den künftigen Bundespräsidenten und geharnischte Kritik an ÖVP-Chef Vizekanzler Reinhold Mitterlehner.

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Mitterlehner habe sich diesbezüglich ebenfalls nicht mit der Partei abgesprochen, kritisierte Johann Rädler, Sprecher der niederösterreichischen ÖVP-Nationalratsabgeordneten, und hatte den ÖVP-Klubchef im niederösterreichischen Landtag, Klaus Schneeberger, auf seiner Seite. Niederösterreichs Landeshauptmann Erwin Pröll (ÖVP) äußerte sich bis jetzt nicht zu der parteiinternen Debatte.

Mitterlehner präferiert Van der Bellen

Trotz einer Aussprache zwischen Mitterlehner und Lopatka am Montag, nach der es hieß, die „Irritationen“ seien ausgeräumt, und der Streit für beendet erklärt wurde, bekam die Auseinandersetzung durch die Wortmeldungen aus Niederösterreich neue Nahrung. Mitterlehner hatte sich am Wochenende verärgert über die nicht mit ihm abgesprochene Vorgangsweise seines Klubchefs Lopatka, der seine Präferenz für den FPÖ-Kandidaten Norbert Hofer ausgesprochen hatte, gezeigt.

Der ÖVP-Chef hatte indes selbst unlängst gesagt, er werde am 4. Dezember für den von den Grünen unterstützten Alexander Van der Bellen stimmen. Das sei allerdings keine Wahlempfehlung, so Mitterlehner. Er hatte Lopatkas mangelnde Absprache bei dem Vorgehen kritisiert. Dem „Kurier“ sagte Rädler nun: „Mitterlehner selbst hat die Debatte befeuert. Das, was er Lopatka vorgehalten hat, nämlich sich nicht abgesprochen zu haben, hat er selbst mit der Partei ja auch nicht gemacht.“

Keine Wahlempfehlung der ÖVP

Grundsätzlich verständigte sich die Partei darauf, keine Empfehlung für die Stichwahl zu geben, nachdem der Kandidat der ÖVP, Andreas Khol, nach der ersten Runde ausgeschieden war. Laut dem Landesgeschäftsführer der ÖVP Niederösterreich, Bernhard Ebner, bleibt auch die Landespartei bei ihrer bisherigen Stellung. „Es gibt keine Wahlempfehlung der ÖVP Niederösterreich“, so Ebner gegenüber dem ORF Niederösterreich. Die aktuellen Äußerungen ordnet man als persönliche Meinungen ein.

Rädler: Zum Fremdschämen

Rädler missfiel im „Kurier“ aber auch, dass ehemalige ÖVP-Granden für Van der Bellen werben. „Eine Gruppe aus Altfunktionären und einem abgewählten Landeshauptmann (Franz Schausberger, Anm.) vereinnahmt hier die Volkspartei. Es ist zum Fremdschämen.“ Rädler sagte weiters, dass die niederösterreichischen Abgeordneten „geschlossen“ hinter Lopatka stünden.

Neben Schausberger hatten sich bereits unter anderen Ex-EU-Agrarkommissar Franz Fischler und der frühere ÖVP-Chef Josef Pröll für Van der Bellen engagiert. Vor der ersten Stichwahl unterzeichneten zudem u. a. die Ex-Parteichefs Erhard Busek, Wilhelm Molterer und Josef Riegler, OeNB-Präsident Claus Raidl und Ex-ÖVP-Ministerin Maria Rauch-Kallat einen bürgerlichen Aufruf zur Unterstützung des ehemaligen grünen Bundessprechers.

Schneeberger: Kritik nicht nachvollziehbar

Der niederösterreichische Landtagsklubchef und Bürgermeister von Wiener Neustadt, Schneeberger, hält indes wie Lopatka Hofer für wählbar. Der Gratistageszeitung „Heute“ sagte Schneeberger: „Ich arbeite seit über eineinhalb Jahren in der Stadt mit dem FPÖ-Team Schnedlitz/Landbauer zusammen. Was für diese Personen gilt, gilt auch für Hofer. Da halte ich es wie Lopatka: Warum soll die Person Hofer nicht wählbar sein?“ Die Kritik des Parteiobmanns am Klubchef kann Schneeberger ebenfalls „nicht nachvollziehen“.

Khol sieht tiefere Gründe in Richtungsstreit

In der Debatte meldete sich auch ÖVP-Doyen Khol zu Wort. Der Richtungsstreit in der ÖVP sei „sicherlich nicht“ beendet, so der langjährige ÖVP-Politiker und im ersten Wahlgang gescheiterte Präsidentschaftskandidat in einem Gastkommentar für die „Oberösterreichischen Nachrichten“ (Mittwoch-Ausgabe).

Laut Khol geht es beim jüngsten Machtkampf zwischen Mitterlehner und Lopatka nur vordergründig um unterschiedliche Einschätzungen der Kandidaten der Bundespräsidentenwahl. „Wie so oft gibt es ein Ringen innerhalb der Partei um den Weg aus der derzeitigen unbefriedigenden Lage. Wohin geht die Volkspartei nach den nächsten Nationalratswahlen, wann immer sie sein werden? Diese Frage stellt sich immer dringender seit dem 1. Wahlgang zur Präsidentenwahl“, so Khol in den „OÖN“.

„Legitim und unvermeidbar“

Um dieselbe Frage würden derzeit auch „zwei Lager in der SPÖ“ ringen. „Auch in der SPÖ weiß man, dass nach den nächsten Wahlen vieles anders sein wird - und man sucht daher verzweifelt einen Weg zur FPÖ, den Hans Niessl im Burgenland und Sepp Pühringer in Oberösterreich gefunden haben“, so der frühere Nationalratspräsident, einer der Baumeister von Wolfgang Schüssels schwarz-blauer Regierung Anfang der 2000er Jahre.

In der ÖVP versuche „die Gruppe um Mitterlehner nun mit Christian Kern doch noch Reformen durchzubringen und damit das Vertrauen der Bevölkerung nach dem streiterfüllten Stillstand der letzten Jahre zurückzugewinnen. Die andere Gruppe, Reinhold Lopatka ist nur der sichtbar gemachte Wortführer, hat diese Hoffnung aufgegeben und sucht neue Koalitionen, wohl auch mit der FPÖ.“ Diese Auseinandersetzungen in beiden Parteien sind laut Khol „legitim und unvermeidbar“.

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