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Vom Satansreporter zum Sklavenkönig

Drei Generationen von Kinogängern kennen den Mann mit dem Grübchen: Am Freitag feiert Kirk Douglas, einer der letzten großen Stars des klassischen Hollywood-Kinos, seinen 100. Geburtstag. Das Wiener Gartenbaukino ehrt den bis heute hellwachen Star mit einem Tribute.

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Zum 100. Geburtstag wünsche er sich nur, dass er die Kerzen ausblasen und „Happy Days Are Here Again“ pfeifen dürfe, schrieb Douglas im September in der Huffington Post. Ein harmloser Wunsch, wie es scheint. Doch wer den ganzen Text liest, weiß, es geht um mehr: Der damals 99-Jährige appellierte unverhohlen an seine Leser, Hillary Clinton zu wählen, nicht den „Angsttreiber“ Donald Trump. Trumps Rhetorik erinnere an die des jungen Adolf Hitler. Auch den hätten anfangs alle für einen Clown gehalten – mit fatalen Folgen.

Lieblingsrolle: Underdog

Auch wenn sich der Geburtstagswunsch des politisch hellwachen Schauspielers nicht erfüllt hat, ist das ein Grund zu feiern. Der Mann mit dem Kinngrübchen ist eine Legende, einer der letzten großen Stars aus der goldenen Ära Hollywoods.

Kirk Douglas in "Spartacus"

picturedesk.com/Mary Evans/Ronald Grant Archive

„Spartacus“ erhielt vier Oscars - Douglas erhielt erst 1996 den Ehrenoscar für sein Lebenswerk

Seit den späten 40er Jahren trat Douglas in über 90 Filmen auf, in klassischen Films Noirs wie Jacques Tourneurs „Out of the Past“ (1947) ebenso wie in frühen Farbproduktionen: In Vincente Minellis Van-Gogh-Biopic „Lust for Life“ gab er 1956 mit rotgefärbten Haaren das exaltierte Malergenie, für eine weitere Zusammenarbeit mit Minelli in „The Bad and the Beautiful“ wurde er 1952 für einen Oscar nominiert. Mit Vorliebe wählte der Mann mit den stechenden Augen die Rolle des Underdogs, des resoluten Kämpfers gegen den Mainstream.

Jubiläumstribute im Gartenbaukino

Das Wiener Gartenbaukino zeigt zum 100. Geburtstag eine Auswahl seiner Filme, darunter Billy Wilders Drama „Ace in the Hole“ (1951), in dem Douglas einmal mehr den Underdog gibt, keinen Sympathieträger allerdings, sondern einen Sensationsreporter, der für die große Story über Leichen geht. Als ein Schatzsucher in einem Schacht verschüttet wird, sorgt der Reporter dafür, dass die Rettung möglichst zeitraubend und spektakulär in Szene gesetzt wird.

Kirk Douglas in "Ace in the Hole"

picturedesk.com/Everett Collection

Douglas als skrupelloser Reporter in „Ace in the Hole“

Während der Eingeschlossene im Berg qualvoll erstickt, inszeniert der Reporter an der Oberfläche vor Hunderten Schaulustigen den großen Rettungszirkus. Er kassiert Eintritt und verkauft die Story um gutes Geld. Selten durfte der Kapitalismus in Hollywood ein derart böses Gesicht zeigen. Ein großer Kassenerfolg wurde „Ace in the Hole“ zwar nicht, aber der Film begründete die Freundschaft zwischen Douglas und dem aus Wien in die USA emigrierten Regisseur Wilder.

Im Kino wie im Leben: Kämpfer für die Entrechteten

Als in den 50er Jahren in Hollywood die große Kommunistenhatz begann, stellte sich Douglas hinter die, deren Namen auf der schwarzen Liste standen. Er war es, der durchsetzte, dass der vom Komitee für unamerikanische Umtriebe verurteilte Drehbuchautor Dalton Trumbo statt unter einem Pseudonym unter seinem richtigen Namen im Vorspann des Historien-Epos „Spartacus“ (Stanley Kubrick, 1960) aufschien. Auch dieser Film ist unschwer als politische Parabel zu erkennen, in der es um die Solidarität unter Entrechteten geht.

Veranstaltungshinweis

A Tribute to Kirk Douglas, Gartenbaukino, 9. bis 11. Dezember. Mit Vorträgen von Michael Omasta, Brigitte Mayr, Drehli Robnik und Claudia Siefen.

Unvergessen ist die Szene, in der ein römischer Feldherr den aufständischen Sklaven verspricht, er würde sie mit dem Leben davonkommen lassen, wenn sie nur ihren Anführer verrieten. „Ich bin Spartacus“, hallt es aus hundert Kehlen. Gut möglich, dass sich die heute geläufige „Je suis ... Charlie Hebdo“-Solidaritätsformel aus diesem Urmoment des Kinos herleitet.

„Spartacus“-Premiere in Wien

„Spartacus“ war übrigens auch der Film, mit dem im Dezember 1960 das damals technisch topmoderne Wiener Gartenbaukino eröffnet wurde. Zur Eröffnung reiste Hauptdarsteller Douglas persönlich an und lächelte mit Ehefrau Anne in die Kameras des ORF. Bis heute erinnert sich der Schauspieler gern an diese Reise, das Kino, das damals als eines der ersten mit einem 70-mm-Projektor ausgerüstet war, und an die „gastfreundlichen Wiener“.

In seinem Geburtstagstribute zeigt das Gartenbaukino aber nicht nur prominente Klassiker, sondern auch Schätze wie „The Fury“ („Teufelskreis Alpha“). In diesem übersinnlichen Thriller von Brian de Palma spielt Douglas Peter Sandza, einen Agenten der US-Regierung, der von seinem Partner Ben Childress (John Cassavetes) übers Ohr gehauen wird. Childress verübt einen Mordanschlag auf Sandza und entführt anschließend dessen übersinnlich begabten Sohn, um ihn als Geheimwaffe gegen die Russen einzusetzen.

Doch Sandza senior überlebt und kämpft um sein Kind – dessen Kräfte im geheimen Trainingslager der Regierung ins Unermessliche wachsen. Im tragischen Finale steht der liebende Vater dem Monster gegenüber, das einmal sein Sohn war: ein großartig inszenierter, eiskalter Kinomoment, den man nicht mehr vergisst.

Kraftpaket wird 100

Nach außen in mehr als 80 Filmen meist ein energetisch aufgeladenes Kraftpaket mit Charme, nutzte der Schauspieler und Produzent klug seinen Einfluss, um mehr Menschlichkeit in die Traumfabrik zu bringen.

Ein Hundertjähriger als politischer Kommentator

Merkwürdig modern wirkt der 1978 gedrehte „The Fury“ bis heute: Wer in den letzten Monaten die ebenfalls extrem spannende Netflix-Mystery-Serie „Stranger Things“ gesehen hat, wird „The Fury“ schnell als eines der Vorbilder erkennen. Ganze Szenen wurden von den „Stranger Things“-Regisseuren, den Brüdern Matt und Ross Duffer, aus diesem Horrorfilm übernommen. Der Film ist ein Evergreen, wie sein Hauptdarsteller, der mit 100 Jahren politische Zeitungskolumnen schreibt – und immer ein feines Rollengespür besaß. Die meisten Filme mit Kirk Douglas kann man nämlich bis heute mit Freude sehen.

Maya McKechneay, für ORF.at

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