Invasion der Zaubertiere
Im „Harry Potter“-Spin-off „Phantastische Tierwesen und wo sie zu finden sind“ kommt Zauberer Newt Scamander (Eddie Redmayne) ein Koffer voller magischer Kreaturen im New York der 1920er Jahre abhanden. Beim Versuch, die ausgebüxten Fantasiewesen wieder einzufangen, erhält der tierliebe Magier Hilfe von magischen Schwestern und einem Fabrikarbeiter mit großen Plänen. Und ganz nebenbei muss sich Scamander dem Bösen stellen, das als dunkle Wolke durch die Straßen wirbelt.
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Vor fünf Jahren ging die „Harry Potter“-Kinoreihe mit einem düsteren Finale zu Ende. Der Hype um den Zauberer ist geblieben. Im Sommer brachte Potter-Schöpferin J. K. Rowling das zweiteilige Theaterstück „Harry Potter and the Cursed Child“ auf die Bühne, ein Nachfolgewerk zu ihrer populären Buchserie. Das Skript zum Theaterstück erschien wenig später ebenfalls in Buchform. Nun aber kommt das lange erwartete Spin-off zur „Harry Potter“-Serie in die Kinos - und Zuseher wie Kritiker fragen sich gleichermaßen: Wie magisch ist der neue Potter?
Magischer Trubel im Big Apple
Der Film basiert auf einer fiktionalen Lernunterlage. „Phantastische Tierwesen und wo sie zu finden sind“ ist ein Buch, aus dem Harry Potter in der Magierschule Hogwarts lernt. Geschrieben wurde es vom „Magiezoologen“ Newt Scamander, einem liebenswerten, leicht verschrobenen Zauberer mit gebrochenem Herzen. Scamander hat es sich zum Ziel gesetzt, die magischen Kreaturen zu studieren und der Magierwelt den Schrecken vor ihnen zu nehmen.
Der Film beginnt 1926 - 70 Jahre bevor Potter das Buch erstmals in die Hand bekommt - mit der Ankunft Scamanders in New York. Der Zauberer reist mit vermeintlich leichtem Gepäck. Sein kleiner brauner Lederkoffer hat freilich mehr als einen doppelten Boden - er beherbergt einen Streichelzoo voll mit fantastischen Wesen.
Wildtierhaltung verboten
Den Kreaturen wohnt ein gewisser Freiheitsdrang inne. Die ersten Ausbruchsversuche kann Scamander noch verhindern. Als er allerdings im Gedränge der Steen National Bank den Koffer verwechselt, gelingt einigen der Zoobewohner die Flucht, und die teilweise gar nicht so kleinen Kreaturen sorgen für gehörig Chaos im Big Apple.

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Gleich ist es passiert: Scamander vor der Steen National Bank - hier noch mit dem richtigen Koffer
Das Missgeschick bringt Scamander auch mit dem Gesetz in Konflikt. In New York ist die Haltung fantastischer Kreaturen nämlich verboten. Penibel wacht der MACUSA, der Magische Kongress der Vereinigten Staaten von Amerika, darüber, dass die Menschen nicht in Berührung mit der magischen Welt kommen. Die Normalsterblichen oder „No-Maj“ - wie die Muggel in den USA genannt werden - sollen keinen Anlass bekommen, Krieg gegen ihre Zeitgenossen mit den magischen Fähigkeiten zu führen.
Und so wird Scamander zunächst einmal von MACUSA-Mitarbeiterin Porpentina „Tina“ Goldstein (Katherine Waterston) verhaftet. Die Agentin und ihre bezaubernde Schwester Queenie (Alison Sudol), die Gedanken lesen kann, lassen sich schließlich und endlich vom tierlieben, gutmütigen Magier überzeugen und gehen gemeinsam mit ihm auf Großwildjagd in New York. Mit dabei ist auch Jacob (Dan Fogler), ein Fabrikarbeiter, der sich als Bäcker selbstständig machen möchte und aus Versehen an Scamanders Koffer gelangt.
Zerstörte Häuser, tote Menschen
Den MACUSA beschäftigen aber noch ganz andere Probleme als die Invasion der Zaubertiere. Seit geraumer Zeit schwebt das Böse durch New York. Mal kommt es unsichtbar wie der Wind, mal als schwarze Wolke. Es reißt Straßen auf, bringt Häuser zum Einsturz - und es tötet Menschen. Percival Graves (gespielt von Colin Farrell), der zwielichtige Leiter der MACUSA-Abteilung für magische Strafverfolgung, soll die Fälle untersuchen.

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Zwielichtig: Colin Farrell als Percival Graves
Außerdem soll Graves ermitteln, ob sie mit einer Serie von Angriffen des bösen Magiers Gellert Grindelwald in Europa zusammenhängen. Im „Harry Potter“-Universum war Grindelwald bis zum Auftauchen von Lord Voldemort der böseste aller dunklen Zauberer.
Diebische Schnabeltiere und leuchtende Rhinos
Mit „Phantastische Tierwesen und wo sie zu finden sind“ gibt Potter-Schöpferin Rowling ihr Debüt als Drehbuchautorin. Gemeinsam mit Regisseur David Yates und Cutter Mark Day - beide waren schon bei den letzten vier „Harry Potter“-Filmen mit an Bord - hat sie eine Welt erschaffen, die zum Staunen bringt.
Wer eine Antwort auf die eingangs gestellte Frage sucht, wie magisch der Film nun ist, der findet sie in Scamanders Streichelzoo: Diebische Schnabeltiere stibitzen Juwelen, liebestolle Rhinozeros-artige Wesen mit leuchtenden Hörnern machen die Parks unsicher, gefiederte Schlangen füllen ganze Räume, ehe sie auf die Größe eines Regenwurms schrumpfen.
Das Böse mit bekanntem Gesicht
Trotz der visuellen Effekte wirkt der Film nie überladen, die Rollen sind von Oscar-Preisträger Redmayne abwärts optimal besetzt. Die zunächst losen Handlungsstränge werden am Ende zusammengeführt. Ihr Ende erreicht haben sie noch lange nicht: In zwei Jahren soll die Fortsetzung der „Phantastischen Tierwesen“ in die Kinos kommen, insgesamt soll die Serie fünf Kinofilme umfassen. Und so zeigt der wahre Bösewicht sein aus Hollywood bekanntes Gesicht erst ganz am Ende. Auch die Hintergründe für Scamanders gebrochenes Herz bleiben vorerst im Dunkeln.
Trotz des Erfolges der „Harry Potter“-Kinoserie scheint die Angst vor kommerziellem Misserfolg bei Rowling, ihrem Team und dem Filmstudio Warner Bros. groß zu sein. 150 Millionen Dollar (circa 140 Mio. Euro) soll die weltweite Kampagne zur Vermarktung des Films gekostet haben, berichtete die „New York Times“. Die Angst ist unbegründet - „Phantastische Wesen und wo sie zu finden sind“ ist ein sehenswerter Film, der der Qualität der Potter-Werke um nichts nachsteht.
Philip Pfleger, ORF.at
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