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Zentrumsnähe auch mit niedrigem Gehalt

Für Mietwohnungen in Gründerzeitvierteln soll weiter kein Lagezuschlag möglich sein. Der Verfassungsgerichtshof (VfGH) beurteilte das gesetzliche Verbot solcher Zuschläge als nicht verfassungswidrig, weil es im öffentlichen Interesse liege. Der VfGH wies damit die von mehreren Vermietern eingebrachten Anträge auf Aufhebung von Bestimmungen des Richtwertgesetzes und des Mietrechtsgesetzes ab.

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Das grundsätzliche Verbot von Lagezuschlägen in Gründerzeitvierteln (Paragraf 2 Absatz 3 Richtwertgesetz) „dient nämlich dem sozialpolitischen Ziel, Wohnen in zentrumsnaher städtischer Lage zu Preisen zu ermöglichen, die es auch Personen mit mittlerem oder niedrigem Einkommen erlauben, ihren Wohnbedarf in dieser Lage angemessen zu decken“, begründete der VfGH sein Urteil am Mittwoch in einer Aussendung.

Die Vereinbarung eines Lagezuschlages sei jedoch zulässig, wenn ein ursprüngliches Gründerzeitviertel durch bauliche Veränderungen zum Zeitpunkt des Abschlusses des Mietvertrages nicht mehr als Gründerzeitviertel anzusehen sei.

Hauptsächlich Wien von Richtwerten betroffen

Das Richtwertgesetz regelt und deckelt Mieten im Altbausegment. Je nach Ausstattung der Wohnung und einer Reihe anderer Kriterien wird der vorgegebene Richtwert um Zu- oder Abschläge erhöht oder verringert. Vermieter kritisieren regelmäßig, dass der Richtwert zu niedrig angesetzt ist. Etwa zwei Drittel der Haushalte, die der Regelung unterliegen, befinden sich in Wien. Der Richtwert liegt in der Stadt aktuell bei 5,39 Euro pro Quadratmeter - niedriger ist er lediglich im Burgenland.

Ja zu geringerer Miete bei Befristung

Der VfGH bestätigte auch den gesetzlich festgelegten pauschalen Abschlag für befristete Mietverträge als verfassungskonform. Nach dem Mietrechtsgesetz (Paragraf 16 Absatz 7) vermindert sich der höchstzulässige Hauptmietzins im Fall eines befristeten Mietvertrages unabhängig von der Dauer der Befristung um 25 Prozent.

Das Höchstgericht sieht in dieser Regelung „einen Ausgleich zwischen dem Interesse des Vermieters an der Verfügbarkeit der Wohnung und dem Interesse des Mieters an einem gesicherten Bestandrecht, mit dem der Gesetzgeber seinen rechtspolitischen Gestaltungsspielraum nicht überschritten hat“.

AK begrüßt Entscheidungen

Die Arbeiterkammer (AK) begrüßte am Mittwoch den VfGH-Spruch. Das Gericht habe eine „Torpedierung des Mietrechts“ durch Vermieter verhindert. „Immerhin sind zwei von drei neuen Mietverträgen im privaten Altbau befristet“, sagte AK-Präsident Rudolf Kaske. „Aber viele Vermieter ziehen den gesetzlichen Abschlag von 25 Prozent für befristete Wohnungen einfach nicht ab. Das geht so nicht! Denn befristete Wohnungen bedeuten für die Mieterinnen und Mieter Unsicherheit und Kosten, etwa für Übersiedlungen.“ Kaske forderte dringend ein „einfaches, einheitliches Mietrecht mit gesetzlichen Obergrenzen“.

Erfreut zeigte sich auch der Wiener Wohnbaustadtrat Michael Ludwig (SPÖ). Er sieht in den Entscheidungen eine „enorme Tragweite für die zukünftige Wohnversorgung der Wiener Bevölkerung“. Wäre den Begehren der Antragsteller entsprochen worden, hätte das zu dramatischen Entwicklungen der Mietpreise in Wien führen können, so Ludwig in einer Aussendung.

Für Immobilienwirtschaft verpasste Chance

„Nicht glücklich“ mit dem VfGH-Spruch ist der Österreichische Verband der Immobilienwirtschaft (ÖVI). Der VfGH habe die Gelegenheit nicht genutzt, „das verkrustete System des österreichischen Mietrechts zumindest in Teilbereichen endlich aufzubrechen“. Die Ungleichheiten im Wohnrecht würden durch diese Entscheidung einzementiert und versteinert.

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