„Physisch stark und emotional sensibel“
Jack Londons aufregendste Geschichte war sein eigenes Leben. Auf der Suche nach immer neuen Abenteuern zog der US-Schriftsteller in den kanadischen Goldrausch, besegelte den Südpazifik und die Beringsee und reiste, indem er sich an Güterzuge klammerte, quer durch die USA. Das Erlebte schrieb er rastlos auf, mehr als 50 Bücher und 200 Kurzgeschichten entstanden.
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Werke wie „Ruf der Wildnis“, „Wolfsblut“ und „Der Seewolf“ wurden zu immer wieder verfilmten Bestsellern. Das verdiente Geld gab London schnell wieder für neue Abenteuer aus. „Die Funktion des Menschen ist zu leben, nicht einfach zu existieren.“ Aber das rasante Leben des Autors dauerte nur kurz.
„Er war ein Kämpfer“
Schon mit 40 Jahren starb er - am 22. November ist das genau 100 Jahre her. Die Todesursache ist bis heute nicht eindeutig geklärt. Die meisten Experten vermuten, dass das Trinken von extrem viel Alkohol seine Organe geschädigt habe. Dazu kamen möglicherweise andere gesundheitliche Probleme und Depressionen.

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Eine der letzten Aufnahmen von Jack London wenige Tage vor seinem Tod 1916
„Er war ein Kämpfer“, sagte der London-Forscher und Kurator eines Museums für den Schriftsteller im US-Bundesstaat Louisiana, Earle Labour, dem Radiosender NPR. „Er war ein großartiger Wettkämpfer. Er wollte alles gewinnen, was er gemacht hat. Er war auch ein Genie. Er hatte unglaublichen Charme oder Charisma. Jeder sprach darüber. Aber auch wenn er physisch stark war, war er emotional sensibel. Über den Tod eines Lieblingstieres oder eine tragische Geschichte in einem Roman konnte er weinen.“
Sozialist, Seefahrer und Goldsucher
Geboren wurde London am 12. Jänner 1876 in San Francisco, wo er in unsteten Verhältnissen aufwuchs. Als Kind las er viel, arbeitete lange Tage in einer Fabrik, kaufte sich schon als Teenager ein Boot und ging auf erste kleinere Abenteuerreisen. Die Familie zog oft um und landete schließlich in Oakland. London begann zu schreiben und gewann den Preis einer Lokalzeitung. Aber es hielt ihn nicht in der San Francisco Bay, sein „Blut war zu heiß“, wie er später in einem Interview sagte.
London besegelte die Beringsee und reiste per Zug Richtung Niagarafälle. Dort wurde er wegen seines Vagabundierens festgenommen und verbrachte einen Monat im Gefängnis, wo er „Undruckbares und fast nicht Denkbares“ erlebte, wie er später traumatisiert erzählte. Das Erlebnis machte ihn zum Sozialisten und lebenslangen Kämpfer für Arbeiterrechte.
London zog in den kanadischen Goldrausch, überstand eisige Kälte und Skorbut. Zurück kehrte er zwar nur mit einer winzigen Menge Gold, aber mit einer riesigen Menge Geschichten, die er zu seinem ersten großen Bestseller verarbeitete: „Der Ruf der Wildnis“ verkaufte sich auf Anhieb mehr als eine Million Mal und machte London zum Star. Er schrieb rastlos weiter, oft 1.000 Wörter am Tag, die er nur selten noch einmal überarbeitete. „Er traf viele Menschen verschiedenster Ethnien und konnte sich in sie hineinversetzen“, sagt die Literaturwissenschaftlerin Jeanne Reesman.
Ein Bestseller nach dem anderen
London zog weiter durch die Welt und veröffentlichte Bestseller auf Bestseller - unter anderem „Der Seewolf“, „Wolfsblut“ und „Lockruf des Goldes“. „Er war ein Träumer und Visionär“, sagt Museumskurator Labour. „Und seine Träume und Visionen sind fast immer seinem Budget davongelaufen. Aber er wollte das Beste von allem - die beste Scheune, das beste Haus, das beste Boot. Wahrscheinlich wollte er das aufholen, was er als Kind nicht hatte.“
Nach einer ersten Ehe mit einer Jugendliebe, aus der zwei Töchter stammten, heiratete London die Pianistin Charmian Kittredge. Das Paar lebte auf einer Farm in Kalifornien, wo beide auch begraben sind. Heute kann das Anwesen besichtigt werden.
Für viele ein Vorbild
Für Schriftsteller wie George Orwell und Jack Kerouac war London Vorbild, und unzählige Menschen auf der ganzen Welt lieben seine Abenteuergeschichten bis heute, ein Jahrhundert nach seinem Tod. „Ein Grund dafür ist, dass er so klar geschrieben hat“, sagt Labour. „Jeder mit einer Grundschulausbildung kann verstehen, was er sagt.“
Christina Horsten, dpa
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