Vergleich macht stutzig
Im Falle des verhafteten und in Italien angeklagten ostafrikanischen Schlepperkönigs Medhanie Yehdego Mered nähren neue Fotos, die der britische „Guardian“ veröffentlicht hat, die bereits seit seiner Verhaftung im Sommer grassierende Verwechslungsthese. Die nun veröffentlichten Fotos zeigen Mered bei einer Familienhochzeit und ähneln kaum bis gar nicht dem Mann, der nun in Italien vor Gericht steht, wie der „Guardian“ schreibt.
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Bei dem Inhaftierten könnte es sich um Medhanie Tesfamariam Berhe handeln, so die Theorie. Ein Mann aus Eritrea war im Juni vom Sudan mit Hilfe des britischen Außenministeriums nach Italien ausgeliefert worden. Die Familie des Ausgelieferten hatte immer von einer Verwechslung der Identität gesprochen und gesagt, es handle sich um den 29-jährigen Berhe.

Screenshot/theguardian.com
Die Fotos sollen den Schlepper bei der Familienhochzeit zeigen
Laut „Guardian“ hatten auch einige der Opfer des Schleppers ausgesagt, dass der Mann nicht derselbe sei, der sie nach Europa gebracht habe. Eines der vom „Guardian“ befragten Opfer wollte anonym bleiben. Es fürchte, dass Mered noch immer im Sudan tätig ist und sich an seiner Familie rächen könnte, wie die Zeitung schreibt.
„Guardian“ sieht deutliche Unterschiede
Insgesamt sind laut dem „Guardian“ neun neue Fotos von einer Familienhochzeit 2015 aufgetaucht, die die Zweifel an der zugeschriebenen Identität des Inhaftierten weiter erschüttern. Mehred ist dabei tanzend und posierend zusehen. Einmal hält er den Hochzeitsschleier, auf einem anderen Bild wird er von einer Frau, der „Guardian“ schreibt, von seiner Schwester, mit dem Löffel gefüttert.

APA/AFP/Polizia di Stato
Der Verhaftete im Sommer bei seiner Ankunft in Italien
Der Mann auf den Fotos sieht laut „Guardian“ deutlich anders als der Mann aus, der in Italien vor Gericht steht. Allerdings sieht er auf dem Bild dem Mann auf den Steckbriefen der italienischen Justiz, die letztes Jahr veröffentlicht wurden, ähnlich, wie der „Guardian“ weiter schreibt.
„Jeder Gast wusste, dass er Menschen schmuggelt“
Laut „Guardian“ bestätigten auch zwei Hochzeitsgäste die Identität des Menschenschmugglers, sie identifizierten ihn korrekt auf den Bildern. „Jeder bei der Hochzeit wusste, dass er Menschen schmuggelt, jeder sprach über ihn“, zitiert der „Guardian“ einen der Hochzeitsgäste. Auch ein weiterer Gast bestätigte die Identität Mereds auf den abgedruckten Bildern, so die Zeitung.

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Der mutmaßliche Schlepperkönig wird bei der Hochzeit gefüttert
Die neuen Belege schüren weiter die Zweifel über die Effizienz der Anti-Schlepper-Tätigkeiten der britischen und italienischen Behörden, wie der „Guardian“ schreibt. In den bisher unveröffentlichten Unterlagen der Behörden soll es weitere Beweise für die „falsche“ Identität des Inhaftierten geben. So soll der Menschenschmuggler Nuredin Atta Wehabrebi, der nun Informant der Behörden ist, den Inhaftierten nicht als Mered erkannt haben. „Ich habe diesen Mann noch nie zuvor gesehen“, soll er laut „Guardian“ in den Unterlagen der Anklage zitiert worden sein. Die britischen und italienischen Behörden halten sich laut „Guardian“ bedeckt: Kein Kommentar, hieß es.
Rund 13.000 Menschen geschleppt
Der Eritreer Mered gilt als Schlüsselfigur des Schmuggels von Flüchtlingen aus Afrika in Richtung Europa und ist auf der Liste der meistgesuchten Kriminellen gestanden. Das hatte die italienische Polizei bei der Verhaftung im Sommer mitgeteilt. Er soll seit 2012 vor allem den Menschenschmuggel zwischen zentralafrikanischen Ländern und Libyen und auch die gefährlichen Fahrten zwischen Nordafrika und Sizilien organisiert haben. Insgesamt soll Medhane rund 13.000 Menschen nach Europa geschmuggelt haben.

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Auch auf einem Gruppenfoto ist Mered laut Zeugen zu erkennen
Dabei habe er keinerlei Respekt für das Leben der Opfer gezeigt und immense Geldsummen angehäuft, hieß es vonseiten der Polizei weiter. Im Zuge der Ermittlungen waren nach den Angaben bereits zahlreiche Komplizen Medhanes festgenommen worden, er selbst blieb jedoch lange Zeit flüchtig.
Erste Zweifel nach Verhaftung
Bereits kurz nach der Verhaftung waren erste Zweifel an der Identität des Mannes aufgetaucht. Von einem „Wendepunkt im Kampf gegen Menschenhandel“ hatte die italienische Polizei bei der Verhaftung im Sommer gesprochen. Man habe einen der weltweit berüchtigtsten Menschenschmuggler im ostafrikanischen Sudan festgenommen, und er sei nach Italien ausgeliefert worden. Doch berichtete etwa die BBC bereits damals, dass der falsche Mann ins Netz gegangen sein könnte, und berief sich dabei auf die Familie und Freunde des Festgenommenen. So meldete sich etwa eine Frau als Schwester des Inhaftierten und zeigte Dokumente vor, die dessen Identität klären sollten.
Journalistin: Mered kaufte sich frei
Die schwedisch-eritreische Journalistin Meron Estefanos gab ebenfalls bereits nach der Verhaftung an, dass nicht der richtige Mann gefasst wurde. Sie habe den „General“, so der Spitzname des Menschenschmugglers, vergangenes Jahr interviewt, sagte sie der Zeitung „Aftonbladet“. Der Festgenommene auf den Bildern sehe laut geschleppten Flüchtlingen, mit denen sie gesprochen habe, ganz anders aus.
Laut Estefanos würden in Khartum Gerüchte kursieren, wonach der gesuchte Schlepper zwar tatsächlich verhaftet worden sei, aber mit Bestechung seine Freiheit wieder erkauft habe. Für einen Mann, dessen „Geschäftsgrundlage“ darin besteht, Behörden und Polizisten zu bestechen, scheint die Theorie nicht ganz abwegig. Im Korruptionsindex von Transparency International liegt der Sudan an drittletzter Stelle. Dass dann ein Mann an Italien ausgeliefert wurde, der ähnlich aussieht und auch ähnlich heißt - nämlich Medhanie - wie der Gesuchte, könnte damit ebenfalls leicht erklärt werden.
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