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Autoren sehen „Europa paradox“

Trotz eines leichten Aufschwungs auf dem europäischen Arbeitsmarkt sind immer mehr Menschen trotz eines Vollzeitjobs von Armut bedroht. Ihr Anteil unter den Vollzeitbeschäftigten in den EU-Ländern stieg von 5,1 Prozent im Jahr 2009 auf 7,8 Prozent im vergangenen Jahr, wie eine aktuelle von der Bertelsmann-Stiftung veröffentlichte Untersuchung ergab. Eine Entwicklung, die Sorgen weckt.

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Der seit 2008 erhobene „Social Justice Index“ der Stiftung zeigt, dass der Anteil der von Armut bedrohten Vollzeitbeschäftigten 2013 noch bei 7,2 Prozent lag, 2015 stieg er auf 7,8 Prozent. Auch wenn die EU-Staaten sich langsam von den Folgen der Wirtschafts- und Finanzkrise erholten, komme der Aufschwung im Arbeitsmarkt nicht bei allen Menschen an, so die Bertelsmann-Stiftung im deutschen Gütersloh.

Studienautoren zeigen sich überrascht

Der Anstieg der „Working Poor“ - also Menschen, die trotz Arbeit von Armut bedroht sind - bereitet den Studienautoren grundsätzlich große Sorgen. Ein Vollzeitjob müsse das Auskommen sichern, „ein steigender Anteil von Menschen, die dauerhaft nicht von ihrer Arbeit leben können, untergräbt die Legitimität unserer Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung“, erklärte der Vorsitzende der Stiftung, Aart De Geus. „Wir waren überrascht, dass trotz steigender Beschäftigung in Europa das Armutsrisiko, auch in Deutschland, nicht geringer wird“, sagte Studienautor Daniel Schraad-Tischler. Die Autoren sprechen von „Europa paradox“.

Trotz mehr Arbeit steigt Armutsrisiko

Die Studie zeigt insgesamt eine leichte Erholung des Arbeitsmarktes in der Europäischen Union. Im Jahr 2015 waren demnach mit 215,7 Millionen Menschen fast zwei Drittel der Bürger (65,6 Prozent) erwerbstätig. Im Vorjahr lag der Anteil mit 64,8 Prozent etwas niedriger. Die Arbeitslosenquote sank von 10,4 Prozent auf 9,6 Prozent.

Jeder Vierte betroffen

2015 ist mit 118 Millionen jeder vierte EU-Bürger von Armut oder sozialer Ausgrenzung bedroht.

Das Armutsrisiko veränderte sich dagegen kaum. Noch immer waren laut der Untersuchung 23,7 Prozent der EU-Bürger von Armut oder sozialer Ausgrenzung bedroht. Im Jahr 2014 war der Wert mit 24,4 Prozent nur leicht höher gelegen. Besonders hoch waren die Anteile 2015 etwa in Griechenland (35,7 Prozent), Rumänien (37,3 Prozent) und Bulgarien (41,3 Prozent).

Mehr atypische Beschäftigung

Die Gründe sehen die Autoren der Studie im wachsenden Niedriglohnsektor und einer Spaltung der Arbeitsmärkte in reguläre und atypische Formen von Beschäftigung. Bei der Bewertung der sozialen Gerechtigkeit in den 28 EU-Ländern liegt Österreich in der Rangliste mit 6,67 Punkten knapp vor Deutschland auf Platz sieben. Den Spitzenplatz belegt Schweden mit 7,51, Schlusslicht bleibt Griechenland mit 3,66. Für die Studie wurden 35 Kriterien sechs Bereiche beleuchtet, darunter Armut, Bildung, Arbeitsmarkt, Gesundheit und Generationengerechtigkeit.

Kinder und Jugendliche Leidtragende

Doch nicht nur Erwachsene sind von wachsender Armut bedroht, auch 25,2 Millionen (27 Prozent) Kinder und Jugendliche leben unter der Armutskrise. In den Krisenländern Griechenland, Italien, Spanien, Portugal seien diese Werte sogar noch höher: Hier ist im Schnitt jedes dritte Kind (33,8 Prozent) von Armut bedroht.

Die südlichen EU-Länder haben zusätzlich auch mit dem Problem einer hohen Jugendarbeitslosigkeit zu kämpfen. In Italien gehören fast ein Drittel der 20- bis 24-Jährigen (31,1 Prozent) dazu. In Griechenland (26,1 Prozent) und Spanien (22,2 Prozent) liegt die Quote ebenfalls überdurchschnittlich hoch. Österreich hat die nach Deutschland (7,2 Prozent) zweitniedrigste Jugendarbeitslosigkeit in der EU mit 10,6 Prozent.

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