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„Cumhuriyet“ gibt sich kämpferisch

Der türkische Ministerpräsident Binali Yildirim hat am Dienstag Kritik aus der EU und den USA an der Festnahme von 13 Mitarbeitern der regierungskritischen Zeitung „Cumhuriyet“ abgetan. Die Türkei lasse sich nicht mit Drohungen auf Linie bringen, nur das Volk könne die Regierung zur Rechenschaft ziehen.

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„Bruder, deine rote Linie interessiert uns nicht“, sagte Yildirim am Dienstag mit Blick auf EU-Parlamentspräsident Martin Schulz. Dieser hatte erklärt, mit der Verhaftung der Führungsspitze des Blattes habe die islamisch-konservative AKP-Regierung eine rote Linie der Presse- und Meinungsfreiheit überschritten. „Ihr habt uns nichts über Pressefreiheit beizubringen“, so Yildirim. Man werde bis zum Schluss für die Pressefreiheit eintreten: „Mit der Pressefreiheit haben wir keine Probleme.“

Zeitung mit weißen Stellen

Am Montag waren Chefredakteur Murat Sabuncu und andere führende Mitarbeiter von „Cumhuriyet“, einer der letzten verbliebenen Oppositionszeitungen des Landes, verhaftet worden. Den Journalisten wird vorgeworfen, Verbindungen zu der verbotenen Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) und der Bewegung des Predigers Fethullah Gülen zu haben, den Ankara als Drahtzieher des Putschversuchs verdächtigt. Die „Cumhuriyet“-Redaktion wies die Vorwürfe entschieden zurück und kritisierte die Festnahmen als rechtswidrig.

Demonstration vor dem Gebäude der Cumhuriyet

APA/AFP/Ozan Kose

Auch am Dienstag wurde gegen die Festnahmen protestiert

Die verbliebenen Journalisten der Zeitung gaben sich indes kämpferisch. Am Dienstag erschien das türkische Blatt in vollem Umfang, allerdings nicht in der gewohnten Form. Statt der Kolumnen der festgenommenen Journalisten Hikmet Cetinkaya und Kadri Gürsel erschienen aus Protest nur weiße Flächen. Die Hälfte der Zeitung war den Festnahmen vom Vortag gewidmet.

„Putsch“ gegen Informationsfreiheit

Zudem übte das Blatt scharfe Kritik am Vorgehen der türkischen Behörden. Es sei ein Schlag gegen die Informationsfreiheit des Volkes, hieß es in einer Überschrift. Das türkische Wort für „Schlag“ (darbe) kann auch als „Putsch“ übersetzt werden. Die Zeitung berichtete auch von Protesten in zahlreichen Städten der Türkei gegen die Festnahmen und Anschuldigungen der Staatsanwaltschaft.

Bekämpftes Blatt

Die 1924 vom Journalisten Yunus Nadi Abalioglu gegründete „Cumhuriyet“ zählt zu den ältesten Tageszeitungen in der Türkei. Das regierungskritische Blatt war über Jahrzehnte staatlichen Repressalien und politisch motivierten Anschlägen ausgesetzt. Der bekannte „Cumhuriyet“-Autor Ugur Mumcu wurde 1993 bei einem Bombenattentat getötet.

„Cumhuriyet“ weist den Vorwurf der Komplizenschaft mit Gülen zurück. Man habe im Gegenteil gewarnt, Gülen sei eine Gefahr für die Republik, schrieb das Blatt. Der türkische Journalistenverband teilte mit, seit dem Putsch seien 170 Zeitungen, Zeitschriften, TV-Sender und Nachrichtenagenturen geschlossen worden. 2.500 Journalisten seien arbeitslos.

Dutzende bei Mahnwache

Dutzende Menschen hatten in der Nacht bei einer Mahnwache gegenüber dem Redaktionsgebäude in Istanbul ausgeharrt. „Selbst wenn Cumhuriyets Geschäftsführer und Autoren verhaftet sind, wird unsere Zeitung ihren Kampf für Freiheit und Demokratie bis zum Ende fortsetzen“, heißt es im Leitartikel vom Dienstag. Ex-Chefredakteur Can Dündar - im Exil in Deutschland - spricht von einem Angriff auf die „letzte Festung“ der freien Medien.

Der türkische Ministerpräsident Binali Yildirim

APA/AFP/Adem Altan

„Über deine Linie ziehen wir eben eine andere“: Yildirim schmettere die Kritik der EU harsch ab

Auch die USA übten ungewohnt harsche Kritik. Die Regierung in Washington sei „zutiefst besorgt über das offensichtliche Steigen des staatlichen Drucks auf Oppositionsmedien in der Türkei“, sagte Außenamtssprecher John Kirby am Montag (Ortszeit) in Washington. Er fügte hinzu: „Demokratien werden stärker, wenn sie die Äußerung unterschiedlicher Standpunkte zulassen, insbesondere in schwierigen Zeiten.“ „Cumhuriyet“ bezeichnete er als „eine der angesehensten Zeitungen in der Türkei“.

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