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„Man muss Gesamtzusammenhang sehen“

Mit abfälligen Äußerungen über Chinesen, Frauen und die Ehe für Homosexuelle hat der deutsche EU-Kommissar Günther Oettinger heftige Entrüstung ausgelöst. In einer nun öffentlich gewordenen Rede vor Unternehmern in Hamburg hatte er unter anderem von „Schlitzaugen“ sowie von „Pflicht-Homoehe“ gesprochen.

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Über eine chinesische Regierungsdelegation sagte er: „Neun Männer, eine Partei, keine Demokratie. Keine Frauenquote, keine Frau, folgerichtig.“ Oettinger erntete wiederholtes Gelächter seiner Zuhörer, wie ein im Internet veröffentlichtes Video mit Redeauszügen zeigt. Mitgefilmt hatte der deutsche Verleger Sebastian Marquardt. Der Lesben- und Schwulenverband forderte eine Entschuldigung. SPD und Grüne stellten seine Eignung als EU-Kommissar infrage.

„Eine etwas saloppe Äußerung“

Der CDU-Politiker Oettinger verteidigte sich daraufhin gegen den Vorwurf der Fremdenfeindlichkeit. Dass er in seiner umstrittenen Rede das Wort „Schlitzauge“ verwendet habe, sei nicht anstößig gemeint gewesen. „Das war eine etwas saloppe Äußerung, die in keinster Weise respektlos gegenüber China gemeint war“, sagte er der „Welt“ (Onlineausgabe).

Oettinger hatte seine Rede in Hamburg vor Unternehmern gehalten. „Ich wollte im digitalen Sektor, generell bei technologisch geprägten Sektoren, aufzeigen, wie dynamisch die Welt ist. Und welche Herausforderung das enorme Tempo der Aufholjagd von Ländern wie China und Südkorea für uns darstellt. Und ich wollte in diesem Zusammenhang vor Selbstzufriedenheit warnen.“

„Haare (...) mit schwarzer Schuhcreme gekämmt“

Der EU-Kommissar fügte hinzu: „Die Chinesen sind einfach clever.“ Wenn sie einen Technologievorsprung Europas nicht selbst aufholen könnten, dann kauften sie entsprechende Firmen. „Europäische Unternehmen stehen da umgekehrt in China vor größeren Hürden.“ Eine chinesische Regierungsdelegation auf Brüssel-Besuch hatte er bei der Rede mit den Worten beschrieben: „Alle Anzug, Einreiher, dunkelblau. Alle Haare von links nach rechts, mit schwarzer Schuhcreme gekämmt.“

„Die deutsche Tagesordnung ...“

Auch die gleichgeschlechtliche Ehe habe er nicht als solche angreifen wollen. „Ich habe die Homoehe in einer Liste von Themen, Initiativen und Debatten genannt, die in Deutschland die politische Tagesordnung bestimmen“, erläuterte er. „Mir geht es darum, diese Liste an Themen zu ergänzen - insbesondere um das Thema Wettbewerbsfähigkeit.“

Oettinger hatte in Hamburg gesagt: „Die deutsche Tagesordnung mit Mütterrente, Mindestrente, Rente mit 63, Betreuungsgeld, der komischen Maut, die aber nicht kommen wird, bald noch mit der Pflicht-Homoehe, wenn sie eingeführt wird - die deutsche Tagesordnung genügt meiner Erwartung an deutsche Verantwortung in keiner Form.“

Er sei auch nicht gegen eine Frauenquote, erklärte Oettinger gegenüber der „Welt“: „Die Quote ist ein wichtiges Instrument, um eine angemessene Mindestbeteiligung von Frauen in Spitzengremien zu erreichen.“ Seine Rede sei nicht anstößig gemeint gewesen. „Man muss den Gesamtzusammenhang sehen, in dem ich mich geäußert habe“, sagte er.

Immer wieder kontroverse Wortmeldungen

Der ehemalige baden-württembergische Ministerpräsident Oettinger fällt nicht zum ersten Mal mit kontroversen Wortmeldungen auf. 2007 bescheinigte er dem einstigen Marinerichter Hans Filbinger in der Trauerrede, er sei „kein Nationalsozialist“ gewesen. 2013 sagte er zu den zögerlichen Beitrittsverhandlungen mit der Türkei verärgert: „Ich möchte wetten, dass einmal ein deutscher Kanzler oder eine Kanzlerin im nächsten Jahrzehnt mit dem Kollegen aus Paris auf Knien nach Ankara robben wird, um die Türken zu bitten, Freunde, kommt zu uns.“

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