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Haupteinsatzgebiet in Krankenhäusern

Das System war so etwas wie das WhatsApp im alten Wien: Via Rohrpost landeten kurze Textnachrichten in Windeseile beim Empfänger. Wobei Windeseile damals (1875 bis 1956) innerhalb einer halben Stunde hieß und sich die Reichweite auf die Stadt beschränkte. Die Verbesserungen in der Kommunikation seit damals sind enorm, Rohrpostsysteme werden aber immer noch gebaut.

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„Verbreitet, aber unsichtbar“, ist die Rohrpost heute, erklärt der Postexperte Mirko Herzog vom Technischen Museum Wien (TMW) gegenüber ORF.at. Erdacht wurde sie als schnelles Kommunikationsmittel für Großstädte, bevor sie von Fernschreiber und Telefon abgelöst wurde.

Rohrpostanlage der Firma Ing. Sumetzberger GMBH

Ing. Sumetzberger GMBH

Krankenhausmitarbeiter als „Postbeamte“, hier im Kaiser-Franz-Josef-Spital

Heute hat die Rohrpost die Funktion eines hochmodernen Transportsystems für allerlei Güter. Längst enthalten die kleinen Kapseln, die mittels Luftdrucks und -unterdrucks durch ein Röhrensystem geschickt werden, nicht mehr nur Kurznachrichten. Die Kapseln wurden größer und individueller einsatzfähig, die Leitungen stabiler. Einsatzbereiche sind dort, wo kleine Objekte schnell und unter besonderen Bedingungen transportiert werden müssen.

Blutproben, Werkzeug, Münzen

Die Kapseln enthalten Blutproben in Krankenhäusern, gefährliche chemische Substanzen, die nicht berührt werden dürfen, Wechselgeld für Supermarktkassen oder Werkzeug in Industrieanlagen. „Das geht viel schneller, ist viel sicherer und hygienisch einwandfreier, als wenn das Menschen transportieren“, erklärt Herzog. Das Kaiser-Franz-Josef-Spital in Wien ließ erst heuer ein Rohrpostsystem bauen, um Blutproben rasch ins Labor transportieren zu können.

„Kein Krankenhaus, das keine Rohrpost braucht“

Geliefert wurde die Anlage vom Wiener Industrie- und Gebäudetechnikunternehmen Sumetzberger. Krankenhaussysteme sind mittlerweile das Hauptgeschäft in der Rohrpostsparte, sagt Geschäftsführer Walter Sumetzberger. „Es gibt kein neues Krankenhaus mehr, das keine Rohrpost braucht.“ Nur in kleinen würden Proben noch händisch transportiert. Die Anlagen, die Sumetzberger baut, erledigen den kompletten Prozess vollautomatisch.

Rohrpostanlage der Firma Ing. Sumetzberger GMBH

Ing. Sumetzberger GMBH

Erschütterungssicher und mit automatischer Öffnung sind moderne Kapseln

Spezielle Büchsen werden automatisch be- und entladen, die Blutprobenröhrchen sind im Behälter fixiert und werden so transportiert. Die mit Strichcodes markierten Blutproben werden computergesteuert vom Patienten weg ins Labor geschickt, und am Ende wird der fertige Befund ausgedruckt. Innerhalb einer Stunde seien alle Befunde fertig, erklärt Sumetzberger. Zu schnell dürften die Kapseln nicht herumgeschickt werden, das Blut darf nicht zu sehr durchgeschüttelt werden. Die Kapsel fährt mit fünf bis sechs Metern pro Sekunde.

Gewebeuntersuchung während Operation

Wenn es schneller gehen muss, kann das Rohrpostsystem priorisieren. Während einer Krebsoperation beispielsweise werden Gewebeproben mit der Hauspost vorrangig ins Labor geschickt und dort untersucht, das Ergebnis dient als Entscheidungsgrundlage, ob der Chirurg weiter operiert oder nicht, so Sumetzberger. Hier geht es um wenige Minuten. Kapseln können früher abgeschickte Hülsen in den modernen Systemen also durchaus „überholen“.

Eine andere Anwendung ist die automatische Medikation: Patienten im Krankenhaus tragen ein Armband mit Strichcode und erhalten ihre Medikamente via Rohrpost von der Schwesternstation zugeschickt. „Es gibt dort keine Fehlmedikation mehr“, so Sumetzberger. Die Sicherheit sei höher, und man habe bessere Kontrolle.

Rohrpostanlage im Technischen Museum Wien

ORF.at/Carina Kainz

Eine Rohrpoststation aus dem Wiener Netz - ausgestellt im Technischen Museum

Andere Bereiche, wo Hausrohrpostsysteme heute zur Anwendung kommen, sind etwa Zement- und Stahlwerke, wo glühend heiße Proben nach der Entnahme vom Werk teilweise über mehrere Kilometer in ein Labor zur Analyse geschickt werden. In Banken wird Wechselgeld via Rohrpost transportiert, in Wettbüros, Mautstationen und Supermärkten die Einnahmen von der Kassa in die Zentrale. In Südafrika habe man sogar Gespräche über einen möglichen Diamantenversand geführt, so Sumetzberger.

Das meiste Geschäft im Ausland

Das Unternehmen, neben einem zweiten, deutlich kleineren Hersteller von Rohrpostanlagen das einzige in Österreich, erhält die meisten Aufträge aus dem Ausland - hauptsächlich aus China, wo 170 Krankenhäuser betreut werden, Südkorea, Türkei, dem Iran und der Irak. Insgesamt ist Sumetzberger in 67 Ländern aktiv. Und die Dimensionen seien meist deutlich größer als in Österreich: „Ein Kindergartenkrankenhaus in Peking ist größer als das AKH“, so Sumetzberger.

Rohrpostanlage im Technischen Museum Wien

ORF.at/Carina Kainz

Im 19. und 20. Jahrhundert hatten nur kleine Briefe in den Kapseln Platz

Rohrpost regt Fantasie an

Auch wenn heute fast ausschließlich nur noch Hausrohrpostsysteme gebaut werden, können sich sowohl Herzog als auch Sumetzberger heute noch eine Stadtrohrpost vorstellen. Er selbst habe vor vielen Jahren die Wiener Rohrpost wieder zum Leben erwecken wollen, als er begann, sich mit dieser Technik zu beschäftigen, erzählt Sumetzberger. Eine Verbindung zwischen West- und Südbahnhof sei interessant gewesen, allerdings habe er eine Abfuhr mit den Worten erhalten: „Wegen Ihnen werden wir jetzt nicht die Straße aufreißen.“

Vielleicht aber werden in einigen Jahren ja schon Menschen mittels Rohrpost herumgeschickt: Tesla-Gründer Elon Musk möchte im „Hyperloop“ Menschen in Kapseln in Schallgeschwindigkeit transportieren. Eine Idee, die auch der Ingenieur der Wiener Rohrpost, Franz von Felbinger, im 19. Jahrhundert in ähnlicher Form hatte, wie Herzog erzählt. Auch er wollte Menschen transportieren, allerdings tote, nämlich zum Zentralfriedhof. Umgesetzt wurde das Projekt aus Pietätsgründen aber nie.

Petra Fleck, ORF.at

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