Themenüberblick

Männer verhindern Aufstieg von Frauen

Es ist das alte Lied: Laut der Vergleichsstudie „Women in the Workplace 2016“ bekommen Frauen in den USA weniger Chancen, in Toppositionen aufzusteigen. Je höher die Position im Unternehmen, desto weniger Frauen sind vertreten - oft auch, weil sie es gar nicht wollen. Warum sich so wenige Frauen in Führungspositionen befinden, obwohl sie darin eigentlich besser seien, versucht unter anderem der Psychologe und Trainer Werner Dopfer zu erklären.

Dieser Artikel ist älter als ein Jahr.

Immer noch gibt es in der Arbeitswelt deutliche Einkommensunterschiede zwischen Männern und Frauen. Vor allem in Führungspositionen, denn genau dort ist der Frauenanteil am geringsten. Die Studie der NGO LeanIn.Org hat zusammen mit der internationalen Unternehmensberatungsfirma McKinsey & Company dazu 132 amerikanische Firmen unter die Lupe genommen und untersuchte dabei, warum Frauen weniger häufig an der Spitze von Unternehmen zu finden sind.

Einschränkung durch Chancenungleichheit

Obwohl die Zahlen seit 2015 ein wenig gestiegen sind, sind der Studie zufolge 37 Prozent der Managerposten und lediglich 19 Prozent der obersten Chefetagen in amerikanischen Unternehmen von Frauen besetzt. Diese Ungleichheit wirkt sich auch auf die Selbsteinschätzung aus. Während männliche Mitarbeiter überzeugt sind, sie hätten das Potenzial, Einfluss auf das Unternehmen zu nehmen, tendieren Frauen zu der Annahme, dass ihre Ideen und Leistungen nicht das gleiche Gewicht hätten wie die ihrer männlichen Kollegen.

Frauen „herrisch“ bei Beförderungsgesprächen

So haben nur 40 Prozent der Frauen auf allen Karrierestufen Interesse daran, im Unternehmen aufzusteigen. Dennoch würden sie fast genauso häufig wie Männer für eine Beförderung eintreten oder eine Gehaltserhöhung verhandeln. Befördert werden sie im Vergleich jedoch seltener. Im Gegensatz zu ihren männlichen Kollegen wurden 30 Prozent davon während solcher Gespräche außerdem als „einschüchternd“, „zu aggressiv“ und „herrisch“ bezeichnet, so die Studie – von ihren männlichen Vorgesetzten wohlgemerkt.

Andererseits gaben Manager den Frauen weniger Feedback als Männern. Die Studie belegt, dass nur 30 Prozent der Arbeitnehmerinnen kritische Rückmeldungen erhalten. Das sei hauptsächlich darin begründet, dass ihre Vorgesetzten die Befürchtung haben, gemein oder verletzend zu sein.

Weibliche Attribute als Schlüssel zu guter Führung

Warum Frauen, die selbstbewusst in der Arbeitswelt auftreten, oft - auf ihre männlichen Kollegen - einschüchternd wirken und Männer mit ihnen anders umgehen als mit gleichgeschlechtlichen Mitarbeitern, beleuchtet der Diplompsychologe, Management- und Führungskräftetrainer Dopfer unter anderem in seinem Buch „Mama-Trauma. Warum Männer sich nicht von Frauen führen lassen“.

Seiner Ansicht nach seien Frauen die besseren Führungskräfte. Sie seien empathischer, bevorzugen einen Führungsstil, der auf Einsicht und Transparenz beruht, seien vernünftiger und hätten ihre Impulse stärker unter Kontrolle. Außerdem ließen sich Frauen eher beraten, würden intensiver kommunizieren, hätten eine kooperativere innere Haltung und würden Risiken im Vorfeld ihres Handelns kalkulieren.

Aufstieg nur mit „männlichem“ Stil?

Diese Eigenschaften sind aus Dopfers Sicht wesentliche Kriterien für eine moderne Führung. Das häufige Problem in der Umsetzung: die Führung von Männern und ihr Widerstand, sich von einer Frau führen zu lassen.

So ließen sich laut Dopfer oft „Alphafrauen“ in Chefposten wiederfinden, die „typisch männliche“ Attribute imitieren und ihre positiven weiblichen Seiten vollkommen aufgeben. Sie würden dann Ehrgeiz, Stärke und manchmal auch Aggressivität („Male-Bashing“) an den Tag legen, die zwar Machtgewinn bedeuten können, jedoch meistens auf Ablehnung stoßen würden.

Horrorszenario Chefin?

Diese Ablehnung begründet der Psychologe in männlichen Ängsten, mit denen sich nur wenige im Laufe ihres Lebens kritisch auseinandersetzen und selbstreflektiert erkannt würden. Männer würden Helden und Macher sein wollen und nach Erfolg und Bewunderung streben. Besonders der Beruf soll bei Männern als extrem identitätsstiftend wahrgenommen werden, meint Dopfer und bezieht sich dabei auf andere langjährige Studien.

Wenn eine Frau nun Vorschriften macht oder bewertet, könnten hier bei Männern beispielweise die Angst vor Bedeutungslosigkeit, Versagen, Autonomieverlust oder weiblicher Emotionalität hochkommen – und auch noch die Erinnerungen an die um gute Erziehung bemühte, aber oftmals korrigierende Mutter.

„Mama-Trauma“ als mögliche Ursache

Wenn ein Mann in jungen Jahren von der Mutter mit Anforderungen, die seine Fähigkeiten übersteigen, konfrontiert wurde oder seine Gefühle gar nicht oder falsch wahrgenommen wurden, würde das seine späteren Beziehungen zu Frauen extrem beeinflussen, so Dopfer.

Besonders kritisch sei es, wenn eine männliche Identifikationsfigur als Vorbild wegfalle, erklärt der Therapeut und nennt es das „Mama-Trauma“. Aufgrund der genannten Ängste und den daraus resultierenden negativen Assoziationen mit einer bestimmenden Frau würden Männer oft verhindern wollen, Frauen an die Spitze einer Hierarchie zu stellen.

Auf die männliche Psyche eingehen

Auch bei Frauen gebe es das „Vaterthema“ – das sei jedoch wahrscheinlich schon bearbeitet, da es für Frauen bereits sehr lange die Norm sei, Männern als Führungspersonen entgegenzutreten. Für führende Frauen allerdings sei es noch Neuland, sich mit der Psyche des männlichen Mitarbeiters auseinanderzusetzen. Hier sollten Frauen die männlichen Ängste und typischen Verhaltensweisen erkennen, verstehen und dementsprechend handeln, meint der Psychologe.

Warum dann so wenige Frauen im Chefsessel?

Laut Dopfer hätten Frauen viele elementare Vorteile, um sich im Chefposten gut zu machen, trotzdem sind sie seltener in Führungspositionen. Hier vermutet der Managementtrainer – neben Verhinderungsversuchen der Männer aufgrund ihres „Mama-Traumas“ – biologisch-psychologische Ursachen. Frauen seien zu wenig rigoros und machtambitioniert und würden daher beim Weg nach oben gegenüber Männern auf der Strecke bleiben.

Frustrationstoleranz und „Hochstapler-Syndrom“

Hier zeigen die Ergebnisse der US-„Workplace“-Studie auch, dass Frauen – mit oder ohne Kinder – diesem Druck fernbleiben wollen, weil sie glauben, sich öfter größeren Herausforderungen stellen zu müssen. Dopfer erklärt dieses Phänomen damit, dass Frauen das Risiko häufiger scheuen und Misserfolge nicht so beharrlich tolerieren könnten. Und genau diese hohe Frustrationstoleranz bei Männern sei ein entscheidender Erfolgsfaktor für deren Dominanz.

Buchhinweis

Werner Dopfer: Mama-Trauma. Warum Männer sich nicht von Frauen führen lassen. Knaur HC, 224 Seiten, 16,99 Euro.

Damit Frauen in höheren Positionen erfolgreich sein können, sollten sie laut Dopfer ihre Selbstkritik ein wenig abschwächen. Dass sich Frauen gemäß der „Women in the Workplace 2016“-Studie geringere Chancen einräumen, könnte laut den Ausführungen des Psychologen auch auf das „Hochstapler-Syndrom“ zurückzuführen sein. Hier bezieht er sich auf Studien, die besagen, dass deutlich mehr Frauen ihr Leistungsvermögen schlechter einschätzen als Männer und ihren eigenen Erfolg nicht ihren Fähigkeiten, sondern dem Glück oder dem Zufall zuordnen.

„Übergeschlechtlicher“ Führungsstil

Der Schlüssel für Gleichberechtigung am Arbeitsplatz ist laut Dopfer ein ganz neuer Führungsstil. Dieser setze voraus, dass sich Männer ihres Verhaltens bewusst werden und führende Frauen dieses Verhalten verstehen können - auch umgekehrt. Eher weibliche Attribute wie Empathie und fürsorgliche Züge sollten wertgeschätzt und von männlichen Kollegen nicht als Schwäche angesehen werden.

Der „Meta-Gender“-Führungsstil stehe über den Geschlechtern und dabei sollte sich die Führungsperson den geschlechtertypischen Neigungen bewusst sein, um bestmöglich entscheiden zu können. Ist der eher „typisch weibliche“ Führungsstil beispielsweise risikovermeidend und der „typisch männliche“ risikofreudig, würden Mann oder Frau sich – im Sinne des „Meta-Gender“-Führungsstils - gemeinsam für eine situativ risikoabwägende Strategie entscheiden.

Was Unternehmen tun können

Auch die US-Studie bietet den Unternehmen Lösungsansätze für die Gleichberechtigung auf dem Arbeitsplatz. Laut einem Vierpunkteprogramm sollte ein Unternehmen faire Einstellungs- und Beförderungsprozesse sicherstellen, in Mitarbeitertrainings investieren, klare Ziele in Bezug auf die Gleichberechtigung umsetzen, aber vor allem die gleiche Behandlung der Mitarbeiter in seinen Handlungen tatsächlich widerspiegeln.

Frauen einen Schritt näher

Dopfer bezieht sich in seinen Ausführungen oft auf „Urinstinkte“ und betont, dass die Unterschiede zwischen den Geschlechtern zwar „natürlich“ sind, aber besonders beim Führen weitgehend ausgeblendet werden. Auch sei die Entwicklung eines individuellen Führungsstils stark von persönlichen Lernerfahrungen, der Persönlichkeitsstruktur und dem kulturellen Umfeld beeinflusst. Trotzdem seien Frauen näher am „Meta-Gender-Stil“ – für Männer sei es noch ein größerer Schritt dorthin.

Yasmin Szaraniec, für ORF.at

Links: