Putsch vor zweieinhalb Jahren
Seit Jahrzehnten spielt das Militär in Thailand eine besonders einflussreiche Rolle. Erschienen der Militärführung Parlament und politische Parteien als zu schwach oder zu korrupt oder galten die Einheit des Landes und die Monarchie als gefährdet, schritten die Militärs ein.
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Zuletzt putschte im Mai 2014 Armeechef Prayut Chan-o-cha nach monatelangen Straßenprotesten gegen die gewählte Regierung des politisch tief gespaltenen Landes. Auf der einen Seite stehen die Anhänger des schon 2006 gestürzten Premierministers Thaksin Shinawatra. Mit populären Maßnahmen wie Kleinkrediten und bezahlbarer Krankenversicherung machte er die ärmere Stadt- und Landbevölkerung zu treuen Anhängern. Kritiker warfen ihm aber Korruption und Vetternwirtschaft vor.
Blutige Proteste
Auf der anderen Seite organisierte die kleine Elite, die die Politik bis dahin bestimmt hatte, Straßenproteste. Das Militär stürzte Thaksin, danach wechselten sich Pro- und Anti-Thaksin-Regierungen ab, jeweils verbunden mit blutigen Protesten des anderen Lagers.

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Yingluck Shinawatra wurde 2014 von der Armee aus dem Amt geputscht
Zweieinhalb Jahre nach dem Amtsantritt von Thaksins Schwester Yingluck Shinawatra begann Ende 2013 eine neue Protestwelle. Gegner blockierten Straßen und stürmten Regierungseinrichtungen. Sie warfen ihr Korruption vor. Am 22. Mai 2014 schritt das Militär ein.
Volksentscheid für neue Verfassung
Im August stimmte die Bevölkerung einer neuen Verfassung zu, die laut Militärregierung den Weg zu Wahlen 2017 ebnen soll. Aus Sicht von Kritikern zementiert die Verfassung aber ihre Macht. Für die Demokratiebewegung bedeutet das Ergebnis des Volksentscheids einen Rückschlag. Die Behörden schätzten die Wahlbeteiligung auf etwa 55 Prozent der insgesamt mehr als 50 Millionen registrierten Wähler. Nach Angaben der Wahlkommission hatten 61,4 Prozent für den Verfassungsentwurf gestimmt und 38,6 Prozent dagegen.

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Premier Prayut Chan-o-cha bekam die neue Verfassung vom Volk bestätigt
Die Militärjunta will erst nach Verabschiedung der neuen Verfassung demokratische Wahlen abhalten. Das Ergebnis des Referendums ist auch eine Niederlage für die 2014 gestürzte Partei Peau Thai von Yingluck Shinawatra, die für die Ablehnung des Verfassungsentwurfs geworben hatte.
Besondere Befugnisse für fünf Jahre
Tatsächlich räumt der nun angenommene Entwurf dem Militär in Zukunft eine Reihe besonderer Rechte ein. So kann die Militärregierung noch alle 250 Senatoren der zweiten Parlamentskammer für die nächsten fünf Jahre bestimmen. Ohne deren Zustimmung kann kein Gesetz verabschiedet werden - das Militär könnte also jede nicht genehme Regierung zum Stillstand verdammen.
Weiters sieht die neue Verfassung die Möglichkeit eines nicht gewählten Regierungschefs vor. Dazu brauchen die 250 - vom Militär bestimmten - Senatoren nur noch die Zustimmung einer geringen Anzahl der 500 Abgeordneten aus der ersten Parlamentskammer. Darüber hinaus bleiben Notstandsgesetze der vergangenen zwei Jahre gültig, welche die Junta ohne Zustimmung des Parlaments erließ.
Junta sieht sich im Dienst der Demokratie
Die Junta wies die Vorwürfe ihrer Gegner im Vorfeld zurück. Laut der Militärregierung dient die neue Verfassung einzig dazu, den Weg zurück zur Demokratie zu ebnen. Gerade im Vorfeld der Abstimmung zeigte sich die Militärregierung von ihrer repressiven Seite und verbat jegliche öffentliche Diskussion über die Verfassung. So gab es zu einer der wichtigsten Abstimmungen in der Geschichte des Landes de facto keine Kundgebungen und keine politische Debatte - dafür aber ein eigenes Maskottchen.

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Für die Abstimmung ließ die Junta ein eigenes Maskottchen entwerfen
Doch im Fernsehen liefen einzig von der Junta abgesegnete Informationssendungen. Und auf Bangkoks Straßen verteilten in den Tagen vor dem Referendum Elefanten mit dem Rüssel Flugzettel für die neue Verfassung.
Beide Großparteien gegen Verfassung
Die repressive Medienpolitik war den Gegnern der Regierung ein Beweis mehr, dass es dem Militär im Kern nicht um mehr Demokratie geht. „Das verlängert die Militärmacht“, zitierte die dpa im Vorfeld der Abstimmung den früheren thailändischen Außenminister Kasit Piromya. Seine Kritik ist ein Zeichen dafür, dass der Widerstand gegen die neue Verfassung - zumindest innerhalb der Politik - nicht mehr zwingend entlang der parteipolitischen Bruchlinien des Landes verläuft. Piromya war Mitglied der Regierung unter der Demokratischen Partei Thailands, die nach der Wahl 2011 die Regierung an Yingluck Shinawatra und die Pheu-Thai-Partei abgab.
Bevölkerung tief gespalten
Sowohl vor dem Putsch 2006 als auch vor dem Staatstreich 2014 beteiligten sich Politiker der Demokratischen Partei an Protesten gegen die Shinawatra-Regierung. Und grundsätzlich ließen sich bisher auch die beiden großen Lager innerhalb der Bevölkerung - die Rot- und die Gelbhemden - je einer der beiden Partei zuordnen. Während die Rothemden Anhänger Shinawatras sind, haben die Gelbhemden eine Nähe zur Demokratischen Partei.
Bei dem Referendum kam diese Teilung der Gesellschaft erneut stark zum Tragen. Die Anhänger Shinawatras, vor allem städtische Arme sowie die Bauern im Norden und Nordosten des Landes, stimmten gegen den Entwurf. Viele Rothemden gingen aber trotz des Aufrufs Shinawatras nicht an die Urnen. Bei den Gelbhemden dürfte die Wahlbeteiligung deutlich höher gewesen sein. Vor allem in der Hauptstadt und im Süden des Landes stimmten viele für den Verfassungsentwurf - obwohl sich die Demokratische Partei ebenso wie Shinawatras Pheu-Thai-Partei gegen die neue Verfassung ausgesprochen hatte.
Thailand erhält Antikorruptionsgericht
Anfang Oktober richtete Thailands Militärregierung ein Sondergericht für Korruption ein. Dieses soll vor allem die weitverbreitete Bestechlichkeit in staatlichen Stellen ahnden, wie lokale Medien berichteten. Das Gericht in der Hauptstadt Bangkok werde aber auch Geldwäsche und Pflichtverletzung von Staatsbediensteten verfolgen. Zunächst seien rund 70 Verfahren geplant.
Die Korruption in dem südostasiatischen Land war einer der Gründe, mit denen das Militär den Putsch vom Mai 2014 gerechtfertigt hatte. Bereits laufende Korruptionsverfahren sollen nicht an das neue Gericht übertragen werden. Dazu zählt auch der Fall von Yingluck Shinawatra, die wegen eines umstrittenen Subventionsprogramms für Reisbauern angeklagt ist.
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