Geheimfavorit seit 20 Jahren
Der US-Singer-Songwriter Bob Dylan (75) hat den Literaturnobelpreis gewonnen. Das gab die Schwedische Akademie am Donnerstag in Stockholm bekannt. Dylan habe „neue poetische Ausdrucksformen in der amerikanischen Liederkultur“ geschaffen, begründete die Jury ihr Urteil.
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„Sein Einfluss auf die zeitgenössische Musik ist nachhaltig, und er ist das Objekt eines ständig wachsenden Stroms von Sekundärliteratur“, so die Schwedische Akademie in ihren biografischen Angaben. Die Zuerkennung des Preises dürfte für Dylan eine genauso große Überraschung gewesen sein wie für alle anderen. Die Jury habe vor der Verkündung Donnerstagmittag nicht mit ihm gesprochen, sagte die Chefin der Schwedischen Akademie, Sara Danius, nach der Bekanntgabe. Sie wollte ihn aber so schnell wie möglich anrufen. „Ich glaube, ich habe eine gute Nachricht.“
„Shakespeare mit Gospel“
„Er ist der wahrscheinlich größte lebende Dichter“, sagte Per Wästberg, schwedischer Schriftsteller und Mitglied der Schwedischen Akademie. Auch von Literaten wurde Dylan gewürdigt: „Von Orpheus bis Faiz, Songs und Poesie waren immer eng miteinander verbunden. Dylan ist ein brillanter Erbe dieser bardischen Tradition“, schrieb der indisch-britische Schriftsteller Salman Rushdie auf Twitter.
Der deutsche Dylan-Biograf Heinrich Detering sagte: „Dylan hat wie kein anderer die moderne amerikanische Musiktradition mit der literarischen Hochkultur zu einer neuen Kunstform vereint - Ovid mit Blues, Shakespeare mit Gospel.“
Karrierestart mit Folk
Der Sieg Dylans, der mit bürgerlichem Namen Robert Allen Zimmerman heißt, kam überraschend, auch wenn der US-Amerikaner in den vergangenen 20 Jahren regelmäßig für den Nobelpreis vorgeschlagen war. Zu gewagt erschien es offenkundig der Jury bis vor Kurzem, einem Musiker - und sei es auch der berühmteste Songschreiber überhaupt - die höchste Literaturauszeichnung der Welt zuzuerkennen.

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Dylan im Jahr 2012 bei einem Auftritt in Frankreich - seit zwei Jahrzehnten galt er als Geheimfavorit auf den Nobelpreis für Literatur
Dylan wurde am 24. Mai 1941 in Duluth, Minnesota, geboren und wuchs in einer jüdischen Familie in Hibbing auf. Seine musikalischen Anfänge zählten zur Folkmusik, seine Texte waren beeinflusst von den Autoren der Beat-Generation sowie von moderner Lyrik. 1961 zog er nach New York und begann in Clubs und Cafes im Greenwich Village aufzutreten. Ab Mitte der 1960er Jahre feierte er enorme Erfolge und wurde zu einem der einflussreichsten US-amerikanischen Musiker.
Durchbruch mit „Blowin’ in the Wind“
Der Erfolg stellte sich bei Dylan mit dem Song „Blowin’ in the Wind“ (1963) ein. „Like a Rolling Stone“ (1965) wurde vom Musikmagazin „Rolling Stone“ zum besten Lied aller Zeiten gewählt. Seine wütenden Lieder „Masters of War“ und „A Hard Rain’s a-Gonna Fall“ wurden in den 1960ern zu Hymnen für Protestbewegungen in den USA und Europa. Später wandte sich Dylan zunehmend der Rockmusik zu. Kritiker würdigen seine mit Metaphern, Symbolen und Anspielungen durchsetzten Texte.

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Bob Dylan im Jahr 1965
Wichtige Alben waren „Bringing It All Back Home“ und „Highway 61 Revisited“ im Jahr 1965, „Oh Mercy“ (1989), „Time Out of Mind“ (1997) und „Modern Times“ (2006), wichtige Themen sind soziale Probleme, Religion, Politik und Liebe. Neben seinen Erfolgen als Sänger und Songwriter hat sich Dylan auch als Maler, Schauspieler und Drehbuchautor betätigt. 2004 veröffentlichte er seine Autobiografie „Chronicles“. Seit den späten 1980er Jahren ist er mit der „Never-Ending Tour“ ohne Unterbrechung unterwegs - und spielte dabei in den vergangenen Jahren mehrfach auch in ausverkauften Hallen in Österreich.
220 Autoren nominiert
In diesem Jahr waren rund 220 Autoren für den Preis nominiert. Den Preisträger wählt die Schwedische Akademie, die aus Schriftstellern, Literatur- und Sprachwissenschaftlern und Historikern besteht, aus fünf Kandidaten auf einer Shortlist aus. Die mit acht Millionen schwedischen Kronen (rund 830.000 Euro) dotierte Auszeichnung wird am 10. Dezember - dem Todestag des Preisstifters und Dynamiterfinders Alfred Nobel (1833-1896) - gemeinsam mit den anderen Nobelpreisen in Stockholm verliehen.
Heuer Änderungen im Ablauf
Dieses Jahr wartete die Jury des Literaturnobelpreises schon vor der Bekanntgabe mit einer Überraschung auf: Die Auszeichnung wurde nicht in der traditionellen Nobelpreiswoche verkündet. Über die Vorgehensweise habe es „keine Meinungsverschiedenheiten“ gegeben, sagte der Schriftsteller Per Wästberg der Nachrichtenagentur dpa.
Wästberg ist Vorsitzender des Nobelkomitees aus fünf Mitgliedern der Schwedischen Akademie, das der gesamten Akademie in der Regel im Mai eine Shortlist mit fünf Namen präsentiert. Aus diesen Autoren wählt die Akademie in einem Mehrheitsvotum den Nobelpreisträger aus. „Das Nobelkomitee hat seine Gedanken zur Shortlist am 22. September präsentiert“, sagte Wästberg.
Journalistin Alexijewitsch gewann im Vorjahr
Im Vorjahr erhielt die weißrussische Schriftstellerin Swetlana Alexijewitsch den Literaturnobelpreis. Die gelernte Journalistin wurde „für ihr vielstimmiges Werk, das dem Leiden und dem Mut in unserer Zeit ein Denkmal setzt“, ausgezeichnet. Es war erst das 14. Mal, dass eine Frau den Preis bekam.
Alexijewitsch spürt in ihren Büchern wie „Secondhand-Zeit“ den Folgen der Sowjetherrschaft nach. Sie hat dabei einen eigenen literarischen Stil geprägt, indem sie das Schicksal der Menschen in der früheren Sowjetunion anhand von Interviews dokumentiert. Sie sammle „den Alltag von Gefühlen, Gedanken, Worten“, sagte die 67-Jährige bei der traditionellen Nobelrede. Während sie die Geschichte von ganz normalen Menschen erzähle, werde nebenbei große Geschichte erzählt: „Ich liebe die einzelne menschliche Stimme. Das ist meine größte Liebe und Leidenschaft.“
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