Abschluss nach über 19 Monaten
Im Februar 2015 ist der parlamentarische Untersuchungsausschuss zur Kärntner Hypo eingesetzt worden, am Mittwoch, mehr als 19 Monate später, geht er im Nationalrat formell zu Ende. Thema dort wird der mehrere hundert Seiten starke Abschlussbericht sein.
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Das Papier ist das Ergebnis der Befragung von insgesamt 124 Auskunftspersonen, teils auch mehrfach, zu Papier gebracht über den Sommer. Ergänzt um die Stellungnahmen der sechs Fraktionen ging der Bericht am Montag anlässlich der 79. und allerletzten Sitzung des U-Ausschusses an die Vorsitzende, Nationalratspräsidentin Doris Bures (SPÖ), und wurde auch auf der Website des Parlaments veröffentlicht. Was bisher aus den Berichten an die Medien gelangte, war eigentlich noch nicht für die Öffentlichkeit bestimmt gewesen.
Dass mit den Fraktionsberichten und der Debatte am Mittwoch im Plenum des Nationalrats der „Schwarze Peter“ für das Fiasko der ehemaligen Kärntner Hypo Group Alpe Adria (HGAA) noch einmal hin- und herwandern wird, ist klar. Die Frage ist nur, ob noch in der Substanz wirklich neue Vorwürfe auftauchen. Einzelne Fraktionen hatten zum Ende der Befragungsphase hin versprochen, über den Sommer noch einmal fleißig zu sein, und eventuelle Überraschungen nicht ausgeschlossen.
Der „Bankomat“ und die Politik
Teils waren Inhalte an die Öffentlichkeit durchgesickert, aber noch nicht viel anderes gewesen als die schon in den Ausschusssitzungen erhobenen Vorwürfe, nur im neuen Gewand von Dutzenden Seiten Fraktionsbericht. Ein solcher zentraler Vorwurf, etwa aus dem Bericht der SPÖ, den diese im Internet allgemein zugänglich gemacht hatte: Die Kärntner Hypo sei seinerzeit der „Bankomat“ der Kärntner Landesregierung bzw. der Kärntner Freiheitlichen unter dem 2008 tödlich verunglückten Landeshauptmann Jörg Haider (FPÖ/BZÖ) und dem später verurteilten Vorstandschef Wolfgang Kulterer gewesen. Beide hatten vor allem das Auslandswachstum der damaligen HGAA massiv vorangetrieben.
Das sei nur mit den enormen Landeshaftungen im Rücken möglich gewesen, lautete ein weiterer Vorwurf. Der Sukkus des Übels liege in Kärnten, war sich gegenüber der APA auch die ÖVP sicher. In dem Punkt, dass die Verstaatlichung, geschehen im Dezember 2009 unter dem damaligen Finanzminister Josef Pröll (ÖVP) und Ex-Finanzstaatssekretär Andreas Schieder (SPÖ), ohne Alternative gewesen sei, waren sich die Koalitionspartner SPÖ und ÖVP schon im Ausschuss einig gewesen: unter Verweis auf die Landeshaftungen und drohenden volkswirtschaftlichen Schaden für die gesamte Republik.
Mit oder „ohne Not“ dem Steuerzahler „umgehängt“
Aus Sicht der FPÖ war die „Notverstaatlichung“ dagegen in Wahrheit eine „ohne Not“. Vorwürfe richteten die Freiheitlichen vor allem an Pröll, im Berichtsentwurf orteten sie dann den Versuch, den früheren ÖVP-Finanzminister „reinzuwaschen“, ein „Witz“, wie es im Sommer in einem APA-Interview hieß. Ein zentraler und wiederholter Vorwurf der FPÖ-Fraktion im U-Ausschuss lautete: Bei der Verstaatlichung habe sich Österreich, salopp gesagt, vom damaligen Mehrheitsaktionär Bayerische Landesbank (BayernLB) über den Tisch ziehen lassen. Bayern sei der Gewinner gewesen, Österreich der Verlierer.
Das Team Stronach (TS) stand im Ausschuss ebenfalls auf dem Standpunkt, die Kärntner Hypo hätte nicht alternativlos verstaatlicht werden müssen, sie sei trotzdem dem Steuerzahler „umgehängt“ worden. NEOS stellte ebenfalls die Frage nach einer Verstaatlichung „ohne Not“ und sah die frühere Kärntner Hypo in der Rolle einer „Geldquelle der Politik“, Opfer von Missmanagement und Expansion um jeden Preis und schließlich Milliardengrab für den Steuerzahler.
Wiederholung ausgeschlossen oder nicht?
Bei der Präsentation des Fraktionsberichts am Montag sagte NEOS-Fraktionschef Rainer Hable, dass er den größten Skandal innerhalb des Hypo-Skandals in der Justizarbeit sehe. Ein Desaster a la Hypo könne „jederzeit wieder passieren“ - „weil der Sumpf und die Verhaberung aus Korruption und ein ausgehebelter Rechtsstaat“ weiterexistierten.
Nach Einschätzung des grünen Fraktionsvorsitzenden Werner Kogler kann sich das Szenario in nur annähernder Größenordnung heute nicht mehr wiederholen. Die Gläubiger der Hypo steigen den Grünen aber jedenfalls zu gut aus. „Schlimmer als befürchtet nachgewiesen“ wurde laut Kogler im U-Ausschuss, wie sehr das Land Kärnten schon vor der Verstaatlichung seine politische Aufsichtspflicht über die Hypo „nicht erfüllte“. Dabei hätten die Freiheitlichen „Begleitschutz von Rot und Schwarz“ erhalten. „Die wirtschaftspolitische Narrenfreiheit in Kärnten ist im Ausschuss gut nachgezeichnet geworden.“
Wo wurde das Milliardengrab geschaufelt?
Dieses Milliardengrab wurde auch aus Sicht der Grünen maßgeblich in Kärnten geschaufelt. Das Prüfungswesen habe versagt, die Rettung der Hypo mit staatlichem Partizipationskapital habe vor allem den Banken gedient, die Abwicklung sei hinausgezögert worden. Insbesondere Prölls Amtsnachfolgerin Maria Fekter (ÖVP) wurde an diesem Punkt im Ausschuss mehrfach Zielscheibe von Kritik. Der Vorwurf an sie: Sie hätte die Einrichtung einer „Bad Bank“, wie sie schließlich über die Heta erfolgte, verhindert. Fazit der Grünen: Nicht alles schlecht gemeint, aber fast alles schlecht gemacht.
Die Fraktionsberichte sorgten, unterschiedlich gehandhabt, schließlich auch für Streit. Die SPÖ machte den Ihren auf ihrer Website gleich öffentlich, andere wie NEOS stellen ihn erst am Montag der Presse vor. Die ÖVP beschwerte sich bei Bures über die Weitergabe, da diese die Ausschussarbeit gefährde, die Vorsitzende berief eine Sonderpräsidiale ein. Die FPÖ erstattete Anzeige wegen Urkundenweitergabe. Der über 500 Seiten umfassende Entwurf für den Abschlussbericht, verfasst von Verfahrensrichter Walter Pilgermair, war am 23. August an die Fraktionen gegangen, anschließend hatten diese zwei Wochen Zeit, ihre Sicht der Dinge darzustellen. Diese wurde anschließend in die Endfassung eingearbeitet.
Und die Lehren aus dem Debakel?
Der Entwurf nannte politisch Verantwortliche nicht klar beim Namen, enthält allerdings ein zentrales Kapitel Empfehlungen. Einmal wird darin als Konsequenz aus den hohen Kosten für den Steuerzahler durch die Hypo-Verstaatlichung gefordert, dass das System der Haftungen von Gebietskörperschaften geändert wird. Haftungen von Ländern und Gemeinden sollen vereinheitlicht werden und Obergrenzen erhalten, „die in vertretbarer Relation zur Wirtschaftsleistung der jeweiligen haftenden Gebietskörperschaft“ stehen. Bei den Kärntner Landeshaftungen war das nicht mehr der Fall.
Weiters heißt es in dem Papier, ein Insolvenzrecht für Länder sei „geboten“. Dass es ein solches nicht gibt, führe „zu Fehlanreizen und birgt auf Länderseite die Gefahr eines nicht nachhaltigen, sorglosen ökonomischen Fehlverhaltens, da auf die Hilfe von außen, durch den Bund, spekuliert wird“. Bis auf die FPÖ hatten im Ausschuss alle Oppositionsparteien gefordert, dass auch Länder in Konkurs geschickt werden können sollten. Auch SPÖ und ÖVP sprachen sich dagegen aus.
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