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Mit Essen spielt man nicht

Im Supermarkt ist der Kunde plötzlich nicht mehr König, sondern Gott: Comedian Seth Rogen lässt animierte Würstel, Gebäck und Co. auf das „große Jenseits“ hoffen, das im Heim der konsumorientierten „Götter“ versprochen wird. Doch die Wahrheit ist grausam - das macht „Sausage Party“ gleich auf mehreren Ebenen deutlich. Mit billigen Witzen gerät das Shoppingerlebnis zur heiklen Geschmackssache.

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Frankfurter Frank (im Original: Seth Rogen) hat nur einen großen Traum: sich im „großen Jenseits“ ins Hotdog-Weckerl Brenda (Kristen Wiig) zu legen. Ein absurdes Szenario, das sich im Gewand eines Pixar-Klassikers präsentiert: „Sausage Party“ will die erwachsene Antwort auf „Toy Story“ oder „Alles steht Kopf“ sein. „Erwachsen“ ist, was Drehbuchautor und Berufsblödler Rogen und Evan Goldberg („The Interview“) darunter verstehen: hauptsächlich Sex, Drogen und der inflationäre Gebrauch des Wortes „fuck“ - gerne als „scheiße verdammt“ übersetzt.

Szene aus "Sausage Party"

Sony Pictures Releasing GmbH

Das Würstel würde gerne rein in den Sandwich. Eine gewitzte Anspielung.

Keine gewöhnliche „Fressorgie“

Damit ist „Sausage Party“ auch der erste Computeranimationsfilm in den USA, der mit der berüchtigten „R“-Altersfreigabe versehen wurde: Einlass erst ab 17 Jahren, außer in Begleitung eines Elternteils. Rogen und sein Team nützen die Gelegenheit und lassen keine animierte Schweinerei aus - inklusive einer Orgie frei liebender Lebensmittel, die in den US-Medien hohe Wellen geschlagen hat. Das geschieht letztlich aber auf Kosten jeglicher Substanz, die der Film in Grundzügen erkennen lässt.

Der Supermarkt dient „Sausage Party“ als Spiegel der Gesellschaft und konzentriert sich vor allem auf ein zentrales Thema: Religion. Inmitten unzähliger Witze über, mit und von Genitalien kritisieren die Drehbuchautoren blinden Glauben und treten für Toleranz ein. Ob ein Film, der der wörtlichen Bedeutung von „Food Porn“ streckenweise erschreckend nahe kommt, das geeignete Medium für aufklärerisches Gedankengut ist, sei dahingestellt.

Disney-Komponist steuert Song bei

Das „große Jenseits“ ist der Garten Eden, der anständig lebende Lebensmittel erwartet: Der amerikanische Unabhängigkeitstag soll für Frank und Brenda der große Tag sein, an dem auch sie den Weg ins Paradies antreten. Freilich weiß niemand, dass auf sie dort alles andere als hemmungsloser Lebensmittel-Sex wartet. „Scheiße verdammt, die essen Kinder!“, kommentiert ein Würstel, im Heim eines Käufers angekommen, das Verspeisen zweier Babykarotten.

Dass der retournierte Honigsenf (Danny McBride) von den Schrecken berichtet, die im vermeintlichen Paradies warten, bringt die idealistische Bevölkerung des Mikrokosmos indes nicht aus dem Takt. An jedem Morgen wird unbeirrt ein Loblied auf die „Götter“ gesungen - komponiert von Alan Menken, der unter anderem für die Soundtracks zu Disneys „Die Schöne und das Biest“ und „Aladdin“ mit mehreren Oscars ausgezeichnet wurde.

Stereotype im Sonderangebot

Neben dem Hotdog-Pärchen umfasst das Spektrum der Supermarktlebewesen eine Vielzahl an Stereotypen, die sicherstellen, dass der Film auch garantiert bei jeder Bevölkerungsgruppe aneckt. Etwa ein jüdischer Bagel (Edward Norton), der in Aussehen und Stimme an Woodie Allen erinnert und sich konstant mit dem „arabischen“ Lawasch-Fladenbrot (David Krumholtz) zankt. Das wiederum erhofft sich im „großen Jenseits“ 77 Flaschen natives (engl. „virgin“) Olivenöl. Dass Lawasch aus Armenien stammt und gar nicht arabisch ist: anscheinend unnötige Details.

Mit von der Partie ist auch ein lesbischer mexikanischer Taco (Salma Hayek), indianischer Alkohol (Bill Hader), Nazi-Sauerkraut und ein junger, blonder „Twinkie“-Kuchen namens Twink (wird als Bezeichnung für einen homosexuellen „Jüngling“ verwendet). Bleibt die Frage, ob die Darstellung des „Standard-Amerikaners“ als Würstel in Wirklichkeit ähnlich unsensibel ist oder der Protagonist und Drehbuchautor vergleichsweise harmlos dargestellt wird.

Szene aus "Sausage Party"

Sony Pictures Releasing GmbH

Das Grauen lauert im Alltag der Menschen: vom Tod nur einen Bissen entfernt

Nicht schlau genug, um blöd zu sein

Mittels „Schock-Humors“ soll sich das Publikum die Frage stellen: „Ja, dürfen die denn das?“, wie das exemplarisch in der Animationsserie „South Park“ von Matt Stone und Trey Parker seit 1997 gelingt. Stattdessen überwiegt in „Sausage Party“ die Frage „Muss das sein?“, die in einer komplett überflüssigen Vergewaltigungsszene zwischen einer Intimdusche und einem Saftpackerl kulminiert. Es mag sich nur um Computeranimation handeln - die Bildsprache ist von anderen filmischen Formen sexueller Gewalt aber kaum zu unterscheiden.

Dass das alles clevere Satire ist, können Rogen und Goldberg jedenfalls nicht ausreichend glaubwürdig vermitteln, denn der mit dem Holzhammer vermittelten Moral der Geschichte mangelt es an jedweder Nuance - die große Erkenntnis bleibt letztlich aus. Nach dem Motto „Wenn wir alle beleidigen, dürfen wir das“ wird weit ausgeholt, ohne je den Zweck zu hinterfragen. Ohne Rücksicht auf Verluste anzuecken: Das ist bestenfalls pubertär, jedenfalls weit von erwachsen entfernt.

Pixar-„Hommage“ spaltet das Publikum

Rogen bezeichnet sich selbst als großen Pixar-Fan und die Besetzung, vor und hinter der virtuellen Kamera (Regie: Conrad Vernon und Greg Tiernan, der sonst „Thomas die Lokomotive“ auf Schiene bringt), lassen den Schluss zu, dass es dem kanadischen Comedian wirklich ernst mit seinem Projekt gewesen sein dürfte. Doch es reicht nicht, große Themen, bekannte Stimmen und visuellen Zuckerguss zu übernehmen - und den Rest durch einen einzigen, großen Peniswitz zu ersetzen.

Zweifellos kann Rogen damit trotzdem bei einem Teil des Publikums punkten - und auch Kritiker können sich mit seinem anstößigen Humor insgesamt anfreunden: Auf dem Bewertungsportal Rotten Tomatoes hält der Film bei überragenden 86 Prozent, die Bewertungen der User liegen jedoch deutlich darunter. Humor ist letztlich sehr subjektiv: Was dem einen sauer aufstößt, findet ein anderer zum Schreien komisch.

Schade ist jedoch, dass die Prämisse von „Sausage Party“ auch deutlich unschuldiger funktioniert hätte: den Glauben hinterfragen, eine Prise Konsumkritik, tadellos animierte Figuren trotz Minibudgets und Liebe und Frieden als Botschaft im Gepäck. Es wären tatsächlich Zutaten für eine erwachsene Pixar-Hommage gewesen, die zum Nachdenken anregen hätte können. Scheiße verdammt - wäre „Sausage Party“ doch bloß nicht seinem eigenen Schmäh zum Opfer gefallen.

Florian Bock, ORF.at

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