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20 Jahre Arktischer Rat

Die Nachricht ist erst wenige Wochen alt: In Grönland ist eine 95 Quadratkilometer große Eisscholle vom Gletscher gebrochen - das entspricht der Größe Manhattans. Schuld daran ist die Wärme. Noch nie wurden in Grönland so hohe Durchschnittstemperaturen gemessen wie in diesem Sommer.

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Im norwegischen Tromsö, dem Sitz des Arktischen Rates, graben solche Nachrichten nur noch größere Sorgenfalten in die Gesichter der Mitarbeiter. Als die acht Anrainerstaaten Dänemark, Finnland, Island, Kanada, Norwegen, Russland, Schweden und USA gemeinsam mit Vertretern der indigenen Völker den Rat 1996 im kanadischen Ottawa gründeten, waren der Schutz und die nachhaltige Entwicklung der Arktis die wichtigsten Ziele. Heute muss man einsehen: Wir schaffen das nicht allein.

Kaum verbindliche Vereinbarungen

Denn die Liste der Erfolge aus den vergangenen 20 Jahren liest sich eher nüchtern: „Der Arktische Rat hat dazu beigetragen, die Arktis als eine Zone von Frieden und Stabilität zu erhalten“, heißt es auf seiner Website. In Arbeitsgruppen wurden jede Menge Studien zu Arktis-Themen ausgearbeitet: Klimawandel, Schifffahrt, Tourismus, Seerettung, Ölverschmutzung, Flora und Fauna. Zu verbindlichen Vereinbarungen kam es aber nur in den Bereichen Suche und Rettung in der Arktis (2011) sowie Vorbereitung auf Fälle von Ölverschmutzung (2013).

Diese Abkommen hätten den Rat „institutionell wie substanziell aufgewertet“, sagt die Wissenschaftlerin Kathrin Keil, die die Arktis-Forschung am Institute for Advanced Sustainability Studies (IASS) im deutschen Potsdam leitet. „Der Arktische Rat hat sich mittlerweile von einem Diskussionsforum zu einem Politikgestalter in der Arktis entwickelt.“

„Ein zahnloser Tiger“

Doch Länder unter Druck setzen kann er nicht. „Der Rat ist in erster Linie ein Organ, das Entscheidung mitgestaltet, statt sie zu fällen“, sagt der norwegische Forscher Svein Vigeland Rottem vom Fridtjof-Nansen-Institut in Oslo, der die Vision und die Struktur des Arktischen Rates genauer untersucht hat. Das Gremium stelle Informationen zur Verfügung, entschieden werde woanders.

Aus diesem Grund muss sich die Organisation mitunter gefallen lassen, ein „zahnloser Tiger“ zu sein: viele gute Absichten, aber keine Macht, sie umzusetzen. Problematisch sei mitunter auch, dass alle zwei Jahre ein anderes Land den Vorsitz innehabe, meint Vigeland Rottem. Jedes Land setze seine Prioritäten anders. Er empfiehlt: Der Rat solle eine umfassende Vision für die Arktis formulieren, auf die man die Arbeit fokussieren könne.

Probleme der Arktis global

„Die Probleme der Arktis können nicht von den Anrainerländern gelöst werden.“ Klimawandel und Umweltverschmutzung seien globale Probleme, die globale Lösungen erforderten, sagt Vigeland Rottem. Deshalb sei es so wichtig, auch die Staaten mit Beobachterstatus einzubeziehen, zu denen neben elf anderen nicht arktischen Ländern auch Deutschland zählt.

Die Potsdamer Expertin Keil sieht weitere Herausforderungen: „Die steigende internationale Aufmerksamkeit, die durch die wachsende Zahl an Beobachterstaaten auch aus Asien bemerkbar ist, stellt den Rat vor Kapazitätsprobleme. Die nach wie vor unstete Finanzierung des Rates ist angesichts der wachsenden Aufgaben in einer sich rasch ändernden Arktis unzeitgemäß.“

Klimawandel weckt Begehrlichkeiten

Das klimabedingte Schmelzen des Eises hat außerdem Begehrlichkeiten geweckt. Russland und andere Arktis-Anrainer wie die USA, Kanada, Norwegen und Dänemark wollen sich reiche Vorkommen an Öl und Gas sichern, die in der Region um den Nordpol vermutet werden. Moskau hat sogar mit dem Bau neuer Militärstützpunkte im Polarmeer begonnen und dort Luftabwehrraketen stationiert.

Doch schlechtreden wollen Experten die Einrichtung nicht - allein deshalb, weil sie dem Thema Arktis eine Arena gegeben hat. Außerdem, so Vigeland Rottem, sei es hier möglich, unabhängig vom politischen Klima gemeinsame Herausforderungen zu diskutieren. Insbesondere in Zeiten der Russland-Krise sei der Rat eine Bastion der Diplomatie. Über militärische Fragen spricht man hier ausdrücklich nicht.

Sigrid Harms und Christina Horsten, dpa

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