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Russland verstärkt militärische Präsenz

Die Arktis droht, ein Schauplatz geopolitischer Spiele zu werden. Das geht aus einem aktuellen Artikel des „Wall Street Journal“ hervor. Norwegen, die USA und die NATO äußern sich darin besorgt über Russlands militärische Präsenz in der entlegenen Region. Moskau habe damit begonnen, seine Streitkräfte in der Arktis massiv aufzurüsten.

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Im August 2015 hatte Moskau in einem Schreiben an die UNO seinen Anspruch auf rohstoffreiche Gebiete rund um den Nordpol untermauert. Damals forderte Russland die Hoheitsrechte über eine Fläche von 1,2 Millionen Quadratkilometern in der Arktis. Das von Russland beanspruchte Gebiet umfasst auch den Nordpol und würde Moskau nach eigenen Angaben den Zugang zu 4,9 Milliarden Tonnen fossiler Brennstoffe verschaffen.

Wegen der in der Arktis vermuteten Öl- und Gasvorkommen melden auch die vier anderen Anrainerstaaten der Arktis - darunter Norwegen und die USA - Gebietsansprüche an. Das voranschreitende Abschmelzen des Packeises macht die Region auch für den Frachtverkehr zwischen Atlantik und Pazifik zunehmend attraktiv.

Neue Waffensysteme und U-Boote

Besorgnis rufe zurzeit nicht das Volumen der russischen militärischen Aktivitäten in der Region hervor, sagte der Befehlshaber der norwegischen Streitkräfte, Haakon Bruun-Hanssen, sondern die Aufrüstung und Modernisierung der russischen Streitkräfte dort. Während die NATO-Truppen weiter mit herkömmlicher Ausrüstung operierten, statte der Kreml seine Kriegsmarine mit neuer Technologie, neuen Waffensystemen und U-Booten aus.

Karte von Skandinavien

Grafik: APA/ORF.at; Quelle: The Wall Street Journal

"Damit nähern sich die militärischen Kapazitäten Russlands jenen des Westens gefährlich an, sagte Bruun-Hanssen dem „Wall Street Journal“, „geradeso als wäre man wieder im Kalten Krieg“. Zugleich erinnert der General daran, dass die europäischen Länder wie Norwegen nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion ihre Verteidigungsmaßnahmen in den 1990er und 2000er Jahren zurückfuhren.

Die Antwort der NATO

Die NATO müsse auf die russische Aufrüstung in der Arktis reagieren und ihre Position in der Region stärken, heißt es seitens des Verteidigungsbündnisses. Marinemanöver sollen die NATO-Präsenz in der Region festigen, Verteidigungsbereitschaft signalisieren und auf Abschreckung zielen.

Zugleich sollen aber auch „Dialogbereitschaft“ signalisiert und diplomatische Maßnahmen ergriffen werden. „Fünf Staaten (Russland, die USA, Norwegen, Dänemark und Kanada) grenzen an die Arktis“, zitiert das „Wall Street Journal“ einen NATO-Beamten, umso wichtiger sei es, „vom hohen Norden als einem Gebiet ohne Spannungen zu denken“. Es gelte, die richtige Balance zwischen militärischer Präsenz und Entspannung zu finden. Eine Konfrontation mit Russland solle vermieden werden.

Milliarden Rubel und Dollar fürs Militär

Russlands Präsident Wladimir Putin hatte 2010 angekündigt, bis 2020 23 Billionen Rubel (fast 300 Mrd. Euro) in das Militär zu stecken. Geplant ist unter anderem die Anschaffung von 400 Interkontinentalraketen, 600 Kampfflugzeugen, 2.300 Panzern und 20 U-Booten. „Unsere Sicherheit kann nur garantiert sein, wenn das Land wirklich stark wird“, so Putin. Er schloss auch den Einsatz der Streitkräfte zur Verteidigung von Rohstoffen nicht aus. Russland hatte wiederholt angekündigt, etwa seine Grenztruppen in der Arktis zu verstärken, um seine dortigen Ressourcen zu schützen.

Vladimir Putin

APA/AFP/RIA NOVOSTI/Alexey Nikolsky

Putin will sich die reichen Rohstoffvorkommen in der Arktis sichern

US-Flotten Kommandeur James Foggo III. warnte unlängst davor, dass Russland die Technologielücke rasch schließe. „Nirgendwo wird das deutlicher als in der maritimen - und dabei vor allem unter Wasser - Stärke“, schrieb Foggo in der Juni-Ausgabe der Zeitschrift „US-Naval Institute“. „Die USA finden sich in einem technologischen Wettrüsten mit Russland wieder.“

Das US-Militär vervierfachte zuletzt seine Mittel, um der „russischen Aggression“ entgegenzutreten und seine Präsenz in Osteuropa zu verstärken. Der entsprechende Pentagon-Etat werde auf 3,4 Milliarden Dollar (drei Mrd. Euro) erhöht, viermal mehr als im Vorjahr, teilte Verteidigungsminister Ashton Carter mit. Das Geld werde in die Stationierung von mehr Truppen in Europa gesteckt, in mehr Ausbildung und Manöver mit den Verbündeten sowie in die Bereitstellung von Gefechtsausrüstung und Infrastruktur.

Auch Norwegen zieht nach

Norwegens konservative Minderheitsregierung wiederum will die Militärausgaben auf 53 Milliarden Kronen (sechs Mrd. Euro) steigern und damit die NATO-Forderung erfüllen, wonach die Mitglieder mindestens zwei Prozent ihres Bruttoinlandsprodukts (BIP) für Verteidigung ausgeben. Derzeit sind es rund 1,5 Prozent des norwegischen BIPs.

Russland habe seine militärischen Fähigkeiten mehrfach unter Beweis gestellt, so Bruun-Hanssen. Ende letzten Jahres feuerte es 26 Marschflugkörper von vier Kriegsschiffen im Kaspischen Meer auf Syrien. Zwei Monate später griff es Ziele in Syrien von einem U-Boot aus an. „Das hat uns gezeigt, dass die Technologie an Bord ihrer Schiffe funktioniert“, sagte Bruun-Hanssen mit Verweis auf die russische Überlegenheit dank der Flotte im nahen Murmansk und fordert eine bessere Überwachung der Grenze.

Nach Einschätzung des Center for Strategic and International Studies (CSIS) besitzt die NATO derzeit nicht die Fähigkeit, schnell der Herausforderung russischer U-Boote in weiten Teilen des Nordatlantiks und der Ostsee zu begegnen. Ein CSIS-Bericht vom Juli empfiehlt der NATO mehr in U-Boot- und maritime Überwachungstechnologien zu investieren. Zugleich schlägt er Norwegen vor, seinen Marinestützpunkt Olavsvern in der Arktis wiederzueröffnen. Laut Bruun-Hanssen gibt es derzeit keine dementsprechenden Pläne.

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