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Manischer Maler, starke Frauen

In seinem dieser Tage in den Kinos angelaufenen Biopic „Egon Schiele: Tod und Mädchen“ zeigt Regisseur Dieter Berner Schiele als Frauenhelden, besessenen Maler und als Todkranken: ein eher konventionelles Historiendrama, dessen Darsteller schauspielerisch voll überzeugen.

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Wien, kurz vor Ende des Ersten Weltkriegs: Der Winter ist bereits angebrochen, die Kohle wird rationiert. Gerti Schiele (Maresi Riegner) eilt zur Hietzinger Wohnung ihres älteren Bruders Egon (Noah Saavedra), der, von der Spanischen Grippe schwer mitgenommen, am Bett seiner Frau Edith sitzt. Sie ist schon tot. Liebevoll nimmt Gerti sich ihres Bruders an, versorgt ihn so gut es geht – das Rettung versprechende Chinin, so viel weiß man schon zu Beginn, wird zu spät kommen.

Mit dieser Vorblende startet „Egon Schiele: Tod und Mädchen“, die Krankheitsepisoden bilden die Rahmenhandlung des gesamten Films. Der Tod des Künstlers ist dadurch quasi programmiert. Und dessen Leben erscheint damit nicht nur kurz – der Künstler starb bekanntlich 1918 im Alter von 28 Jahren –, sondern von Beginn der Erzählung an immer auch drängend, fast überhastet: Die Zeit ist knapp, es gilt, möglichst viel herauszuholen, Konventionenbruch, Sex, ja überhaupt, Leben.

Modelle in Posen und im Bett

Das heißt jedoch nicht, dass Regisseur Berner, der in den 1970ern mit der Kult-TV-Serie „Alpensaga“ bekannt wurde, hier ein insgesamt düsteres Drama vorlegt: Zwischen den dramatischen Szenen liegen heitere, ausgelassene Tage. Schieles Zeit in Wien mit Varietebesuchen – „Ich geh da nicht zum Vergnügen hin, das ist meine Arbeit“, so seine nicht ganz einwandfreie Rechtfertigung –, die wilde Zeit in Krumau mit der Künstlerkommune und die glücklichen Monate in der Neulengbacher Abgeschiedenheit.

Szene aus "Egon Schiele - Tod und Mädchen"

Thimfilm/Novotny Film

Schiele (Noah Saavedra) und Wally (Valerie Pachner)

Schiele zeichnet, malt, wirft sich und seine Modelle in Posen und ins Bett. Auf der Leinwand wirkt das alles aber ein wenig weichgespült: schöne, nackte Frauen, ein ebenfalls schöner, narzisstischer, bisweilen unsympathischer, aber letztlich doch blasser Schiele.

Das liegt weniger an Darsteller Saavedra, sondern an dem geringen Raum, den das Drehbuch für die Untiefen und Eigenheiten des so ausdrucksstarken Künstlers Egon Schiele lässt. Der Film bleibt weitgehend steril, obwohl Berner seinen Protagonisten eigentlich nicht verschont: „Du darfst alles, und ich darf nichts“, so beschreibt Gerti einmal die Ungerechtigkeiten, die sie durch die Vormundschaft des Bruders erleben muss. Man weiß nicht so recht, was diesen eigentlich antreibt – an der Oberfläche ist es jedenfalls die Zeichenmanie und die Verführung von Frauen.

Schieles höchst unterschiedliche Frauen

Die Frauen stehen auch im Zentrum des Films, sie führen, angelehnt an Hilde Bergers biografischen Roman „Tod und Mädchen“, durch die wichtigsten Lebensabschnitte. Da gibt es die anfangs erst 15-jährige Schwester Gerti, die nach dem Rauswurf aus der Akademie sein erstes und einziges Modell ist. Zwischen den Geschwistern besteht ein intimes, fast erotisches Verhältnis, bis Schiele nach einem Varieteabend – inklusive eines erfrischenden Kurzauftritts der kokett-wienerischen Besitzerin Nina Proll – mit der schwarzen Tänzerin Moa Mandu (Larissa Aimee Breidbach) aufkreuzt.

Dreharbeiten zu "Egon Schiele - Tod und Mädchen"

Thimfilm/Novotny Film

Saavedra und Regisseur Berner (rechts) bei den Dreharbeiten

Nunmehr wird diese zu seiner Muse, nicht unbedingt zur Freude der eifersüchtigen Gerti, bis sie wiederum von Wally Neuzil (Valerie Pachner) abgelöst wird. Wally wird schließlich zu Schieles Lebensgefährtin und zu seiner wichtigsten Inspirationsquelle. Mit ihr lebt er in Krumau, dann in Neulengbach, ehe sie den Ort am Wienerwald wieder verlassen müssen – der gesellschaftliche Druck ist zu groß: Die wilde Ehe gilt als anstößig, der Künstler gerät mit seinen jungen Aktmodellen in Verruf und muss sich zu guter Letzt auch vor Gericht verantworten – Kindesmissbrauch und Entführung werden ihm vorgeworfen.

Konventionell, aber gut gespielt

Wally macht das alles mit, Pachner zeigt sie immer sympathisch, unkonventionell und zugleich bodenständig an Schieles Seite. Nur die Hochzeit mit der bürgerlichen Edith Harms kann sie ihm schließlich nicht verzeihen. Es geht bekanntlich alles böse aus: Wally stirbt als Krankenschwester im Kriegseinsatz an Scharlach, Schiele, tief betroffen, benennt sein Gemälde „Mann und Mädchen“ kurzerhand ins titelgebende „Tod und Mädchen“ um – wenig später sehen wir ihn selbst im Sterbebett.

Berners Historiendrama ist trotz einer kraftvollen Frauenperspektive eher konventionell geraten, beeindruckt aber mit den Schauspielerleistungen: Die Crew ist ungewöhnlich jung, neben dem erst 24-jährigen Saavedra überzeugen Pachner (29) und vor allem Riegner (24). Cornelius Obonyas Auftritt als Klimt mit Bart und wallendem Gewand ist kurz und gut.

Paula Pfoser, für ORF.at

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