Hotelbranche will keine Vorschriften
Sich für ein paar Tage in ein Wellnesshotel zurückziehen und dort etwas ausspannen - das machen seit Jahren immer mehr Österreicherinnen und Österreicher. Ein Wellness- und Spa-Bereich ist für immer mehr Hotels daher ein Muss. Doch die Vorstellungen der Erholungsuchenden entsprechen nicht immer der Realität.
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Ob man das als zu hohe Erwartungen oder überzogene Reklame wertet, ist wohl oft Ansichtssache. Es gibt auf jeden Fall einen Grund, wenn Wellnesstraum und -wirklichkeit auseinanderklaffen: fehlende Regeln und Definitionen, was als Wellnessbereich gelten kann. Der „Relax Guide“, der seit Jahren immer wieder tatsächliche oder scheinbare Mängel in dem Freizeitsegment aufzeigt, bemängelt nun bei einigen Wellnesshotels, dass sie über die Größe ihrer Wellnessbereiche falsche Angaben machen würden.
Eine Ansichtssache
„Seit 1999 hängt immer im Oktober und November, wenn der ‚Relax Guide‘ erscheint, der Haussegen bei uns schief, weil wir bei dem Wellnesshotelführer nicht beliebt sind, aber wir machen eben keine bezahlten Inseratenkampagnen“, sagt Hoteldirektorin Ulrike Gutheinz, die gemeinsam mit ihrem Mann Markus das Jungbrunn in Tannheim in Tirol führt. Das Jungbrunn ist ein 200-Betten Hotel, das mit dem Spruch wirbt, das „erste alpine Lifestyle-Hotel der Welt“ zu sein.
So wird etwa das Jungbrunn zwar als „hervorragend“ bewertet, bemängelt wird vom „Relax Guide“ aber, dass das Hotel mit 7.000 Quadratmeter Wellnesserlebnis werbe, die Spa-Flächen jedoch nur 2.150 Quadratmeter umfassen würden. In dieser Berechnung seien Fitnesszonen bereits mitgerechnet, so „Relax Guide“-Herausgeber Christian Werner.
Kritik am Kritiker
Das Ehepaar Gutheinz weist diese Aussage als falsch zurück. Ein beeideter Sachverständiger habe die Wellnessflächen des Hotels mit 7.300 Quadratmetern bemessen - das ist in etwa so groß wie ein Fußballfeld. Nicht inkludiert seien hier 1.500 Quadratmeter Liegefläche im Außenbereich. „Es gibt offenbar Unterschiede in der Betrachtungsweise, was als Spa-Fläche gezählt wird und was nicht“, so Markus Gutheinz im Gespräch mit ORF.at.
Keine gesetzliche Vorschrift
Und tatsächlich ist per Gesetz nicht definiert, was als Wellnessbereich gelten darf und was nicht. Die Frage, ob es nicht im Sinne einer besseren Orientierung für den Konsumenten wäre, wenn es genaue Vorgaben gäbe, wie groß und welche Ausstattung ein Wellnessbereich haben muss, um sich Wellnesshotel nennen zu dürfen, wird von Konsumentenschützern unterschiedlich eingeschätzt.
Der Verein für Konsumenteninformation (VKI) fühlt sich dafür nicht zuständig. Die Konsumentenschützer der Arbeiterkammern (AK) sagen, diese Frage müssten die Hotels untereinander regeln und könnten eine Art Gütesiegel erfinden. Die Wirtschaftskammer (WKÖ) glaubt nicht, dass sie so etwas vorschreiben könne, denn das wäre ein Eingriff in die unternehmerischen Entscheidungen der einzelnen Hoteliers.
Der Bademantel als Maß der Dinge
Im Jungbrunn hat man eine eigene Definition gefunden: Alle Bereiche, in denen sich die Gäste im Bademantel bewegen können, werden als Spa-Zone betrachtet. Alle Räumlichkeiten, wo es Liege- und Behandlungsflächen gebe, zählten als Wellnessbereich. Dazu zähle auch der 600 Quadratmeter große Bereich im Freien, der überdacht sei, wo die Gäste auch im Winter warm eingehüllt ruhen könnten, sagt Gutheinz.
Werner hält seinerseits fest: „Klar ist, dass Außenflächen kein Wellnessbereich sind, da sie nur bei entsprechender Witterung – also übers Jahr gesehen in der Minderheit der Tage – genutzt werden können.“ Man habe die kritisierten Anlagen von einem Ziviltechniker in Wien inkognito vermessen lassen. Es seien detaillierte Pläne angefertigt worden, die Genauigkeit der Berechnung sei auf plus/minus fünf Prozent garantiert, behauptet Werner.
„Ein Imageschaden für die Branche“
Sowohl die Hoteliervereinigung (ÖHV) als auch der Fachverband Hotellerie in der WKÖ laufen Sturm gegen diese Vorgangsweise. „Herr Werner treibt jedes Jahr eine neue Sau durchs Dorf. Das ist sein Vehikel, um Aufmerksamkeit zu bekommen. Bei diesem durchschaubaren Konzept machen wir als Hoteliervereinigung nicht mit, denn für unsere Branche, die im ‚Relax Guide‘ inseriert, läuft es auf einen Imageschaden hinaus“, erklärt ÖHV-Präsidentin Michaela Reitterer. Sie wolle aber nicht so weit gehen, einen Zusammenhang herzustellen zwischen bezahlter Werbeeinschaltung und der Bewertung durch den „Relax Guide“.
Der Geschäftsführer des Fachverbandes Hotellerie in der Wirtschaftskammer, Matthias Koch, sagt: „Wir haben jedes Jahr um diese Zeit, wenn der ‚Relax Guide‘ erscheint, die immer selben negativen Schlagzeilen. Herrn Werner geht es um sein Geschäftsmodell, und das ist der Verkauf seiner Guides“. Undercover-Messungen seien für den Fachverband keine glaubwürdigen Aussagen. Die Zählung von Quadratmetern sei nicht sinnvoll, meint Koch. „Das Durchgehen mit dem Maßband erscheint mir nicht seriös“, so der Fachverbandsobmann.
„Unsere Fläche kann jeder nachmessen“
Der General Manager eines anderen vom „Relax Guide“ kritisierten Hotels, Henning Reichel vom Kempinski Das Tirol in Jochberg nahe Kitzbühel, sagt gegenüber ORF.at: „Ich habe keine Ahnung, wie der ‚Relax Guide‘ darauf kommt, dass von unseren 3.600 Quadratmetern weniger als ein Drittel als Wellnessbereich zu bezeichnen sei. Wir wurden nie gefragt, wir haben aber auch keinen Grund zur Rechtfertigung, denn unsere Fläche kann jeder nachmessen.“
Information für den Hotelgast
Ob der Gast Zeit und Muße oder Lust hat, mit dem Maßband durch die Wellness- und Spa-Zonen von Luxushotels zu gehen, darf bezweifelt werden. Was zählt, ist wohl, ob man sich als Gast wohlfühlt und gut betreut wird. Und hier rät auch der Fachverband den Gästen, sich genau zu informieren, ob das Angebot der Wellnesshotels sich mit den eigenen Bedürfnissen deckt, und betont: Hotelführer, Websites mit Gästebewertungen, Werbebroschüren und Auszeichnungen wie Sterne, Lilien und Hauben gäbe es ja zur Genüge.
Brigitte Handlos, ORF.at
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