Gemeinsame Standards
Während bis dato jeder zum Thema Artificial Intelligence (AI), also künstliche Intelligenz (KI), seine eigenen Forschungen betrieben hat, wollen mit Amazon, Facebook, Google und Tochterunternehmen DeepMind, IBM sowie Microsoft fünf Technologie- und IT-Riesen künftig ihre Kräfte bündeln. Dabei will man sich auf gemeinsame Standards einigen und gleichzeitig ein breites Verständnis für die Materie in der Bevölkerung schaffen.
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In einem öffentlichen Statement betont die neu gegründete gemeinnützige Organisation Partnership on AI, die gewonnenen Erkenntnisse aus dem Zusammenschluss sollen vorwiegend „Menschen und Gesellschaft zugutekommen“. Weniger gespreizt gesagt: Den Menschen soll die Angst vor einer möglichen Machtübernahme der Maschinen, vor Robotern, die Menschen Jobs streitig machen, vor außer Kontrolle geratenen Computern und vor anderen Dystopien genommen werden.
Künstliche Intelligenz bestimmt den Alltag
Schließlich bestimmt künstliche Intelligenz unseren Alltag bereits jetzt in hohem Ausmaß, seien es Spracherkennungssoftware, die KI-Fähigkeit, Gesichter auf Fotos in Sozialen Medien zu erkennen und zuzuordnen sowie Spamfilter. Wie das US-Radionetzwerk NPR in einem Beitrag herausstreicht, fehlt bisher allerdings ein Katalog, der ethische Standards in Sachen KI auflistet. Diese Lücke soll mit dem neuen Konsortium geschlossen werden.
Nicht an Bord des Konsortiums sind allerdings zwei große Player, deren Mitgliedschaft nur konsequent gewesen wäre. Apple etwa ist nicht Teil der Gruppe. Dabei wurde seitens des Konzerns laut verkündet, sich in KI-Belangen wie Gesichtserkennung und Sprachsteuerung hervortun zu wollen. Allein: Das Unternehmen ist dafür bekannt, auch dann noch eigene Wege zu gehen, wenn sich die Konkurrenz in Kooperation übt.
Weitere Mitglieder in Zukunft möglich
Eric Horvitz von Microsoft, einer der beiden interimistischen Kovorsitzenden des Zusammenschlusses, sagte gegenüber dem britischen „Guardian“, dass es Gespräche mit Apple gebe. „Ich weiß, dass sie von unseren Bemühungen begeistert sind, und ich persönlich hoffe, dass sie sich uns anschließen werden.“
Auch nicht in der Gruppe vertreten ist OpenAI, eine von Tesla-Gründer Elon Musk initiierte Non-Profit-Organisation, die sich mit der Erforschung künstlicher Intelligenz beschäftigt und eines der finanziell am besten aufgestellten unabhängigen KI-Forschungslabors ist. OpenAI-Mitbegründer und Technischer Direktor Greg Brockman zeigte sich von der Gründung der Partnerschaft angetan. „Koordination innerhalb der Industrie ist gut für alle“, so Brockman gegenüber dem „Guardian“. „Wir warten mit Spannung darauf, dass Non-Profits in Zukunft als vollwertige Mitglieder aufgenommen werden.“
Auch Philosophen und Ethiker involviert
Während das erste Hauptaugenmerk des Konsortiums auf Aufklärung und Beschwichtigung liegt, liegt das zweite darauf, dass nicht nur die größten Namen der Branche zusammenarbeiten, sondern auch Experten, die mit der Industrie für gewöhnlich nichts gemein haben, bei bestimmten Themen eingebunden werden.
Dem US-amerikanischen Technikportal The Verge zufolge sollen Philosophen und Ethiker Input liefern, wenn menschliches Leben auf dem Spiel steht, beispielsweise beim Einsatz von KI in der Gesundheitsversorgung und im Straßenverkehr. „Als in der Industrie tätige Wissenschaftler nehmen wir das Vertrauen, das Menschen in uns setzen, sehr ernst, und wir versichern, dass Fortschritte nur unter allergrößter Berücksichtigung menschlicher Werte vollzogen werden“, sagt Yann LeCun, Vertreter von Facebook im Konsortium, in einer Aussendung.
Problematische Zwischenfälle
Auch für Subbarao Kambhampati, Professor für Computerwissenschaften an der Arizona State University und Präsident der Association for the Advancement of Artificial Intelligence (AAAI), gilt es, ethisch sorgsam vorzugehen. Gegenüber NPR betont er, dass zwar der alltägliche Umgang mit künstlicher Intelligenz meist reibungslos ablaufe, es aber dennoch zu problematischen Zwischenfällen kommen könne.
Erst im Sommer musste etwa Microsoft ein Experiment mit einem Chatbot auf Twitter nach wenigen Stunden abbrechen. Wegen fehlender Filter war es Nutzern gelungen, das Programm dazu zu bringen, rassistische Botschaften und Beleidigungen zu wiederholen. Bei einer Fahrt mit der Autopilotfunktion eines Tesla-Elektroautos kam es kurz davor gar zu einem tödlichen Unfall.
Alltägliches statt Endzeitszenarien
„Füttert man einen lernenden Algorithmus mit einem Haufen Daten, so wird er darin ein Muster finden. Innerhalb der KI-Branche weiß das jeder“, sagt Kambhampati. „Dass das Ergebnis dieses Vorgangs unabsichtlich Stereotype hervorrufen, unabsichtlich diskriminieren kann, ist derzeit ein großes Thema. Denn diese Technologien treffen tatsächlich sehr große Entscheidungen in unserem Alltag.“
Kambhampatis AAAI sitzt auch im Konsortium. Er verspricht sich von der neuen Gruppierung Lösungsansätze für genau diese im Alltag auftauchenden Probleme - und weniger für mögliche in ferner Zukunft liegende Endzeitszenarien, wie man sie etwa aus Filmen wie der „Terminator“-Reihe kennt.
Keine Lobbyingorganisation
Der allgemeine Zugang von Partnership on AI ist jedoch rundum positiv und optimistisch. „Wir befinden uns im goldenen Zeitalter maschinellen Lernens und künstlicher Intelligenz“, sagt Amazons KI-Leiter Ralf Herbrich, eines der Mitglieder des Konsortiums von der US-amerikanischen Wirtschaftszeitschrift, in einem Statement des Konsortiums.
„Diese Partnerschaft wird gewährleisten, dass wir die besten und hellsten Köpfe aus diesem Geschäftsfeld heranziehen werden, um das Vertrauen der Kunden und den Nutzen für die Gesellschaft zu verbessern.“ Eines wird dabei jedoch kräftig bestritten: dass es sich bei der Partnerschaft um eine Lobbyingorganisation handle. Man habe sich schlicht und einfach mit Haut und Haaren dem Thema künstliche Intelligenz verschrieben.
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