Reaktion auf „Praxisprobleme“
Mit einem „Sicherheitskabinett“ und erweiterten Befugnissen für das Bundesheer will sich die Regierung für künftige Krisen- und Katastrophenfälle rüsten. So lauten die Kernpunkte des neuen Krisenmanagements, die am Dienstag nach dem Ministerrat der Öffentlichkeit vorgestellt wurden.
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Das sechsköpfige „Sicherheitskabinett“ soll im Bedarfsfall auf Beschluss der Bundesregierung zusammentreten und die Koordination übernehmen. Die Einberufung könne „in Kürze“, „am selben Tag noch“ erfolgen, wie Innenminister Wolfgang Sobotka (ÖVP), der unter anderen mit Verteidigungsminister Hans Peter Doskozil (SPÖ) nach der Regierungssitzung vor die Presse trat, auf Anfrage sagte. Es gehe darum, „unbürokratisch, schnell, richtig entscheiden zu können“, sagte Staatssekretär Harald Mahrer (ÖVP).

APA/Roland Schlager
Sobotka, Mahrer, Kultur- und Verfassungsminister Thomas Drozda (SPÖ) und Doskozil (v. l. n. r.) beim Pressetermin nach dem Ministerrat
Ein Durchgriffsrecht für den Kanzler werde es Sobotka zufolge nicht geben. Wie in der Verfassung bereits jetzt vorgesehen, werde die Beschlussfassung auch weiterhin bei den zuständigen Ministerien liegen. Es gebe „keine Veränderung der geübten Praxis“, so Sobotka mit Verweis auf das Beispiel Katastrophenschutz zu dem mit dem Koalitionspartner gefundenen „Schulterschluss“. Man strebe eine „verfassungsrechtlich einwandfreie Form“ an und eine „wesentliche Richtungsstellung“, wer letztlich die Verantwortung trage, wie Sobotka weiter sagte.
Neue Regeln für den Krisenfall
Eine schnellere Reaktion auf Krisenfälle - so lautet die Zielsetzung der am Dienstag nach dem Ministerrat vorgestellten Pläne für ein neues Krisenmanagement.
„Status quo ins Gesetz“
Doskozil zufolge schreibe man auch mit den erweiterten Kompetenzen für das Heer eigentlich einen Status quo ins Gesetz. Derzeit bewachen etwa Soldaten ausländische Botschaften im Rahmen eines Assistenzeinsatzes. Dauert dieser zu lange, wäre das nicht im Sinne der Verfassung. Daher soll es künftig per Regierungsbeschluss möglich sein, solche Einsätze als „originäre Aufgabe des Bundesheeres“ zu definieren. Genauso könne man auch beim „Schutz der kritischen Infrastruktur“ verfahren. Nach einem Festnahmerecht für Soldaten befragt, verwies Doskoszil auf die bereits gültigen Regeln. Konkret sei bei entsprechendem Beschluss auch beim Assistenzeinsatz schon ein Festnahmerecht möglich.
Bilaterale Verträge für Luftraumüberwachung
Da das „bisher nicht immer rechtlich klargelegt“ sei, soll es laut Doskozil nun auch eine gesetzliche Klarstellung darüber geben, dass die „militärische Gefahrenabwehr aus der Luft“ Kompetenz des Verteidigungsressorts sei. Zudem soll es in Zukunft möglich sein, mit den Ländern 15a-Vereinbarungen über umfassende Katastrophenhilfe und Rettungseinsätze abzuschließen.
In Sachen Luftraumüberwachung soll das Bundesheer überdies bilaterale Verträge mit Nachbarstaaten anstreben. Vor allem die immer wieder diskutierte „Nacheile“ (die Grenzüberschreitung bei der Verfolgung von Flugzeugen) soll so eine Basis erhalten. Nach Ansicht Doskozils ist das mit der Neutralität vereinbar, wie er auf eine entsprechende Frage sagte.
Sobotka kündigte unterdessen auch eine verstärkte Zusammenarbeit von Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung, Heeresnachrichtenamt und Heeresabwehramt als „ganz wesentlich“ in der Terrorprävention an. Es werde „verstärkte Prävention“ im öffentlichen Raum geben, und das ist laut Sobotka „auch eine Frage der Überwachung“.
„Form der politischen Aufarbeitung“
Mit dem neuen Krisenmanagement will die Regierung auch auf die Flüchtlingskrise des Vorjahres reagieren. Laut ORF-Reporter Wolfgang Geier ist es somit eine „Form der politischen Aufarbeitung“.
Noch offene Fragen
Ohne die „verfassungsmäßigen Kompetenzen zu durchbrechen“, wolle man nach den „Praxisproblemen“ vor einem Jahr ein besseres Krisenmanagement erreichen, sagte Vizekanzler Reinhold Mitterlehner (ÖVP) mit Blick auf die damals chaotischen Szenen im Rahmen der laufenden Flüchtlingskrise. Laut Mitterlehner sind beim „Sicherheitskabinett“ noch einige Fragen offen - etwa, für welche Dauer es eingerichtet werde könne, und auch, ob man allenfalls eine parlamentarische Kontrolle brauche.
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