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Ein Mörder mit Herz

Die 9.000-Einwohner-Ortschaft Pregau ist wunderschön: Es gibt eine Tierkörperverwertung, der Jakobsweg kreuzt, und eine eigene Autobahnabfahrt steht zur Verfügung. Wäre da nicht eine Romeo-und-Julia-Geschichte, die einen Mord nach dem anderen auslöst.

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An den „Second Screen“ hat man sich heute bereits gewöhnt. Damit ist aber nicht unbedingt das Facebook-Checken auf dem Handy gemeint, während man die Nachrichten anschaut - sondern eine sinnvolle Ergänzung des TV-Inhaltes. Bei Sportevents etwa können Zwischenstände und Tabellen eingeblendet werden. Aber im fiktionalen Bereich? Für den ORF/ARD-Vierteiler „Pregau“ hat man sich etwas einfallen lassen.

Szene aus "Pregau"

ORF/Mona Film/Petro Domenigg

Polizist Hannes (Maximilian Brückner), flankiert von seiner Frau Maria (Ursula Strauss, l.) und seiner Nichte Rosa (Zoe Straub)

Aber zuerst zur Story. Zwei verfeindete Familiendynastien geben in Pregau nicht nur wirtschaftlich den Ton an - die Hartmanns und die Hölzls. Was niemand wissen darf: dass die jungen Sprösse Rosa Hartmann und Gregor Hölzl ein Paar sind. Nach einer Feier lässt Gregor Rosa mit dem Auto fahren - obwohl sie keinen Führerschein hat und betrunken ist. Als der Polizist Hannes, der bei den Hartmanns eingeheiratet hat, die beiden aufhält, verführt Rosa ihn direkt neben der Straße, damit er dichthält: Sex mit der Nichte - und deren Freund als Zeuge, das kann nicht gutgehen.

Sendetermine im Überblick

  • Montag, 26.9., 20.15 Uhr: Pregau - Kein Weg zurück: Der Fehler (1/4)
  • Dienstag, 27.9., 20.15 Uhr: Pregau - Kein Weg zurück: Die Lügen (2/4)
  • Freitag, 30.9., 20.15 Uhr: Pregau - Kein Weg zurück: Die Erpressung (3/4)
  • Dienstag, 4.10., 20.15 Uhr: Pregau - Kein Weg zurück: Der große Tag (4/4)

Jeweils in ORF eins, im Livestream und in tvthek.ORF.at

Vom Sittenbild zum Schlachtfest

Und es geht nicht gut. Gregor und Rosa haben einen Unfall, den Rosa nicht überlebt. Hannes fühlt sich schuldig, schließlich hätte er die beiden nicht weiterfahren lassen dürfen. Dabei scheint gerade Hannes eigentlich der Einzige zu sein, der in Pregau das Herz am rechten Fleck hat und nicht bei den mafiösen Spielchen der beiden Familien mitmacht.

Hannes’ Problem: Es gibt Zeugen, und plötzlich gerät er nicht nur in den Mahlstrom der korrupten Machenschaften seiner Familie, sondern wird auch noch gehörig unter Druck gesetzt. Das Töten beginnt - wobei: Eigentlich „passiert“ es einfach. „Pregau“ entwickelt sich im Laufe der vier Folgen vom Sittenbild zum Schlachtfest.

Der Lügendetektor läuft mit

Aber wie konnte es dazu kommen? Das erschließt sich vor allem dann, wenn man den „Second Screen“ nutzt - Die kostenlose „Pregau“-App. Deren zentrales Element ist ein Onlineprofiler, der von einem Lügendetektor unterstützt wird. Im Verlaufe der Ausstrahlung der jeweiligen Episoden werden Dossiers zu ausgewählten Charakteren freigeschaltet. Inhalt dieser Dossiers: umfangreiche (kriminal-)psychologische Profiling-Notizen, die in Zusammenarbeit mit dem Gerichtspsychiater Reinhard Haller erarbeitet wurden, der die Hauptcharaktere und deren Handlungen psychologisch analysiert.

Szene aus "Pregau"

ORF/Mona Film/Petro Domenigg

Die App im Einsatz: Links die Dossiers, rechts der Lügendetektor

Professor Haller gegenüber ORF.at: „In der Hauptfigur dieses Filmes wird die Entwicklung nachgezeichnet, wie ein eigentlich gesunder, man möchte eigentlich sagen, der einzig Gesunde im ganzen Film, durch verhängnisvolle Abläufe, die an eine griechische Tragödie erinnern, und wo Kränkungen eine ganz zentrale Rolle spielen, plötzlich in eine ganz andere Rolle hineinkommt und am Schluss sich wirklich, wie wir das bei Gekränkten oft erleben können, in eine narzisstische Größenposition hineinkommt, in eine Art narzisstischen Größenwahn, wo er dann in einer Endzeitstimmung letztlich diesen Rausch auslebt.“

Aber die App kann mehr - so screent ein Lügendetektor während der Ausstrahlung der Folgen alle Dialoge live und schlägt sofort aus, sobald ein Protagonist in „Pregau“ lügt. So viel darf verraten werden: Er schlägt dauernd aus - hier kocht jeder sein eigenes Süppchen, und Ehrlichkeit ist dabei keine Zutat. Ebenfalls Teil des Onlineangebots: ein Videoblog-Tagebuch von Hannes’ Tochter Sandra, aus ihrer sehr subjektiven Sicht auf die düsteren Machenschaften in Pregau.

„Twin Peaks“-Stimmung

Sandra ist auch eine jener Figuren, die dem Vierteiler neben dem Song am Anfang einen etwas mystischen „Twin Peaks“-Touch geben. Sandra leidet unter einer seltenen Krankheit, die hypersensibel macht. Sie kann kommende Ereignisse vorahnen und aufgrund winziger Details auf das große Ganze schließen, das dahinter steht. Während der verhängnisvollen Ereignisse ist sie gerade bei ihrer Familie auf Urlaub, sonst lebt sie in einer betreuten WG.

Szene aus "Pregau"

ORF/Mona Film/Petro Domenigg

Der tödliche Unfall, mit dem das Unheil erst beginnt; Polizeichef Oswald (Wolfram Berger, l.) und Hannes

Die zweite mystische Figur ist Max Dirmeyer - ein Ex-Häftling, Sonderling und Messie, gleichzeitig aber die Figur, die immer am besten über alle Begebenheiten Bescheid weiß und offenbar immer intelligenter ist, als es ihr guttut. Dirmeyer wird von Armin Rohde gespielt, einem der besten Nebendarsteller, die das deutsche Fernsehen zu bieten hat.

Die Stars

Überhaupt sind die Zusammensetzung des Cast und das Zusammenspiel der Schauspieler außerordentlich gelungen. Hannes wird von Ex-„Tatort“-Kommissar Maximilian Brückner gespielt. Beim „Tatort“ war er an der Seite des glatzköpfigen Schnauzbartträgers Stefan Deininger (gespielt von Gregor Weber) als Kommissar Franz Kappl zu sehen. Das Polizistenteam rund um Hannes hat es sowieso in sich: Wolfram Berger als Chef, bauernschlau und trotzdem immer knapp daneben liegend; Robert Palfrader in einer ernsten Rolle - ja, das geht -, als Streber und Durchblicker; an ihrer Seite als Sensibelchen in Uniform ein weiterer „Tatort“-Star: Antoine Monot Jr., der als Leo Uljanoff gemeinsam mit Inga Lürsen ermittelt hatte (Uljanoff und Lürsen hatten ein Verhältnis).

Hannes’ Tochter Sandra wird von Antonia Jung geheimnisvoll und glaubwürdig gespielt. Über jene Schauspielerin, die Hannes’ Ehefrau Maria gibt, braucht man nicht viele Worte zu verlieren: Ursula Strauss, die sich noch jede Figur völlig zu eigen gemacht hat. Die beiden „Paten“ Hartmann und Hölzl werden von Wolfgang Böck und Helmut Berger gegeben - zwei würdige böse Kontrahenten. In Nebenrollen spielen noch Gerhard Liebmann (unvergesslich in „Blutgletscher“), Kabarettist Thomas Stipsits (als Pfarrer) und Burgtheater-Mimin Petra Morze.

Auch Spaß muss sein

Die junge Riege überzeugt ebenfalls durch die Bank. Nikolai Gemel, der zuletzt in einem der besten österreichischen Filme überhaupt glänzte („Superwelt“) und Thomas Schubert („Das finstere Tal“) spielen die Brüder der beim Umfall verstorbenen Rosa, die wiederum von Song-Contest-Star Zoe Straub gespielt wird, die nicht nur in jüngsten Jahren als Confetti-Star vor der ORF-Kamera stand, sondern auch für die „Vorstadtweiber“.

Zusammenfassend lässt sich sagen: „Pregau“ kombiniert das mystische Element von „Twin Peaks“ mit dem lakonisch-absurden Humor der Coen-Brüder, der brachialen Gewalt eines Quentin Tarantino und dem schonungslosen Blick der „Alpen-Saga“ auf die Schattenseiten Österreichs. Getragen wird der Vierteiler von einem handverlesenen Team an Schauspielern und untermauert von einer App, die tief blicken lässt und mit dem Lügendetektor auch Spaß macht.

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