Gewalt „von Zivilisten gegen Zivilisten“
In der US-Südstaatenstadt Charlotte hat der Gouverneur des Bundesstaats North Carolina am Mittwochabend (Ortszeit) den Ausnahmezustand ausgerufen und die Nationalgarde mobilisiert. Sie soll die Polizei in Charlotte unterstützen, wo es nach den tödlichen Polizeischüssen auf einen Afroamerikaner die zweite Nacht in Folge gewaltsame Zusammenstöße gab. Ein Mann schwebt nach Schüssen in Lebensgefahr.
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Bei einer Protestkundgebung gegen das Vorgehen der Polizei fielen laut Behördenangaben in der Nacht auf Donnerstag Schüsse, die einen Demonstranten lebensgefährlich verletzten. Ihre ursprüngliche Erklärung, der zufolge der Demonstrant an den Schüssen gestorben sei, zog die Stadtverwaltung zurück. Der Mann sei in kritischem Zustand und an lebenserhaltende Systeme angeschlossen, wurde Donnerstagfrüh klargestellt.
Anfangs friedliche Kundgebung
Die Schüsse seien nicht von der Polizei abgegeben worden, so die Stadtverwaltung. Es habe sich vielmehr um Gewalt „von Zivilisten gegen Zivilisten“ gehandelt. Nähere Informationen zu Opfer und Schützen lagen zunächst nicht vor. Zumindest acht weitere Menschen, sowohl Demonstranten als auch Polizisten, wurden laut Angaben der Stadtverwaltung bei der Kundgebung, die als friedliche abendliche Mahnwache begonnen hatte, leicht verletzt.

APA/AFP/Nicholas Kamm
Die Proteste hatten friedlich begonnen
Den zweiten Tag in Folge hatten sich am Mittwochabend mehrere hundert Demonstranten in der Innenstadt versammelt. Vor einem Hotel kam es dabei zu Zusammenstößen zwischen Demonstranten und der Polizei, nachdem schwer bewaffnete Spezialeinheiten aufmarschiert waren. Sondereinsatzkräfte der Polizei setzten Tränengas gegen Demonstranten ein. Kundgebungsteilnehmer bewarfen die Polizisten mit Steinen, schlugen auf Scheiben von Polizeifahrzeugen ein und kletterten auf Autos.
Polizei hält Video von Anlassfall zurück
Anlass für den neune Ausbruch der Unruhen waren einmal mehr tödliche Schüsse auf einen Afroamerikaner. Ein schwarzer Polizist hatte am Dienstagabend auf dem Parkplatz eines Reihenhauskomplexes in Charlotte den ebenfalls schwarzen Keith Lamont Scott erschossen. Scotts Wagen war von Polizisten bei der Suche nach einem Verdächtigen umstellt worden, er hatte laut Polizei eine Schusswaffe dabei, was die Angehörigen des Opfers bestritten.
Der 43-Jährige habe seinen Sohn vom Schulbus abholen wollen und ein Buch in den Händen gehalten, sagten Angehörige. Die Polizei widersprach diesen Angaben: Bei dem Toten sei eine Waffe gefunden worden, kein Buch. Einer der Beamten habe sich bedroht gefühlt und geschossen. Neben den Angehörigen fordern auch Bürgerrechtsgruppen die Veröffentlichung des Videos vom Polizeieinsatz, was die Exekutive jedoch unter Berufung auf „laufende Untersuchungen“ verweigert.
Supermarktauslagen wichtiger als Aufklärung?
Charlottes Bürgermeisterin Jennifer Roberts hatte die Bürger am Mittwoch vergeblich gebeten, daheim zu bleiben und von Gewalttaten abzusehen. „Bitte sagen Sie jedem, dass Gewalt keine Antwort ist“, richtete sich Roberts per TV an die Bürger. John Barnett, Vertreter einer der federführenden militant ausgerichteten Bürgerrechtsgruppen, konterte, die Stadt sei offenbar eher am Schutz von Supermarktauslagen als an Aufklärung interessiert.

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Schon in der Nacht auf Mittwoch hatte es Ausschreitungen gegeben
Obama bietet „Unterstützung“ an
Am Mittwoch hatte US-Präsident Barack Obama mit Roberts und dem Bürgermeister der Stadt Tulsa in Oklahoma telefoniert, wo es nach tödlichen Polizeischüssen auf einen Afroamerikaner ebenfalls zu Ausschreitungen gekommen war. „Der Präsident drückte beiden Bürgermeistern sein Mitgefühl hinsichtlich der tragischen Vorkommnisse aus und bekräftigte die Bereitschaft der Regierung, wenn nötig Unterstützung zu leisten“, sagte Obamas Sprecher.
In den USA wird seit Monaten über Polizeigewalt debattiert. Mehrere Vorfälle, bei denen Polizisten unbewaffnete Schwarze töteten, lösten landesweite Proteste aus. Erst am Freitag war ein 40-jähriger Afroamerikaner in Tulsa von der Polizei erschossen worden. Seit tödlichen Schüssen auf den unbewaffneten afroamerikanischen Teenager Michael Brown in der Stadt Ferguson im August 2014 kam es immer wieder nach entsprechenden Vorfällen zu Unruhen.
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