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Das ist nicht Disney World

Wer im Leben alles richtig machen will, hat es mit Kindern schwer. In der sympathischen Milieukomödie „Was hat uns bloß so ruiniert“ inszeniert Marie Kreutzer ihr bewährtes Darstellerteam um Pia Hierzegger und Manuel Rubey als hippe Jungeltern, die sich im Biosupermarkt existenziellen Fragen stellen: glutenfreie Hirsebällchen, vegane Reiscracker oder eine Affäre beginnen mit dem Partner der Freundin?

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„This is not fucking Disneyworld“ steht an der Tür der Wiener Altbauwohnung, hinter der Stella (Vicky Krieps) und Markus (Marcel Mohab) wohnen. Licht flutet durch die hohen Räume, das Parkett ist gewachst, die Möblierung minimalistisch und durchsetzt mit ironischen Zitaten aus dem 60er-Vintagemöbelgeschäft ums Eck. Stella und Markus sind ein Paar wie viele andere - um die 30, gut aussehend, stilsicher und in etwa das, was die Medien gerne Bobos nennen – Bourgeoise Bohemiens.

Szene aus dem Film "Was hat uns bloß so ruiniert"

Juhani Zebra/Thimfilm

Chris (Manuel Rubey) und Stella (Vicky Krieps) bei der Geburtsvorbereitung

Ihre Selbstdefinition speist sich aus bewussten Konsumentscheidungen: Möglichst wenig arbeiten und dem Kapitalismus durch Kreativität ein Schnippchen schlagen. Sobald allerdings Kinder ins Spiel kommen, endet der hedonistische Schwebezustand. Nun verlangt die Brut mehr Pflege als das eigene Lebensgefühl - und bald stellen sich die sechs Jung-Papas und -Mamas in Kreutzers Film die titelgebende Frage: Was hat uns bloß so ruiniert?

Eine gute Hand fürs Ensemble

Nach ihrem ersten Langfilm „Die Vaterlosen“ (2011), dem Porträt einer steierischen Hippiekommune, und der atmosphärisch dichten Doris-Knecht-Verfilmung „Gruber geht“ (2015) hat die 39-jährige Regisseurin Kreutzer mit „Was hat uns bloß so ruiniert“ einen weiteren entspannten Ensemblefilm vorgelegt. Offenbar liegt ihr die Arbeit mit einer großen Darstellergruppe - die hier sogar drei Kleinkinder umfasst. Der Schnitt (Ulrike Kofler) ist temporeich, und das Timing der Pointen sitzt, wenn drei befreundete Paare laut Kreutzers Drehbuch gleichzeitig Eltern werden und sich in einer Welt voller neuer Entscheidungen zurechtfinden müssen.

Da sind einmal besagte Stella und ihr Freund Markus. Stella ist Filmemacherin, die sich ihren Traum von der künstlerischen Langzeitdoku mit Werbefilmen für Tampons finanziert. Was Markus macht, weiß man nicht so genau: Zumindest kocht er gute Curries und dreht seine Joints in Rekordzeit. Und eines wird überhaupt schnell klar: In der Jungelternwelt dieses Films sind die Frauen eindeutig das stärkere Geschlecht. Weil sie es wollen, und vielleicht auch weil sie es einfach müssen.

Krieps als Alter Ego der Regisseurin

Unter den Müttern nimmt wiederum Stella als Erzählerin aus dem Off eine Schlüsselposition ein. Ihre skeptischen Beobachtungen am eigenen Körper bescheren dem Film seine intimsten und witzigsten Momente: „Die Macht der Hormone kannst du nur unterschätzen, wenn du noch nie die volle Breitseite abgekriegt hast“, sagt Stella, die sich auch in ihrer Mutterrolle ein Stück mädchenhaften Trotzes bewahrt hat. Während andere Paare im Geburtsvorbereitungskurs den Wellentanz proben, kann sie sich das Grinsen nicht verkneifen.

Szene aus dem Film "Was hat uns bloß so ruiniert"

Juhani Zebra/Thimfilm

Selbstmedikation: Ines (Pia Hierzegger), Stella (Vicky Krieps) und Mignon (Pheline Roggan)

Stella-Darstellerin Krieps, der man für den Film braune Locken verpasst hat, sieht damit Regisseurin Kreutzer wohl nicht zufällig ziemlich ähnlich. Denn diese - übrigens wunderbar gespielte – Figur ist das lebendige Herz des Films. Mit der 16-Millimeter-Kamera filmt sie die Interviews, die „Was hat uns bloß so ruiniert“ als fragmentarischer Film im Film durchziehen.

Besonders rotzig vor der Kamera gibt sich Ines (Pia Hierzegger). Sie hat nie geplant, von On-off-Freund Chris (Manuel Rubey) schwanger zu werden. Aber dann ist es eben passiert. Nur Minuten nach der Geburt teilt sie dem Kindspapa mit, dass sie ihn nicht liebt - und er zieht bei ihr aus. Und auch bei den anderen beiden Filmpaaren kriselt es nach der ersten Euphorie gewaltig.

Übertreiben, aber nur ein wenig

Die schöne Französin Mignon (Pheline Roggan) lässt Kindsvater Luis (Andreas Kiendl) bei der Erziehung sowieso kein Wort mitreden. Alles will sie perfekt machen - und „zwingt“ ihrer Tochter Aimee (Amanda Seyfried) sicher keine Windeln auf. Gemeinsam mit den anderen Kindern, Lola (Livia Teppan) und Elvis (ein Mädchen mit Bubennamen; Marie Strohmaier), besucht Aimee, die Windelfreie, die „Kindergrupp’ Kartoffelsupp’“, in der sich Eltern über der Frage entzweien, ob Rosinen im Müsli böse sind oder nicht. Die Kunst von Kreutzers Drehbuch besteht auch darin zu übertreiben. Aber eben nur ein ganz klein wenig.

Szene aus dem Film "Was hat uns bloß so ruiniert"

Juhani Zebra/Thimfilm

Markus (Marcel Mohab) ist immer brav und lieb, Stella nicht

Man spürt, dass die Regisseurin - selbst Mutter einer Fünfjährigen – die Welt, die sie in „Was hat uns bloß so ruiniert“ so treffsicher porträtiert, von innen kennt (siehe Interview). Es ist eine hermetische Welt, wie man sie an den schönsten Plätzen in Berlin Prenzlauer Berg oder rund um den Wiener Karmelitermarkt findet. Job- und Geldsorgen kommen in ihr nicht vor. Es ist ein bisschen wie in Woody Allens New-York-Komödien: Alle sind irgendwie Künstler und wohnen trotzdem in den schönsten Apartments von Manhattan. Oder umgelegt auf Wien: Wenn Rubeys Chris abends seinen Volvo Kombi vor dem Cafe Drechsler parken will, steht der passende Parkplatz bereit.

Man könnte sagen, dass diese Komödie ihre Figuren behütet, wie Eltern ihre Kinder, um ihnen die Entwicklung ihrer kleinen Neurosen zu gestatten. Aber warum auch nicht? Schließlich geht es in „Was hat uns bloß so ruiniert“ um den Alltag in einer gewissen Phase des Lebens. Und der ist auch ohne das große, existenzielle Drama schwierig genug. Ganz im Sinne des Titelsongs der Hamburger Band Die Sterne: „Warst du nicht fett und rosig? Warst du nicht glücklich? Bis auf die Beschwerlichkeiten. Mit den anderen Kindern streiten, mit Papa und Mama ... Was hat dich bloß so ruiniert?“

Maya McKechneay, für ORF.at

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