Neukauf soll sich seltener auszahlen
Reparatur oder Neukauf? Für die Schweden soll diese Abwägung bald hinfällig werden. Die rot-grüne Regierung in Stockholm will mit neuen Steuerplänen dafür sorgen, dass sich das Wiederherstellen alter Dinge im Gegensatz zur Neuanschaffung auszahlt - egal, ob es sich um Schuhe, Kleidung, Kühlschränke oder Fahrräder handelt. Dafür finden sich zahlreiche Ansätze in den Budgetvorschlägen.
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Das Budget wurde am Dienstag dem Parlament vorgelegt. Darin wird vorgeschlagen, die Mehrwertsteuer auf Reparaturen zu halbieren: von 25 auf zwölf Prozent auf Güter wie Kleidung. Bei Reparaturen großer Gebrauchsgegenstände wie einer Waschmaschine soll es künftig möglich sein, Kosten vom Finanzamt zurückzuholen, wie der britische „Guardian“ berichtet. Gleichzeitig soll eine „Chemiesteuer“ eingeführt werden, die den Neukauf von Haushaltsgeräten und Computern verteuern soll. Damit soll den hohen Recyclingkosten solcher Produkte begegnet werden.
Eine PR-Offensive soll zudem das Thema ins Bewusstsein rücken. Das Parlament wird im Dezember über die neuen Vorschläge abstimmen, diese sollen ab nächstem Jahr gelten. Über die Steuererleichterungen für Reparaturen gab es bereits im Vorfeld weitestgehend Einigkeit.
Geteilt ist billiger
Die Anstöße sind ein weiterer Schritt des Umweltpioniers Schweden, seine Klimabilanz zu verbessern. Das skandinavische Land war bei vielen Umweltmaßnahmen Wegbereiter. Es hat seinen CO2-Ausstoß seit 1990 bereits um 23 Prozent gesenkt, zudem stammt rund die Hälfte der verbrauchten Elektrizität aus erneuerbaren Quellen. Es war auch eines der ersten Länder, die das Kyoto-Protokoll ratifiziert haben. Nun will Stockholm weiter Maßstäbe setzen.
Die Regierung orientiert sich dabei auch an Trends, die sich in Schweden größter Beliebtheit erfreuen, etwa der Sharing Economy - Dinge werden nicht mehr gekauft, sondern gemietet und geteilt. Bekannteste Beispiele sind etwa Carsharing oder - wenn auch nicht ohne Kontroverse - Geschäftsmodelle wie Airbnb, die mit geteilten Gütern enorme Gewinne einfahren.
Kosten und Ertrag
Dem schwedischen Konsumentenminister Per Bolund kam bei der Erarbeitung der neuen Steuerpläne eine Schlüsselrolle zu. Er schätzt laut der europäischen Nachrichtenwebsite New Europe, dass die Einschnitte bei der Mehrwertsteuer eine Reparatur um rund zwölf Prozent verbilligen werden.
Die Kosten fürs Budget belaufen sich allerdings allein bei den Erleichterungen bei Haushaltsgeräten auf 190 Millionen Schwedische Kronen (rund 20 Millionen Euro) im Jahr, für Räder und Kleidung auf 270 Millionen Kronen (28 Millionen Euro). Dafür soll die „Chemiesteuer“ mehr als 200 Millionen Euro im Jahr bringen.
Jobs für Migranten
Die schwedische Regierung hofft, zwei Fliegen mit einer Klatsche zu schlagen. Neben positiven Auswirkungen auf die Umwelt soll auch die dazugehörende Reparaturbranche stimuliert werden. Zudem werden auch bestimmte Hausarbeiten im neuem Budget steuerlich begünstigt, etwa Putzdienste oder Gärtnern.
All das soll auch dazu beitragen, Jobs für Migranten zu schaffen, die oft keine formale Qualifikation für den schwedischen Arbeitsmarkt haben. Über neue Stellen in Technikservices oder Hausdiensten könnten sie so in den Arbeitsmarkt integriert werden. Schweden ist eines der europäischen Länder, die die meisten Flüchtlinge aufnahmen. Im vergangenen Jahr waren es 163.000 bei zehn Millionen Einwohnern.
Wegwerfen als europäisches Problem
Auch für die Europäische Union ist die Abkehr von der Wegwerfkultur mittlerweile Thema. Damit das Reparieren gar nicht erst so oft nötig wird, sollen in der EU sukzessive billige Produkte durch langlebige Elektrogeräte ersetzt werden. Das Europäische Komitee für elektrotechnische Normung (CENELEC) ist momentan dabei, eine derartige Norm für den gesamten europäischen Markt zu erarbeiten. Auch der Leiter des Wiener Reparatur- und Servicezentrums (RUSZ), Sepp Eisenriegler, ist an der Entwicklung der Norm beteiligt. Diese soll 2020 in Kraft treten.
Damit will man die „geplante Obsoleszenz“ bekämpfen, also den vom Hersteller geplanten vorzeitigen Verschleiß von Produkten. Empirische Belege für die „geplante Obsoleszenz“ gibt es kaum. Nachgewiesen ist aber, dass die Nutzungsdauer von Gebrauchsgegenständen kontinuierlich sinkt - sowohl von Großgeräten als auch von Unterhaltungselektronik.
„Beim Konsum ansetzen“
Oft ist der Wunsch nach einem neuen Gerät Auslöser für den Neukauf. In Schweden setzt man hier an: Umweltthemen seien früher vernachlässigt worden, meinte Bolund laut der Nachrichtenplattform The Local. „Aber wenn wir die Probleme rund um Nachhaltigkeit und Umwelt in den Griff kriegen wollen, müssen wir beim Konsum ansetzen“, so der Grüne. Die Pläne sollten die Menschen „anstupsen“, sagte Bolund, „es den Leuten erleichtern, das Richtige zu tun“.
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