SPÖ sieht sich „verpflichtet“
Bei der ersten österreichweiten SPÖ-Mitgliederbefragung haben 88 Prozent der teilnehmenden Parteimitglieder gegen die vorläufige Anwendung des umstrittenen EU-Kanada-Handelsabkommens auf EU-Ebene gestimmt. Auch 89 Prozent der Nichtmitglieder sprachen sich dagegen aus. Beobachter hatten allein aufgrund der Formulierung der Fragen mit einem derartigen Ergebnis gerechnet.
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Insgesamt nahmen 23.730 Menschen an der Internetumfrage teil, davon 14.387 SPÖ-Mitglieder und 9.343 Nichtmitglieder. Eine hohe Ablehnung erfuhren auch Fragen, ob Schiedsverfahren im Zuge von CETA akzeptiert werden sollten und ob man eine „Senkung europäischer Qualitätsstandards“ durch das Abkommen hinnehmen solle.
Gefühlt geheim
SPÖ-Bundesgeschäftsführer Georg Niedermühlbichler sah „wie vermutet“ eine „große Skepsis in der Bevölkerung“, vor allem gegen „gefühlte“ Geheimverhandlungen. Die SPÖ fühle sich durch ihre Mitglieder unterstützt. Mit rund 7,5 Prozent sei die Beteiligung der SPÖ-Mitglieder über den Erwartungen gelegen. Die Befragung und die damit zusammenhängende Informationskampagne seien „wichtig und richtig“ gewesen, man habe damit noch einiges bewegen können.
Ob diese Bewegung, die es auch auf europäischer Ebene gebe, ausreiche, werde man sehen, so Niedermühlbichler. Ob die SPÖ nun allenfalls bis zu einer Blockade des Abkommens gehen will, hängt laut ihm von den von der EU-Kommission und Kanada angekündigten „Klarstellungen“ ab. „Dann könnte es schon sein, dass man sagt: Okay, dass reicht für uns, okay, wir blockieren es nicht“, so Niedermühlbichler. „Wenn es nicht so ist, dann sind wird dem verpflichtet, was wir erfragt haben.“
SJ sieht klaren Auftrag
Als einen klaren Auftrag an die Parteispitze, CETA abzulehnen, bezeichnete die Vorsitzende der Sozialistischen Jugend (SJ), Julia Herr, das Ergebnis der SPÖ-Mitgliederbefragung. Die SPÖ dürfe jetzt nicht denselben Fehler machen wie die SPD und Schritt für Schritt die selbst gesetzten roten Linien überschreiten, warnte Herr am Dienstag in einer Presseaussendung. Nur wesentliche Erfolge bei den Nachverhandlungen könnten eine Zustimmung ermöglichen. „Die von der EU-Kommission gesetzten Grenzen für Nachbesserungen manchen dies aber derzeit unmöglich“, so Herr. Sind die Ergebnisse nicht zufriedenstellend, müsse es konsequent zur Ablehnung kommen, so Herr weiter.
NGO’s: Ruf nach „klarem Veto auf EU-Ebene“
Ein „klares Veto gegen CETA auf EU-Ebene“ forderte unmittelbar nach der Präsentation der Resultate die Umweltschutzorganisation Global 2000. Dass etwa die deutsche Schwesterpartei SPD die Kritik an CETA am Montag auf ihrem Parteikonvent durch ein Paket an Nachbesserungen, Präzisierungen und Klarstellungen bei den Verhandlungen berücksichtigt hatte, reiche nicht. Bundeskanzler Christian Kern (SPÖ) müsse sich an das Votum der Internetbefragung halten.
Auch die Umweltschutzorganisation Greenpeace begrüßte die „überwältigende“ Ablehnung des Abkommens in der Befragung und sieht darin einen „Auftrag“ an Kern. Nun sei es „undenkbar“, dass die Unterzeichnung von CETA im Ministerrat beschlossen werde. Es brauche ein nochmaliges Aufschnüren des Verhandlungsergebnisses zwischen der EU und Kanada, andernfalls könne es „nur ein Veto Österreichs gegen den Vertrag geben“.
IV: Vertrag ist umzusetzen
Die Industriellenvereinigung (IV) rief indes dazu auf, die Umfrage realistisch zu bewerten. Einmal mehr trat die IV für eine „faktenbasierte Vorgehensweise“ bei CETA ein. „Wenn sich trotz monatelanger Kampagnisierung von NGOs und der größten Tageszeitung Österreichs schlussendlich nur rund 23.000 Österreicherinnen und Österreichern an einer Umfrage mit fünf Suggestivfragen beteiligen, kann das schwerlich eine fundierte Grundlage für die weitere Vorgangsweise der gesamten Bundesregierung sein“, so IV-Generalsekretär Christoph Neumayer am Dienstag in einer Presseaussendung.
„Fakt ist, dass wir einen unter Zustimmung und breiter Beteiligung Österreichs - und auch der SPÖ - fertig ausverhandelten Vertrag am Tisch liegen haben, den es umzusetzen gilt“, betonte Neumayer. Ohne jeglichen geänderten Sachverhalt nun das Abkommen wieder insgesamt aufzuschnüren entbehre jeder logischen Grundlage. Als kleine exportorientierte Volkswirtschaft dürfe Österreich die Chance auf Wachstum und Arbeitsplätze nicht leichtfertig verspielen.
Ergebnis für Androsch „massive Zustimmung“
SPÖ-Altfinanzminister Hannes Androsch interpretiert das Ergebnis als eine „massive Zustimmung“. Wenn von 200.000 SPÖ-Mitgliedern nur 14.000 dagegen stimmten, „dann sind 186.000 dafür. Das ist eine qualifizierte Mehrheit“, so Androsch gegenüber den „Salzburger Nachrichten“. „Wenn sie Nein sagen hätten wollen, hätten sie sich ja gemeldet“, so Androsch. Er empfahl sich darüber hinwegzusetzen.
Gegen das Wiener Konferenzzentrum hätten seinerzeit über eine Mio. Österreicher gestimmt, trotzdem sei es gebaut worden, weil die Mehrheit der Österreicher nicht an der Abstimmung teilgenommen hatte. Für das von ihm selber initiierte Bildungsvolksbegehren hätten auch 382.000 Menschen unterschrieben und „das Parlament hat sich darüber hinweggesetzt“. Androsch hält auch nichts von den Nachbesserungswünschen.
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