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Stückzahlen seit Jahren rückläufig

Eine stark sinkende Nachfrage auf den zentralen Märkten, Überkapazitäten und ein wohl verschlafener Trend: So lauten drei wesentliche Faktoren, die Beobachtern zufolge der Schweizer Uhrenindustrie schwer zu schaffen machen. Abgesehen von einem Lichtblick geben die jüngsten Exportzahlen weiter kaum Grund für Optimismus.

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Vielmehr sackten die Exporte auch im August erneut deutlich ab. Laut den am Dienstag veröffentlichten Zahlen der Schweizer Zollverwaltung gibt es ein Minus von 13 Prozent. Der Verband der Schweizerischen Uhrenindustrie (FHS) verweist zwar auf die im August um ein Viertel gestiegenen Verkäufe nach Großbritannien. Der Lichtblick ist allerdings „Brexit“-bedingt und beruht auf dem seit der Abstimmung über den EU-Austritt stark abgeschwächten Pfund.

Minus 28,7 Prozent in Hongkong

Großbritannien ist für die Schweizer Uhrenindustrie als viertwichtigster Abnehmer durchaus ein zentraler Player, die in Hongkong im August um 28,7 Prozent eingebrochenen Verkäufe zeigen dann aber wieder deutlich Richtung Krise. Mit sinkenden Verkaufszahlen kämpft die Schweizer Uhrenindustrie aber nicht nur auf seinem wichtigsten Markt. Auch im Mittleren Osten ging die Nachfrage nach Schweizer Uhren zurück. Die Exporte in die Vereinigten Arabischen Emiraten verringerten sich um zwölf Prozent, die Exporte nach Saudi-Arabien gar um 31,8 Prozent.

Von „gut laufenden“, mit Verweis auf Zahlen der Swatch Group sogar steigenden Verkäufen berichtete die „Neue Zürcher Zeitung“ („NZZ“) im Juli über das Geschäft auf dem chinesischen Festland. Seit mittlerweile vier Monate seien aber die Ausgaben chinesischer Touristen rückgängig, „und zwar zweistellig“.

Am Beispiel Richemont, das eigenen Angaben zufolge rund die Hälfte des Uhrenabsatzes in Europa Touristen verdankt, macht etwa der „Tagesanzeiger“ die Bedeutung dieser Käuferschicht für die Uhrenindustrie deutlich, und das lasse sich der Zeitung zufolge nicht nur als Erfolg interpretieren. „Mit anderen Worten: Das Geschäft in Europa liefe ohne Touristen noch viel schlechter.“

Apple Watch noch heuer Nummer eins?

In der von der chinesischen Regierung zuletzt von 30 auf 60 Prozent des Einkaufspreises angehobenen Steuer auf Luxusuhren ortet die „NZZ“ durchaus einen handfesten Grund. „Auch wenn dies die Uhrenhersteller nach wie vor nicht wahrhaben wollen“, sei ein weiterer Grund ein möglicherweise verschlafener Trend - konkret die neue Konkurrenz durch Smartwatches.

Auch wenn es noch keine offiziellen Umsatzzahlen gibt, vermutet die „NZZ“, dass Apple Watch bereits in diesem Jahr Rolex als weltweit umsatzstärksten Uhrenproduzent ablösen könnte. Als Anbieter einer „Vollblut-Smartwatch“ schwimme der Zeitung zufolge derzeit nur TAG Heuer „gegen den Trend“. Die Tochter des Luxuskonzerns LVMH gehöre aus diesem Grund auch zu den wenigen Schweizer Uhrenmarken, die im laufenden Jahr gewachsen seien.

Experte sieht Tausende Arbeitsplätze in Gefahr

Während die Uhrenindustrie von der Schweizer Regierung „dank der hochstehenden Qualität ihrer Produkte“ weiter als „Glanzstück der Schweizer Wirtschaft“ geadelt wird, warnt der mit der Branche vertraute Fachmann Gregory Pons gegenüber Swissinfo vor einer „tiefen und andauernder Krise“.

„Praktisch keiner der Akteure ergreift die notwendigen radikalen Maßnahmen, um die Strukturen einer neuen Marktrealität anzupassen“, kritisiert Pons, der allein für das laufende Jahr den Abbau Tausender Arbeitsplätze prophezeit. Konkret wirft Pons der an Überkapazitäten leidenden Uhrenindustrie vor, die Gewinne vergangener Zeiten lieber in „haarsträubende Marketingbudgets“ als in die Ausbildung von Uhrmachern bzw. Forschung und Entwicklung gesteckt zu haben.

Als „völlig überholt“ betrachtet Pons aber auch Slogans wie diese: „Wenn man mit 50 Jahren keine Rolex besitzt, hat man sein Leben verpfuscht.“ Teure Uhren würden zwar auch weiterhin verkauft - angesichts einer von Pons georteten „tief gehenden gesellschaftlichen Veränderung“ aber möglicherweise „viel weniger“.

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