„Rorschachtest“ für New York
New York wird im Jahr 2018 eine weitere Sehenswürdigkeit erhalten. Die Skulptur „Vessel“ des britischen Künstlers Thomas Heatherwick besteht aus 15 Stockwerken, verbunden durch 2.500 Stiegen, ist 45 Meter hoch, 600 Tonnen schwer und 150 Mio. Dollar (134 Mio. Euro) teuer - und sieht aus wie eine gigantische Stiege ins Nirgendwo.
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Die Renderings des Monuments wurden im September des Vorjahres erstmals der Öffentlichkeit vorgestellt. Lange beschäftigte die New Yorker die Frage, was „Vessel“ denn genau darstellen soll. Bürgermeister Bill de Blasio erwartete „Debatten und Diskussionen“, wie er bei der Präsentation sagte. „Wenn Sie 100 New Yorker fragen, werden Sie 100 verschiedene Meinungen über Ihre schöne Arbeit erhalten“, sagte der Politiker in Richtung Heatherwicks.
Auf den 154 ineinandergreifenden Treppen können Besucher sitzen und herumklettern, aber auch ein Aufzug führt an die Spitze. Die Beton- und mit Bronze überzogenen Stahlteile werden derzeit im italienischen Monfalcone gefertigt. „Das wird einer der großartigsten öffentlichen Plätze in New York werden“, sagte Bürgermeister De Blasio. „Ein Ort, an dem man gewesen sein muss und den man bestiegen haben muss, eine ikonische Sehenswürdigkeit.“
Herzstück von Hudson Yards
„Vessel“ wird das Herzstück des neuen Stadtviertels Hudson Yards. Auf dem derzeit von Schienen durchzogenen Gebiet im Nordwesten Manhattans sollen bis 2025 ein Gebäudekomplex aus Wolkenkratzern mit Wohnungen und Büros, mehr als 100 Geschäfte und weitläufige Grünflächen entstehen. Einer der Türme soll mit 395 Metern das Empire State Building um einige Meter überragen und eine höhere Aussichtsplattform als das neue World-Trade-Center-Gebäude bekommen.

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Designer Heatherwick (Mitte) bei der Präsentation
Die „New York Times“ („NYT“) bezeichnete die Skulptur als „den größten Rorschachtest der Stadt“ und meinte damit die Vielzahl an Assoziationen in Zusammenhang mit der Skulptur. Aus der Ferne betrachtet erinnert sie ein wenig an einen gigantischen Papierkorb. Die Skulptur wird nach oben hin weiter. Am Boden beträgt ihr Durchmesser umgerechnet etwas mehr als 15 Meter, im 15. Stock sind es 45 Meter.
Manche wiederum fühlen sich an die futuristischen Werke des 1972 verstorbenen niederländischen Künstlers MC Escher erinnert. Aus diesem Blickwinkel betrachtet ist „Vessel“ eine überdimensionale Stiege ins Nirgendwo. Andere nennen das Bauwerk, das Besuchern insgesamt 80 Aussichtspunkte bieten soll, wegen seiner wabenförmigen Struktur einen Bienenstock. Heatherwick selbst sagt, sein Entwurf sei inspiriert von indischen Stufenbrunnen.
Der Künstler und der Milliardär
Für den 46-jährigen Heatherwick ist „Vessel“ ein weiterer Karrierehöhepunkt. 2012 zeichnete der Brite bei den Olympischen Spielen in London für das Design der olympischen Fackel verantwortlich. Gemeinsam mit dem dänischen Architekten Bjarke Ingels entwarf er den neuen Google-Campus in Mountain View (USA). Und in Zusammenspiel mit dem kanadischen Büro Diamond Schmitt Architects gestaltet er die David Geffen Hall, Heimat der New Yorker Philharmoniker, neu.
„Vessel“ wurde finanziert von Stephen M. Ross, Chef von Related Companies, die gemeinsam mit der Oxford Properties Group treibende Kraft hinter der Entwicklung von Hudson Yards ist. Die Errichtung des neuen Stadtteils ist das größte private Immobilienprojekt in den USA.
Ein Weihnachtsbaum für das ganze Jahr
Ein Riesenprojekt wie Hudson Yards braucht nach Meinung von Ross eine entsprechende Sehenswürdigkeit. Zunächst habe er bei fünf bekannten Künstlern nach Entwürfen gefragt, erzählte Ross der „NYT“, ohne Namen zu nennen. Auch Geld sei geflossen, einmal 500.000 Dollar, ein weiteres Mal 250.000 Dollar, doch keiner der Pläne konnte den Milliardär wirklich überzeugen.

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„Vessel“ wird insgesamt 150 Mio. Dollar kosten
2013 habe ihn ein Related-Mitarbeiter auf Heatherwicks Arbeiten aufmerksam gemacht. Binnen sechs Wochen lieferte Heatherwick seinen Entwurf ab. „Ich hab ihn mir angesehen und gewusst: Das ist es“, so Ross gegenüber der „NYT“. Seine Firmenkollegen hätten ihn für verrückt gehalten.
Das dürfte nicht zuletzt der Kostenexplosion des Projekts geschuldet sein. Wegen der unerwartet schwierigen Herstellung der Stahlelemente wird „Vessel“ statt der ursprünglich veranschlagten 75 nun 150. Mio. Dollar kosten. Ross stört das alles nicht. Der wichtigste Ort New Yorks sei das Rockefeller Center zu Weihnachten, so Ross gegenüber der „NYT“. Zu dieser Zeit schmückt ein prächtiger Christbaum den Platz vor dem Gebäude. „Ich wollte meinen ganz eigenen Weihnachtsbaum zwölf Monate im Jahr.“
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