Themenüberblick

Protest gegen „Segen der Queen“

Mit der Sammlung könnte man ein komplettes Museum über die Sex Pistols bestücken: Latexkleider, ein Türgriff mit pinkfarbenem Logo „Sex 430“, Testschallplatten der ehemaligen Punkband und noch viel mehr. „Ich habe alles behalten“, sagte Joe Corre, Sohn von Sex-Pistols-Manager Malcolm McLaren (1946-2010) und Modedesignerin Vivienne Westwood im März, „aber ich werde alles verbrennen.“

Dieser Artikel ist älter als ein Jahr.

„Bitte was?“, fragt sich nicht nur die Musikwelt. Aber der 48-Jährige meint es offenbar ernst. Er wolle die Erinnerungsstücke im Wert von fünf Millionen Pfund (6,3 Mio. Euro) Ende November öffentlich vernichten, teilte er mit - als Protest gegen ein Punk-Gedenken zum 40. Geburtstag der einstigen Jugendbewegung in London, das seinen Angaben zufolge ausgerechnet von Queen Elizabeth II. unterstützt wird. Für Corre ist das pure Verhöhnung der Punk-Kultur.

Buckingham Palace erklärt, was Punk ist

„Aus einer Bewegung für Veränderung ist Punk zu einem verdammten Museumsausstellungsstück verkommen“, klagt er. Der „Segen“ der Queen für die Konzerte, Ausstellungen, Filme und Diskussionen sei das „Furchterregendste“, was er je gehört habe.

Offiziell hat sich das britische Königshaus bisher allerdings nicht geäußert - auf Nachfrage ließ die Pressestelle des Palasts erklären, was Punk in London sei. Im Musikmagazin „NME“ schränkte Corre ein: „Ich sage nicht, dass die Queen persönlich was damit zu tun hat, das weiß ich nicht. Wenn ich von der Queen spreche, dann meine ich das Establishment.“

„Punks waren Staatsfeind Nummer eins“

Sollte die Queen das Spektakel für die Punk-Bewegung tatsächlich unterstützen, hätte das eine gewisse Ironie, da die Sex Pistols vor allem mit Provokationen gegenüber dem britischen Königshaus Furore machten. In ihrem 1977 veröffentlichten Song „God Save the Queen“ unterstellten sie der Queen, sie führe ein „faschistisches Regime“, und hinterfragen, ob sie überhaupt menschlich sei.

Hat die Monarchin ihnen vergeben? Gesponsert werden die Events jedenfalls mit 99.000 Pfund (126.000 Euro) aus Einnahmen von Lotterielos-Verkäufen, dem Heritage Lottery Fund, der vor allem Projekte zur Förderung des Kulturerbes unterstützt. Corre findet das scheinheilig, wie er „NME“ sagte: „Es wird vergessen, dass die Leute in den 1970ern Punks gehasst haben - sie waren der Staatsfeind Nummer eins. Als ich ein kleines Kind war, haben mir erwachsene Männer ins Gesicht gespuckt, weil ich mich wie ein Punk angezogen habe.“

26. November als Stichtag

Corres Erinnerungsstücke stammen vorwiegen aus dem Modegeschäft Seditionaries, das seine berühmten Eltern einst zusammen betrieben. Den Sex Pistols wurde dort ihr - für die damalige Zeit - rebellischer Look verpasst. Corre arbeitet selbst in der Modebranche, er hat die Dessous-Marke Agent Provocateur mitgegründet.

Manche Menschen rieten ihm, die Erinnerungsstücke zu versteigern statt zu verbrennen, sagte er dem „Guardian“. Und urteilte die Ratgeber ab: „Diese Menschen denken nur an Geld.“ Die Ideen des Punk sollten im Mittelpunkt stehen, nicht die Erinnerungsstücke. Was seine Mutter Vivienne Westwood von all dem hält, wurde bisher nicht bekannt.

Corre aber hat ein symbolträchtiges Datum für sein Feuer vorgesehen: den 26. November, genau 40 Jahre, nachdem die Sex Pistols die Punk-Hymne „Anarchy in the U.K.“ veröffentlichten. Er müsse einfach gegen die Jubiläumsfeier protestieren, sagte er dem „Guardian“, sonst hätten alle nur erzählt, wie „cool“ alles damals gewesen sei, und Menschen, denen die Punk-Ideen weiterhin wichtig seien, hätten sich verraten gefühlt. „Wir leben in einem Zeitalter der Konformität. Diese Kleidung zu verbrennen zeigt, dass wir uns dagegen stellen.“

Madleen König, dpa

Links: