Zurechtweisung für „Experiment“
Der unerwartete Tod des allmächtigen Führers Mao Zedong am 9. September 1976 hat das kommunistische China nicht nur politisch herausgefordert - sondern auch physisch. Denn Maos letzter Wille, seinen Körper einzuäschern, wurde umgehend ignoriert - das Zentralkomitee verfügte, Maos Leichnam nach dem Vorbild von Lenin einzubalsamieren.
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Doch das stellte das technisch damals völlig rückständige China vor schwierige Probleme. Nicht einmal die Kühltechnik, um den Körper herunterzukühlen, war vorhanden. Angesichts des damals verfeindeten Verhältnisses zur Sowjetunion kam ein Hilfsansuchen in Moskau nicht infrage.
Aus dem Schlaf gerissen
Einige Tage nach Maos Tod wurde die Frage, wie mit dem Leichnam weiter vorgegangen werden soll, daher immer drängender. Die französische Nachrichtenagentur AFP veröffentlichte nun ein Interview mit jenem Mann, der damals maßgeblich dafür verantwortlich war, zu verhindern, dass sich Maos Körpers zersetzte.
Xie Piao, ein Beamter, der zu dem Zeitpunkt mit einem experimentellen Projekt zur thermoelektrischen Kühlung befasst war, wurde demnach mitten in der Nacht geweckt und in die Große Halle des Volkes in Peking gerufen. Dort wurde ihm und seinem Team der Auftrag erteilt, den Leichnam zu kühlen.

APA/AFP/Tom Hancock
Xie Piao in seiner Wohnung in Peking
„Ziemlich stolz“
„Niemand hat erwartet, dass der Vorsitzende Mao sterben würde, daher war ich gar nicht vorbereitet“, so der heute 75-jährige Xie laut der britischen Tageszeitung „Guardian“ in dem Interview. Er sei damals „ziemlich stolz“ gewesen, dass ihm diese Aufgabe übertragen worden sei.
Als er in der Nacht in der Großen Halle des Volkes eintraf, fand er den Leichnam des Mannes - der die Volksrepublik gründete und sie mit der „Kulturrevolution“ in ein blutiges Chaos stürzte - provisorisch in einem Sarg aufgebahrt - bei Zimmertemperatur und unter heißen elektrischen Lampen. „Unser Ziel war es, die Temperatur auf vier bis fünf Grad herabzukühlen.“ Insgesamt waren laut Xie rund 400 Leute an dem Projekt beteiligt. „Wir durften ihn aber nicht einfrieren, das war der Befehl des Arztes.“
„Die Angst kam später“
Chinesische Kühlsysteme waren damals völlig rückständig. Mit der Sowjetunion war China wegen des Streits um den Führungsanspruch in der kommunistischen Bewegung tief zerstritten. Das alliierte kommunistische Vietnam habe ein Hilfsansuchen zurückgewiesen, so Xie.
„Ich dachte, dass die Technik sehr verlässlich ist und dass der Auftrag sehr einfach ausgeführt werden kann“, so der Zeitzeuge. „Die Angst kam später.“ Binnen weniger Stunden wurde der mit Glas abgedeckte Sarg mit Stickstoffgas gefüllt und der Leichnam auf rund acht Grad Celsius heruntergekühlt. Das hinderte Maos Nachfolger Hua Guofeng aber nicht daran, Xie wegen der Verwendung „experimenteller Techniken“ zu schelten.
Parade hochrangiger Kader
Hochrangige kommunistische Kader kamen Tag und Nacht, um Mao die letzte Ehre zu erweisen - und sie erhöhten damit zugleich den Druck auf das siebenköpfige Kühlteam. „Einmal war ich so müde, dass ich mitten während der Arbeit einschlief. Wir konnten fünf, sieben Tage lang nicht schlafen“, so Xie.
Nach acht Tagen war Xies Arbeit erledigt. Wie Mao schließlich einbalsamiert wurde, darüber weiß er wenig. Offizielle Unterlagen gibt es dazu keine - zumindest keine, die öffentlich bekannt wären. 1977 wurde Mao schließlich, nachdem ein Quarzsarkophag erbaut worden war, in einem eigens errichteten Mausoleum in der Mitte des Tiananmen-Platzes, aufgebahrt.
Bis heute ist Mao eine zentrale Figur in Chinas Gesellschaftspolitik, trotz all der Schrecken, für die er verantwortlich war. Die Behörden gingen im August gegen das liberale Magazin „Yanhuang Chunqiu“ vor, nachdem dort Xies Erinnerungen publiziert worden waren - ein Zeichen der unter Präsident Xi Jinping verschärften Zensur. Xie sah Maos Leichnam laut eigenen Angaben nur noch einmal wieder, in den 1980er Jahren. Dieser Tage, zum 40. Todestag, sei er „zu beschäftigt“ gewesen, so der 75-Jährige, um Mao einen Besuch abzustatten.
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