Abfuhr für Verteidigungsministerin
Probleme mit dem Sturmgewehr G36 beschäftigen die deutsche Bundeswehr und das Verteidigungsministerium in Berlin seit Jahren. Nach dem Beschluss zur Ausmusterung der Standardwaffe wegen technischer Mängel gibt es nun auch ein Gerichtsurteil: Der Hersteller Heckler & Koch (HK) muss vorerst keinen Schadenersatz leisten.
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Ein entsprechendes Urteil fiel am Freitag vor dem Landgericht Koblenz (Rheinland-Pfalz). Mit Forderung nach Ausgleichszahlungen blitzte das Verteidigungsministerium ab, stattdessen gab das Gericht dem Hersteller recht und dessen Klage „in vollem Umfang“ statt. Es bestünden keine Gewährleistungsleistungsansprüche aufgrund von Mängeln.
„Güteprüfung bestanden“
In dem Verfahren ging es um zwei Verträge aus dem Jahr 2013 über die Fertigung und Lieferung von knapp 4.000 Sturmgewehren vom Typ G36. Das Landgericht urteilte nun, dass keine Abweichung der gelieferten Gewehre von der im Vertrag vereinbarten Beschaffenheit vorliege. Die Waffen hätten „unstreitig die in den technischen Lieferbedingungen vorgesehene und zwischen den Parteien vereinbarte Abnahme- bzw. Güteprüfung bestanden“.

AP/Matthias Rietschel
Das HK G36 „dient“ seit über 17 Jahren in der deutschen Bundeswehr
Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) hatte bereits im vergangenen Jahr entschieden, alle 167.000 G36-Gewehre wegen unzureichender Treffsicherheit bei Dauerfeuer oder großer Hitze auszumustern. Es sei nicht zu erwarten, dass sie davon abrückt, hieß es am Freitag. Im April erklärte sie, die Waffe habe „keine Zukunft“.
Studie und Erfahrungswerte
Die Affäre um das Gewehr - die Standard- bzw. Ordonnanzwaffe der Bundeswehr - hatte bereits vor fünf Jahren mit ersten Hinweisen auf Präzisionsprobleme begonnen. Untersuchungen kamen zu widersprüchlichen Ergebnissen. Von der Leyen gab daraufhin nach ihrem Amtsantritt 2013 ein „Master-Gutachten“ in Auftrag, dessen Ergebnis eindeutig war: In Labortests sank die Trefferquote bei einer Temperaturveränderung um 30 Grad auf nur sieben Prozent. Gefordert werden von der Bundeswehr 90 Prozent.

Reuters/Axel Schmidt
Verteidigungsministerin von der Leyen attestierte G36 „keine Zukunft“
Die Soldaten sind allerdings laut einer Befragung zufrieden mit der Waffe Präzisionsmängel seien beim G36 im Einsatz nie wahrgenommen worden. Im Gegenteil: Die Waffe sei leicht, bedienungsfreundlich - und sehr zuverlässig. Danach hieß es von einer Untersuchungskommission: „Die einsatzerfahrenen Soldaten haben die Qualifizierung des G36 als Pannengewehr widerlegt.“
Imagefrage für bekannte Waffenschmiede
Für HK, Großproduzent von Pistolen und Gewehren, ging es in dem Prozess auch darum, Imageschaden abzuwenden. Die Klage des Unternehmens aus Oberndorf am Neckar wurde vom Bundeswehr-Beschaffungsamt in Koblenz mit Gewährleistungsforderungen ausgelöst. Die Waffenschmiede wehrte sich dagegen mit einer „negativen Feststellungsklage“ und gewann. Die Bundeswehr könnte das Urteil allerdings anfechten. Eine Ausschreibung für eine neue Waffe soll noch in diesem Jahr erfolgen. Voraussichtlich 2018 wird ein Gewehr ausgewählt. Die ersten Exemplare sollen 2020 ausgeliefert werden.
Erste Mängel schon länger bekannt
Das G36 ist ähnlich wie das im österreichischen Bundesheer gebräuchliche Steyr AUG (StG 77) zum Teil aus Kunststoff gebaut, auch von der Funktionsweise her ist es ihm ähnlich. Das Sturmgewehr von Steyr Mannlicher gilt allerdings als extrem widerstandsfähig, vor allem auch, was Nässe und Temperatur betrifft. Beim HK G36 waren die ersten Probleme spätestens 2011 festgestellt worden, wobei die Waffe seit 1997 gebaut wird. Die Spitze des deutschen Verteidigungsministeriums soll 2013 informiert gewesen sein.
Im Prozess hatte der Vorsitzende Richter Ralph Volckmann im Juni auf Versäumnisse seitens der Bundeswehr verwiesen. Als sich mit Auslandseinsätzen mit extremen Temperaturschwankungen die Anforderung an das G36 wohl erweitert habe, hätten die Streitkräfte es versäumt, das bei weiteren Bestellungen des G36 bei HK zu melden. Folgeverträge seien wie immer abgeschlossen worden.
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