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Gesichter, Logos, nackte Beine

Auf vielen Kinoplakaten sind auch im Jahr 2016 die ewig gleichen Motive zu sehen. Die mangelnde Kreativität ist nicht nur der Angst vor kommerziellem Misserfolg geschuldet - auch Schauspielstars und ihre Anwälte spielen eine nicht zu unterschätzende Rolle.

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Die Manager und Rechtsvertreter von Hollywoods Topschauspielern reklamieren gerne Klauseln in die Verträge, die die Präsenz ihres Klienten auf den Werbematerialien regeln. „Wenn du vier Leute hast, deren Gesichter gleich groß abgebildet sein müssen, sitzt du ziemlich in der Tinte“, erklärte Regisseur Steven Soderbergh kürzlich dem „Hollywood Reporter“. Rechtliche Spitzfindigkeiten wie diese behinderten die Erschaffung von Kunstwerken, beklagte der Filmemacher.

Es gibt aber auch den umgekehrten Fall, wie der „Hollywood Reporter“ unter Berufung auf Branchenkenner schreibt. Sollte die Rolle eines Stars nach Ansicht seiner Repräsentanten zu gering sein, werde der Produktionsfirma die Werbung mit dem Konterfei des Schauspielers vertraglich untersagt. Kleine Produktionen mit großen Stars in Nebenrollen zu bewerben, fällt somit flach.

Trügerische Umfragen

Ein Grund für die Gleichförmigkeit der Plakate könnten falsch angelegte Umfragen unter Kinogängern sein. Das vermutet zumindest der Vizepräsident der Marketingabteilung bei Fox Searchlight, Larry Baldauf, gegenüber dem „Hollywood Reporter“. Die Gefahr sei, dass die Befragten auf manche Plakate besser reagierten, weil sie nach Kinoplakat aussehen würden, so Baldauf - und nicht weil die Gestaltung des Plakats so kreativ ist. Seine Firma setze die Instrumente der Meinungsforschung daher selten ein.

Ein orange-blauer Trend

Wirklich auffällig werden die teils sehr ähnlichen Features, wenn man die Plakate nebeneinander stellt. Der französische Blogger Christophe Courtois hat genau das vor ein paar Jahren auf seinem Blog getan und die gängigsten Klischees beleuchtet.

Filmplakat zu "Ghostbusters"

Sony Pictures

Die „Ghostbusters“ kommen nicht ohne ihr Logo aus

Die Ähnlichkeiten beginnen bei der Farbgebung: Neben Gelbtönen und Schwarz lässt sich in den vergangenen Jahren auch ein Trend zur Kombination aus Orange und Blau beobachten. Jüngstes Beispiel ist „Star Trek Beyond“, der mittlerweile 13. Teil der Kinoserie. Vor allem bei romantischen Komödien beliebt ist Rot, meist als Farbe der Protagonistin oder des „Love Interest“ des Hauptdarstellers.

Zu den Wiedergängern unter den Motiven gehört das Auge, insbesondere in den Genres Horror, Thriller und Science-Fiction. Selbiges gilt für Logos, dieser Tage zu besichtigen etwa auf den Plakaten zum demnächst anlaufenden Remake der „Ghostbusters“ oder im Vorjahr bei den Kassenschlagern „Jurassic World“ und „Deadpool“. Gerade bei Action- und Abenteuerfilmen gerne eingesetzt werden Bilder, auf denen der Held dem Publikum den Rücken zuwendet oder überhaupt nur in Umrissen erkennbar ist.

Der rote Faden des Sexismus

Die zuletzt boomenden Superheldenfilme werden hingegen gerne mit Konfrontationsszenen illustriert. Captain America Auge in Auge mit Iron Man, so sieht beispielsweise eines der Plakate zu „The First Avenger: Civil War“ aus. Bei „Batman v Superman: Dawn of Justice“ drängte sich diese Art der Gestaltung ebenfalls auf.

Filmplakat zu "Captain America"

Marvel

Duell: Captain America vs. Iron Man

Von den ersten Plakaten zu den James-Bond-Filmen über den Klassiker „Die Reifeprüfung“ bis hin zu den „Minions“ - Sexismus zieht sich wie ein roter Faden durch die Geschichte der Kinowerbung. Frauen werden auf vielen Plakaten entpersonalisiert, statt Köpfen und Gesichtern sind nur einzelne Körperteile zu sehen. Auf vielen Plakaten blickt der Zuseher durch die langen nackten Beine einer anonymen Frau auf die Protagonisten des Films, auf anderen ragen die Beine losgelöst vom Körper seitlich ins Bild.

Kritik an „kopflosen Frauen“

Ein anschauliches Beispiel lieferte im Vorjahr das Poster für Paolo Sorrentinos aktuellen Film „Ewige Jugend“. Die Senioren Michael Caine und Harvey Keitel sitzen in einem Schwimmbecken, in das eine nackte, schöne Frau steigt. Ihr Gesicht sieht man nicht, lediglich ihren Rücken und ihren Po.

Gegen die Praxis formiert sich Widerstand im Internet. Seit einiger Zeit sammelt die US-Komikerin Monica Belsky Beispiele für entmenschlichte Frauen auf Werbeplakaten für Kinofilme und Fernsehserien in einem Blog. Das Projekt trägt den Namen „The Headless Women of Hollywood“ und möchte auf die „Fragmentierung (...) und die Entmenschlichung von Frauenbildern“ aufmerksam machen.

Filmplakat zu "The Birth of a Nation"

Twentieth Century Fox

„The Birth of a Nation“ überzeugt mit etwas anderem Design

„Lebende“ Plakate als Alternative

Ein Ausweg aus der kreativen Misere könnte über „lebende“ Kinoplakate führen. Hinter dem Begriff verbergen sich Kurzanimationen. Fox Searchlight nutzte die Technik zur Bewerbung des im Oktober in den USA anlaufenden Sklavereidramas „The Birth of a Nation“. Der Film von Regisseur Nate Parker (der auch die Hauptrolle spielt) zeichnet die wahre Geschichte eines gescheiterten Sklavenaufstands in den Südstaaten der USA im 19. Jahrhundert nach und gilt bereits jetzt als Favorit für die Oscars 2017.

Das „lebende“ Plakat zum Film zeigt eine 30 Sekunden lange Szene, in der Blut zum Poster in Form der US-Flagge gerinnt. Zu sehen sind Nat Turner, der Anführer der Aufständischen, und seine Mitstreiter. Das Werk unterscheidet sich sowohl in Form als auch Inhalt von konventionellen Plakaten.

„The Birth of a Nation“ ist aber nicht das einzige Beispiel. Bereits 2014 wurde „Terminator: Genisys“ mit einem animierten Plakat beworben. Auch die Macher der Kinosaga „Die Tribute von Panem“ setzten auf die Technik (in Form eines fünf sekündigen Clips), ebenso wie im Vorjahr Walt Disney bei „The Jungle Book“.

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