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Viele Mythen

Die Debatte über das Transatlantische Freihandelsabkommen (TTIP) ist neu entfacht. Nicht nur Umweltorganisationen wie Greenpeace fordern einen Abbruch der Gespräche, auch zahlreiche europäische Spitzenpolitiker sind mittlerweile dagegen oder zumindest skeptisch. Die EU will dagegen weiterverhandeln. Wer hat recht? Eine Analyse häufiger Aussagen:

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Freihandel schafft mehr Wachstum, Beschäftigung und Wohlstand: Eine für das deutsche Wirtschaftsministerium angefertigte Studie des Ifo-Instituts kommt zu dem Ergebnis, dass das reale Einkommen in Deutschland durch TTIP langfristig um etwa 4,7 Prozent steigen würde. Zudem seien allein in der Bundesrepublik 110.000 neue Jobs zu erwarten.

Eine Untersuchung im Auftrag der EU-Kommission ergab, dass TTIP in der EU innerhalb von zehn Jahren zu einem zusätzlichen Wirtschaftswachstum von 0,5 Prozent führen würde und dass jede vierköpfige Familie pro Jahr 445 Euro zusätzlich zur Verfügung hätte.

Kritische Forscher verweisen jedoch darauf, dass das Extrawachstum auf ein Jahr heruntergerechnet nur ein Plus von 0,05 Prozentpunkten bedeuten würde. Auch wird angemerkt, dass durch den leichteren Marktzugang für US-Anbieter der Wettbewerb auf inländischen Märkten steigen dürfte. Indirekte Folgen könnten also Umsatzeinbußen und Beschäftigungsabbau in weniger wettbewerbsfähigen Branchen sein.

TTIP wird Standards im Umwelt- und Verbraucherschutz aushöhlen: Das ist einer der Hauptkritikpunkte der Gegner, aber pauschal haltbar ist das Argument nicht. Meist werden Standards nach oben angepasst. Dafür sorgt auch der Druck von Umwelt- und Verbraucherschutzorganisationen. So hat die EU bereits ausgeschlossen, das bestehende Verbot von Hormon- und Chlorhühnerfleisch aufzuheben. Und die USA dürften kaum ihre deutlich strengeren Fahrzeuggrenzwerte zum Ausstoß von Stickoxiden (NOx) senken, die etwa der deutsche Konzern VW im Abgasskandal manipuliert hatte.

Bei solchen Gesprächen geht es auch darum, unterschiedliche Standards gegenseitig anzuerkennen, wenn sie ein vergleichbares Sicherheitsniveau bieten. Das ist zum Beispiel bei Fahrzeugteilen wie Türschlössern, Bremsen und Sicherheitsgurten der Fall.

Unklar ist bisher, ob das Vorsorgeprinzip der EU in TTIP verankert werden kann. Damit können in der EU Produkte vorsorglich vom Markt genommen werden - auch dann, wenn verfügbare wissenschaftliche Daten noch keine umfassende Bewertung des Risikos zulassen. In den USA kann ein Stoff so lange verwendet werden, bis eine von ihm ausgehende Gefahr nachgewiesen ist. Dafür drohen Unternehmen viel höhere Strafen, wenn ihnen ein sorgloser Umgang mit der Gesundheit der Verbraucher nachgewiesen werden kann.

Freihandel sorgt dafür, dass Verbraucher günstig einkaufen können: Wissenschafter des Ifo und des Centre for Economic Policy Research (CEPR) gehen davon aus, dass die Abschaffung von Zöllen und unterschiedlichen Standards zu geringeren Preisen führt. Nach Angaben des deutschen Autoverbands VDA etwa müssen europäische Hersteller derzeit Reifen, Außenspiegel und Stoßdämpfer doppelt bauen oder testen lassen, wenn sie ein Auto auch in den USA verkaufen wollen. Experten haben demnach berechnet, dass die bestehenden Doppelregulierungen und bürokratischen Hürden in ihren Auswirkungen einem Zoll von 26 Prozent entsprechen. Ob alle Einsparungen an den Verbraucher weitergegeben werden, ist aber nicht sicher. Sie könnten auch in Forschung investiert werden oder in die Gewinne fließen.

Unternehmen können über Sonderklagerechte Gesetze aushebeln: Schiedsgerichte für Streitfälle zwischen Staaten und Investoren sind nicht selbst in der Lage, Gesetze zu kippen oder zu verändern. Theoretisch können sie aber Unternehmen Schadenersatz zusprechen, wenn sich herausstellt, dass diese ungerechtfertigt unter politischen Entscheidungen leiden. Kritiker glauben, dass Firmen mit der Androhung einer Klage Gesetze verhindern oder verwässern können - und fordern deswegen einen Verzicht auf solche privaten Institutionen.

EU-Handelskommissarin Cecilia Malmström hat eine Großreform des aktuellen Schiedsgerichtssystems vorgeschlagen. Die US-Seite ist allerdings skeptisch: „Für uns ist es wichtig, dass in einem ambitionierten Abkommen auch die Interessen von Investoren angemessen berücksichtigt werden“, sagt der US-Handelsbeauftragte Michael Froman.

Die Verhandlungen über TTIP sind undemokratisch und intransparent: Dass die Verhandlungen nicht besonders transparent sind, ist richtig. Das gilt aber für so gut wie alle Spitzengespräche über internationale Abkommen. Gleichzeitig ist es auch richtig, dass mittlerweile viel mehr Dokumente öffentlich gemacht werden als noch zu Beginn der Verhandlungen. Am Ende muss die EU-Kommission ein Ergebnis vorlegen, das mehrheitsfähig ist. Wenn das EU-Parlament und die Regierungen in den EU-Mitgliedsstaaten ihm nicht zustimmen, wird es kein Freihandelsabkommen mit den USA geben.

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