Das seit Jahrzehnten autoritär regierte Usbekistan gilt als eines der intransparentesten Länder der Welt - und auch jetzt gibt es kaum Informationen über den Gesundheitszustand des Despoten Islam Karimows. Dieser regiert das Land seit mehr als 30 Jahren mit eiserner Hand. Usbekische Medien schweigen sich über Karimows Zustand aus. Dass dieser aber überhaupt vermeldet wurde, unterstreicht laut Experten den Ernst der Lage.
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Karimows Einlieferung ins Spital wurde wenige Tage vor der 25-Jahre-Feier der usbekischen Loslösung von der Sowjetunion publik. Auf dieser soll nun ein Nachrichtensprecher eine Botschaft Karimows verlesen - ein weiterer Hinweis auf Karimows schlechten Gesundheitszustand. Angesichts der dünnen Informationslage verwundert es auch nicht, dass Gerüchte die Runde machen, dass Karimows Tod bereits eingetreten sei und ein Nachfolgekampf entbrannt sein könnte.
„Kronprinzessin“ in Hausarrest
Dabei ist offen, wer Karimows Platz einnehmen könnte. Viele Jahre lang galt seine Tochter Gulnara in dieser Frage als Favoritin. Die 44-Jährige wurde als Jetsetterin, Designerin und Popsängerin - sie sang mit Julio Iglesias und Gerard Depardieu - bekannt, war aber auch Botschafterin in Spanien, bei den Vereinten Nationen in Genf und eine offenbar relativ ruchlos agierende Unternehmerin. Laut den Enthüllungen von WikiLeaks habe sie es geschafft, von „wirklich jedem lukrativen Geschäft“ im Land ein Stückchen mitzuschneiden.
Reuters/Jason Lee
Gulnara Karimowa (l.) gerierte sich lange als das junge Gesicht Usbekistans
Doch sie fiel in Ungnade: 2014 schrieb die 44-Jährige einen Brief an den britischen Rundfunk BBC. Sie werde von Sicherheitskräften in ihrem eigenen Haus festgehalten und sei geschlagen worden. Offenbar sitzt Gulnara seit Februar 2014 in Hausarrest. Dem waren heftige öffentliche Beschimpfungen zwischen Karimowa und ihrer jüngeren Schwester Lola Karimova-Tillyaeva vorausgegangen. Ein weiterer Grund für den Bruch dürften auch ihre Geschäfte gewesen sein.
Auch Premier und Finanzminister Favoriten
Auch, dass Karimow eine Hirnblutung erlitten hatte, teile Karimova-Tillyaeva via Instagram mit. Die Regierung in der Hauptstadt Taschkent verlautbarte zuvor lediglich, dass Karimow im Krankenhaus sei und die Untersuchung und Behandlung des Staatschefs nach Meinung von Spezialisten längere Zeit in Anspruch nehmen werde. Das meldete die russische Agentur Interfax.
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Berichte, wonach Karimow bereits tot sei, wurden von seiner Tochter Lola dementiert. Als Anzeichen möglicher Nachfolgekämpfe in der usbekischen Führung machten Berichte über eine Verhaftung von Finanzminister Rustam Asimow die Runde, denen aber am Dienstag in Taschkent widersprochen wurden. Asimow sei an seinem Arbeitsplatz, teilte das Ministerium nach Angaben der Agentur Interfax mit. Asimow wird neben dem seit 2003 amtierenden Premierminister, Shawkat Mirsijajew, als möglicher Nachfolger gehandelt.
Menschenrechtslage desaströs
Wer immer die Herrschaft in Usbekistan übernimmt, gelangt an die Spitze einer menschenrechtsverachtenden Diktatur. Die NGO Human Rights Watch (HRW) bezeichnete den Zustand im Land als desaströs. Tausende Menschen seien inhaftiert, Folter stehe im Justizsystem an der Tagesordnung. 2002 berichtete HRW, dass zwei Dissidenten bei lebendigem Leib in kochendes Wasser gesteckt und getötet wurden. Religionsausübung außerhalb staatlicher Kontrolle werde strikt verfolgt, Medien und Opposition vom Staat kontrolliert.
Zudem zwingt die Regierung mehr als zwei Millionen Menschen - darunter auch Kinder - dazu, unter desaströsen Bedingungen auf Baumwollfeldern zu arbeiten. 2015 zwang die Regierung Hunderte zwangsverpflichtete Bauern, bereits geerntete Baumwollbüschel wieder an die Pflanzen zu kleben - wegen eines Besuchs des Ministerpräsidenten.
Blutig niedergeschlagener Protest nicht vergessen
Im Mai 2005 kam es ausgehend von der Stadt Andischan zu schweren Protesten gegen das autoritäre System, die am 13. Mai ihren Höhepunkt erreichten. Das Militär eröffnete das Feuer auf Demonstranten und tötete dabei vermutlich zwischen 400 und 600 Personen. Bis heute ist unbekannt, was mit den sterblichen Überresten der Opfer geschehen ist.
Die USA und die EU halten trotz der Situation die Verbindungen zu dem Land aufrecht. Erst im November des vergangenen Jahres traf der US-Außenminister John Kerry, im März dieses Jahres der deutsche Außenminister Frank-Walter Steinmeier Karimow. Steinmeier forderte das autoritäre Regime zur Einhaltung der Menschenrechte auf. Zentralasien gilt als strategisch wichtige Region, unter anderem im Kampf gegen den Islamismus.
Vom Apparatschik zum autoritären Herrscher
Karimow regierte das Land mehr als 30 Jahre lang. Er arbeitete sich als klassischer kommunistischer Apparatschik an die Parteispitze. Über den Planungsstab der Kommunisten und das Finanzministerium erklomm der gelernte Ingenieur im Jahr 1989 den Posten des Generalsekretärs der Kommunistischen Partei in Usbekistan. Nach der Loslösung des Landes von der Sowjetunion im Jahr 1991 wurde er mit 86 Prozent der Stimmen zum Staatspräsidenten gewählt.
Karimow ließ sich insgesamt fünfmal wiederwählen, zuletzt im Jahr 2015 mit mehr als 90 Prozent der Stimmen. Mehrmals verlängerte er entgegen der usbekischen Verfassung seine Amtszeit. Die Wahlen fanden quasi ohne Opposition statt - mögliche Konkurrenten hatten das Land bereits verlassen, oder waren in Gefängnissen verschwunden.