„Sie wissen nie, was morgen ist“
Die Reihe der Oppositionsparteien ist fertig, am Montag stand ÖVP-Chef Reinhold Mitterlehner Rede und Antwort im ORF-„Sommergespräch“. Seine bisher zweijährige Amtszeit in diesem Job sei „durchaus herausfordernd“ gewesen, so Mitterlehner. Aufhorchen ließ der ÖVP-Chef vor allem mit seiner Ansage zu Neuwahlen.
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Aus seiner Sicht wäre es im Moment wichtiger, das Gemeinsame der Koalition in den Vordergrund zu stellen, anstatt Neuwahlen vom Zaun zu brechen. Diese lösten Problem nicht, sondern förderten nur Polarisierung und Emotionalisierung. Die Situation werde durch Neuwahlen „nicht besser, sondern eher konfliktträchtiger“. Sollte es der Regierung aber nicht gelingen, ihre geplanten Vorhaben im Herbst umzusetzen, dann sieht Mitterlehner vorgezogene Wahlen „wahrscheinlich näher rücken“.
„Durchaus gut abgestimmt“ mit Kurz
Wer in einem solchen Fall als Spitzenkandidat für die ÖVP antreten würde, darauf wollte sich Mitterlehner nicht so richtig einlassen. „Die Frage wird sich stellen, wenn Wahl ist.“ „Üblicherweise“ sei der Spitzenkandidat ja immer der Parteiobmann, er sei aber der Letzte, der sich, „wenn sich was anderes ergeben sollte zum Zeitpunkt X“, in den Weg stellen werde. Denn: „Sie wissen in der Politik nie, was morgen ist.“

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Außenminister Sebastian Kurz, der angeheizt von diversen Aussagen bereits als Nachfolger Mitterlehners gehandelt wird, bezeichnete er als „qualifiziertes Talent“. „Wir sind froh, dass wir ihn haben.“ Die Vorschläge, die in den letzten Wochen mit großer medialer Resonanz von Kurz präsentiert worden waren, waren natürlich mit ihm abgestimmt, wies der ÖVP-Chef Vermutungen zurück, dass Kurz allein gehandelt hatte. In „allen Zukunftsfragen“ werde er mit Kurz „gemeinsam vorgehen“, auch bei sonstigen Themen, man sei „durchaus gut abgestimmt“.
Dinge jetzt „anders sehen“
Die aktuellen Umfragewerte seiner Partei (die ÖVP liegt aktuell mit etwa 20 Prozent auf Platz drei) seien jedenfalls „verbesserbar“, gestand der Vizekanzler ein. Auf mögliche Koalitionsvarianten nach der Wahl wollte er nicht eingehen. Der Meinung, dass die ÖVP mit ihren Positionen zur Flüchtlingspolitik mittlerweile kaum mehr von der FPÖ unterscheidbar sei, hielt er entgegen, dass „die Quantität dazu geführt hat, dass wir jetzt die Dinge anders sehen“.
Die Bedingungen hätten sich „gravierend“ verändert. Mitterlehner sieht sich von den „Stimmen aus der Bevölkerung“ bestätigt. Der ÖVP-Chef verteidigte in diesem Zusammenhang auch die geplante Notverordnung - als „Notwendigkeit, die nicht einfach ist“.

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Details zur Notverordnung noch offen
Wenn Österreich erste Schritte setze, dann würden auch andere Länder folgen, ist er zuversichtlich, dass es eine Einigung mit den Nachbarstaaten über abgewiesene Flüchtlinge geben werde. Auch bei der Schließung der Balkan-Route habe sich schon gezeigt, dass andere Länder mitziehen würden. Die zwei Modelle, die die Volkspartei schon früher ins Spiel brachte, seien: Entweder das „schwedische“, wonach Asylanträge ab Erreichen einer bestimmten Zahl nicht mehr bearbeitet würden, oder die Errichtung von Registrierungszentren an den Grenzen. Details müssten erst ausverhandelt werden.
Ein-Euro-Jobs keine Koalitionsbedingung
Zuversichtlich ist der ÖVP-Chef, dass seine Partei bei den geplanten Änderungen in der Ausländergesetzgebung eine grüne Linie mit Koalitionspartner SPÖ findet. Die Themen Burkaverbot und Ein-Euro-Jobs seien ja auch nicht komplett neu, so Mitterlehner. Er sehe hier kein inhaltliches Problem. Die verpflichtende gemeinnützige Beschäftigung von Flüchtlingen sei aber auch nicht Koalitionsbedingung. Worüber man aber sehr wohl diskutieren könne, sei die Bezeichnung.
Ein klares Nein kam in Richtung SPÖ beim Thema Maschinensteuer. Lob gab es hingegen für Kanzler Christian Kern (SPÖ): Die ÖVP wolle Leistung und Motivation zur Leistung wieder stärker unterstützen - mit Kern gebe es einen Bundeskanzler, der das in manchen Bereichen ähnlich sehe. Als wichtige Themen nannte Mitterlehner u. a. Maßnahmen gegen die Kalte Progression, die Entlastung der Lohnnebenkosten und eine Reform der Gewerbeordnung. Grundsätzlich zeigte sich Mitterlehner - selbst Wirtschaftsminister - zufrieden mit der Wirtschaftspolitik seiner Partei. Einzig nach der Wirtschaftskrise hätte man es 2009 „vielleicht“ versäumt, Reformen schneller anzugehen. „Das gehen wir jetzt an“, so der ÖVP-Chef.
Filzmaier: „Django“ gehen Möglichkeiten aus
Als „ruhig und sachlich“ bewertete Politologe Peter Filzmaier den Auftritt Mitterlehners im „Sommergespräch“. Dass dieser nun Neuwahlen nicht gänzlich ausschließt, könnte möglicherweise den Grund haben, dass der ÖVP langsam die Koalitionsvarianten ausgingen. Noch Anfang 2015 hätte Mitterlehner als „Django“ viele Varianten gehabt, nun sei rechnerisch nicht mehr besonders viel davon übrig, so der Politexperte in der ZIB2. In einer Koalition mit der FPÖ wäre die ÖVP aus heutiger Sicht „so was von Juniorpartner“.
Analyse von Peter Filzmaier
Das Thema Integration war auch ein zentraler Inhalt des ORF-„Sommergesprächs“ mit ÖVP-Chef Reinhold Mitterlehner - Politologe Peter Filzmaier bewertet den Auftritt des ÖVP-Chefs.
Mitterlehner sei es nicht gelungen, die klare Unterschiede der ÖVP gegenüber der FPÖ-Positionen aufzuzeigen. Für Filzmaier ist klar, dass die Asyldebatten, die mit den ÖVP-Vorstoßen vom Zaun gebrochen wurden, „selbstverständlich“ der FPÖ in die Hände spielten, sei das doch das „Wunschthema“ der Partei.
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