Acht Minuten Duschen pro Woche
Ein Jahr haben sechs Wissenschaftler auf engstem Raum unter einer Kuppel auf dem Vulkan Mauna Loa auf Hawaii in 2.500 Meter Höhe verbracht und dabei ein Leben auf dem Mars simuliert. Am Sonntag endete die einjährige Isolation. Die US-Weltraumbehörde NASA wollte mit dem Experiment eine künftige Mission auf den Mars vorbereiten.
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Allein der Flug dorthin würde ein Jahr in Anspruch nehmen. Zudem müsste die Crew auf dem durchschnittlich 228 Millionen Kilometer von der Erde entfernten Planeten so lange warten, bis die Planetenkonstellation günstig für einen Rückflug ist - das kann auch mehr als ein Jahr dauern.

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Nach 365 Tagen erstmals wieder ohne Raumanzug im Freien
Am Sonntag (Ortszeit) traten die drei Männer und drei Frauen erstmals in 365 Tagen wieder aus der Kuppel - ohne Raumanzüge, die sie bei Rundgängen durch die karge Lavalandschaft rund um ihre Unterkunft immer tragen mussten. Begrüßt wurde das internationale Team von seinen Kollegen mit dem Zuruf: „Willkommen zurück auf der Erde.“
Leben aus der Dose
Die Wissenschaftler aus den USA, Deutschland und Frankreich lebten die vergangenen zwölf Monate in der hermetisch abgeriegelten Anlage mit einer Höhe von sechs Metern und einem Durchmesser von elf Metern. Jedem stand ein kleines Zimmer mit Bett und Schreibtisch zur Verfügung. Das gemeinsame Projekt der Universität Hawaii und der NASA sollte als Test dienen, wie man unter widrigen Umständen über einen längeren Zeitraum auf engem Raum zusammenleben kann.

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Unter dieser Kuppel lebten sechs Menschen für ein Jahr
Zurück im realen Leben freuten sie sich vor allem auf frisches Obst und Gemüse, den während der Testphase standen nur Nudeln, Reis und Konservendosen auf dem Speiseplan – Thunfisch aus der Dose, Käsepulver und andere gefriergetrocknete Lebensmittel. Die selbst angebauten Paradeiserstauden hätten im ganzen Jahr nur „zwanzig kleine Tomätchen abgegeben - für sechs Personen“, erzählte eine Wissenschaftlerin. Duschen durfte jeder Teilnehmer acht Minuten pro Woche. Jeder Ausgang ins Freie musste lange vorher geplant werden.
Wasser aus Lavagestein
Während des Experiments hatte jeder Wissenschaftler spezielle Forschungsaufgaben, um zu testen, ob Leben in der Isolation möglich ist. Entscheidend waren biologische und ökologische Faktoren genauso wie soziale. Die deutsche Geophysikerin Christiane Heinicke (30) etwa war für die Wassergewinnung aus Lavagestein verantwortlich. Es habe sich gezeigt, dass es möglich sei: „Man kann wirklich Wasser aus dem Boden bekommen, der trocken zu sein scheint“, sagte sie: „Es würde auf dem Mars funktionieren.“ In einem Jahr gewann sie aus einem Quadratmeter Lavagestein rund 100 Liter. „Es schmeckte aber furchtbar.“
Heinicke will auf Mars - und jedenfalls retour
Diese Aufgaben seien auch notwendig gewesen. „Einer eurer größten Feinde ist Langeweile“, warnte sie künftige Crews. Zum Internet hatten die Wissenschaftler nur begrenzten Zugang. Schon nach wenigen Monaten habe es immer die gleichen Streitgespräche gegeben, vor allem wegen der Außeneinsätze und Gefahren, sagte die Geophysikerin gegenüber der dpa. Die Extremsituation habe alle Teilnehmer an ihre Grenzen geführt.

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Das Experiment fand auf dem Gebiet des Vulkans Mauna Loa auf Hawaii statt
„Ich denke, dass die technischen und psychologischen Hindernisse überwunden werden können. Meiner Meinung nach ist eine Marsmission in der nahen Zukunft realistisch“, zog das französische Teammitglied Cyprien Verseux Bilanz. Heinicke würde selbst auch an einer realen Marsmission teilnehmen - „wenn die Technik ausgereift ist, die richtigen Menschen dabei sind und es einen Rückflug zur Erde gibt“.
Bisher nur unbemannte Missionen
Die NASA schickt bisher nur unbemannte Missionen zum Mars. Eine Sonde an ihr Ziel zu bringen dauert etwa acht Monate - auf der Internationalen Raumstation (ISS) verbringen die Astronauten üblicherweise nur sechs Monate. Bei einer bemannten Marsmission, die die NASA für die 2030er Jahre anvisiert, könnte sich die Reisedauer allerdings auf ein bis drei Jahre verlängern. Die Astronauten hätten in all dieser Zeit keinen Zugang zu frischer Luft, frischen Lebensmitteln und müssten weitgehend auf Privatsphäre verzichten.
Um auf diese schwierige Situation vorbereitet zu sein, testet die NASA immer wieder mit Probanden das Leben in Isolation. Die letzten zwei Experimente dauerten vier und acht Monate. Bei einem ähnlichen Versuch in Russland, der 2011 begann, lebten sechs Astronauten sogar 520 Tage in völliger Abgeschiedenheit.
Die NASA hat für ihre drei Isolationsexperimente bisher 1,2 Millionen Dollar (knapp 1,1 Mio. Euro) ausgegeben. Für Weltraumforschung sei das „sehr preiswert“, sagt die Wissenschaftlerin Kim Binsted, die das Experiment auf Hawaii mit dem Namen HI-SEAS verantwortet. „Im Vergleich zu einer Weltraummission, die schiefgeht, ist das sogar richtig billig.“
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