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„Vorurteil und Paranoia“

Der US-Wahlkampf ist in einer neuen Phase: Nun umwirbt die demokratische Kandidatin Hillary Clinton jene republikanischen Parteianhänger, die ihrem eigenen Kandidaten Donald Trump skeptisch gegenüberstehen. Ihre jüngste Rede am Donnerstag auf einer Kundgebung in Reno im US-Bundesstaat Nevada gilt als unmissverständliches Signal an diese Gruppe.

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Eine rechtsgerichtete Strömung versuche, die republikanische Partei zu übernehmen, lautete ihre Botschaft: „Er (Trump, Anm.) bringt Hassgruppen in den Mainstream und hilft dem radikalen Rand dabei, die republikanische Partei zu übernehmen.“ Trumps Kampagne beruhe auf „Vorurteil und Paranoia“, so Clinton.

Trumps neuer Wahlkampfleiter als Signal

Trumps unlängst installierter neuer Wahlkampfleiter Stephen Bannon, der als ausgesprochener Scharfmacher gilt und ein selbst erklärter Clinton-Hasser ist, stehe für diese Linie. Rundum: „Ein Mann, der auf eine lange Vergangenheit rassistischer Diskriminierung zurückblickt, der düstere Verschwörungstheorien spinnt, die sich aus Boulevardzeitungen und den Tiefen des Internets speisen, sollte niemals unsere Regierung führen oder unsere Armee befehligen“, so Clinton.

Stephen Bannon

APA/AP/Gerald Herbert

Von Trumps neuem Wahlkampfleiter Stephen Bannon ist keine Mäßigung zu erwarten

Dass Trump rassistische Vorurteile bedient und auf Verschwörungstheorien setzt, ist nichts Neues. Dass Clinton das nun so deutlich wie noch nie strapaziert, werten Beobachter als Versuch, gemäßigte Konservative auf ihre Seite zu ziehen. Allerdings versucht auch Trump derzeit, diese Gruppe für sich zu gewinnen - wenn auch in einem nervösen und unentschlossenen Zick-Zack-Kurs.

Und doch kommen ungewohnte, neue Töne

Wohl auch vor dem Hintergrund der schlechten Umfragewerte im August gab er sich in der Frage der illegalen Einwanderung bis unlängst plötzlich weicher. Bei verschiedenen Wahlkampfauftritten der letzten Wochen deutete er entgegen seinem bisherigen Kurs Kompromissbereitschaft an. Ganz neue Töne waren zu hören. So erwähnte Trump etwa die Probleme der Afroamerikaner und Latinos. Ob nun tatsächlich diese Wählergruppen umworben werden oder nicht vielmehr jene Parteianhänger, denen Trump zu radikal ist, fragten sich viele Kommentatoren.

Trump äußerte auch Bedauern über seine rhetorischen Entgleisungen. „Manchmal wählt man nicht die richtigen Worte oder man sagt etwas Falsches, wenn man in der Hitze des Gefechts steht und über eine Vielzahl Dinge spricht“, so Trump bei einer Kundgebung in Charlotte im Bundesstaat North Carolina. „Ich habe das getan. Und ob man mir das glaubt oder nicht - ich bedaure es.“ Trump hielt die Rede nicht frei, sondern las sie vom Teleprompter ab.

Schwenk folgt auf dem Fuß

Um seine angestammten Anhänger nicht zu vergraulen, folgte am Dienstag gleich wieder ein Schwenk: Bei einer Wahlkundgebung in Austin (Texas) unterstrich er seine gewohnt harte Haltung gegenüber Einwanderern ohne Aufenthaltsstatus. Clinton wolle eine laxe Linie gegenüber Migranten durchsetzen, Visaverletzungen nicht ahnden und festgenommene Einwanderer wieder freilassen: „Das können wir nicht zulassen.“ Und am Samstag sagte er bei einer Wahlkampfveranstaltung im Bundesstaat Iowa, dass er im Falle seines Wahlsiegs von „Tag eins“ an alle illegal eingewanderten Migranten aus den USA hinausschaffen lassen werde.

So ist Trump nun jedenfalls gezwungen, seine Kräfte breiter aufzuteilen. Einerseits sollte er Wähler anlocken, denen sein bisheriger Kurs in der Einwanderungsfrage zu radikal ist, andererseits droht ihm der Vorwurf, seine früheren Überzeugungen zu verraten. Wie er sich in der Frage in Zukunft genau aufstellen wird, ist derzeit unklar. Eine für Donnerstag angesetzte Grundsatzrede zum Thema Migration wurde kurzfristig und ohne Begründung verschoben.

„Abgenutztes und widerliches Argument“

Clintons jüngsten Rassismusvorwurf gegen ihn und seine Unterstützer nannte er postwendend ein „abgenutztes und widerliches Argument“. Vielmehr sei Clintons Politik „rassistisch“, weil sie Minderheiten nur als Wählermasse betrachte, ohne etwas für diese Gruppen zu tun, sagte Trump bei einer Rede in New Hampshire. Durch die von Clinton unterstützte Politik seien die afroamerikanischen US-Bürger „enttäuscht und verraten worden“.

Donald Trump

APA/AP/Gerald Herbert

Trump nannte Clintons Politik postwendend „rassistisch“

Knapp elf Wochen vor der Präsidentschaftswahl liegt Clinton in Umfragen deutlich in Führung. Einer aktuellen Befragung der Quinnipiac Universität zufolge kommt die Demokratin derzeit auf 51 Prozent und liegt damit zehn Punkte vor Trump. Während Trump bei weißen Männern mit 59 zu 32 Prozent führt, geben weiße Frauen Clinton mit 49 zu 46 Prozent knapp den Vorzug. Der Versuch des Republikaners, sich in der Einwanderungsfrage ein gemäßigteres Profil zu geben, zielt daher nicht zuletzt wohl auch auf die weibliche Wählerschaft ab.

Neuer Ärger für Clinton in E-Mail-Affäre

Trotz der guten Umfragewerte läuft es für Clinton derzeit aber auch nicht wirklich rund. Vielmehr ist es in ihrem Interesse, von ihrer eigenen Person so gut wie möglich abzulenken, nachdem vor einer Woche neue E-Mails aus ihrer Zeit als Außenministerin auftauchten, die in einigen Fällen eine enge Zusammenarbeit ihres Büros mit der Führung der familieneigenen Stiftung Clinton Foundation nahelegen.

Die Republikaner versuchen das Thema natürlich am Kochen zu halten. Clinton strebe öffentliche Ämter an, um private Profite zu erzielen, so Trump. Die von Clintons Ehemann Bill gegründete Clinton Foundation nannte er „eine kriminelle Unternehmung“. Trump wiederholte seine Forderung, einen unabhängigen Sonderermittler einzusetzen. Die Parteiführung der Republikaner forderte Clinton auf, sich den Vorwürfen zu stellen.

Die Qual der Wahl

Der 70-jährige Trump und seine Unterstützer streuen außerdem seit geraumer Zeit Gerüchte, Clinton sei schwer krank. Sie brauche lange Auszeiten, habe kein Stehvermögen, brauche ständig ein Nickerchen. Rechte Verschwörungsblogs mutmaßen seit Monaten über mögliche Gehirnerkrankungen der 68-Jährigen. Das sei „der jüngste paranoide Fiebertraum. Ich kann nur sagen: Träume weiter, Donald“, nahm Clinton in ihrer jüngsten Rede am Donnerstag zu den Gerüchten Stellung.

Viel mehr wird Clinton mit einem ganz grundsätzlichen Problem zu kämpfen haben - gerade bei der nun anvisierten Wählerschaft auf parteifremdem Terrain, aber auch bei zahlreichen Parteifreunden: ihrer weit verbreiteten Unbeliebtheit. Denn Clinton gilt für viele bestenfalls als das kleinere Übel in einer Wahl, bei der die Alternative Donald Trump heißt. Die große Frage wird demnach auch sein, wie viele weder Trump noch Clinton wählen werden.

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