Abstimmung vor Bratislava-Gipfel
Bundeskanzler Christian Kern (SPÖ) kommt am Samstag nahe Berlin mit seiner deutschen Kollegin Angela Merkel (CDU) und den Regierungschefs der Slowakei, Bulgariens und Kroatiens zusammen. Bei dem Treffen zur Zukunft Europas im Vorfeld des EU-Sondergipfels in Bratislava wird vor allem der „Brexit“ erörtert. Es werden aber wohl auch die Themen Flüchtlinge und Beziehung zwischen EU und Türkei zur Sprache kommen.
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Merkel will sich im Vorfeld des informellen Treffens der EU-Staats- und -Regierungschefs am 16. September mit allen europäischen Amtskollegen abstimmen. Am Samstag ist Kern anlässlich eines Mittagessens im Renaissanceschloss Meseberg an der Reihe. Am Freitag traf Merkel in Warschau die Regierungschefs der Visegrad-Staaten Polen, Slowakei, Tschechien und Ungarn. Am Abend sind die Ministerpräsidenten der Niederlande, Schwedens, Finnlands und Dänemarks ebenfalls in Meseberg Gäste der deutschen Kanzlerin.
„Neue Balance“ gefordert
Merkel vertritt die Meinung, dass sich die EU wegen des angekündigten Austritts Großbritanniens, des „Brexit“, grundlegend neu aufstellen muss. Die Union werde eine „neue Balance“ finden müssen, weil ein Land mit immerhin 15 Prozent der EU-Wirtschaftskraft austrete, so die deutsche Kanzlerin.
Am Donnerstag hatte Kern an einem Treffen führender europäischer Sozialdemokraten in Paris teilgenommen, dort wurden mehr Investitionen im Wirtschafts- und Sicherheitsbereich gefordert. „Wir müssen wieder zurückkommen zur Einhaltung des Wohlstandsversprechens, aber auch des Sicherheitsversprechens“, sagte Kern danach. Neben einer verstärkten Kooperation bei der Verhinderung von Steuervermeidung durch Großkonzerne sei auch darüber diskutiert worden, „wie man mit Infrastrukturinvestitionen in möglichst intelligenter Form Jobs schaffen kann“.
Debatte über EU-Türkei-Deal
Kern wird bei dem Mittagessen am Samstag neben Merkel seine Kollegen Boiko Borissow aus Bulgarien, Robert Fico aus der Slowakei und Tihomir Oreskovic aus Kroatien treffen. Bezüglich der Flüchtlingsproblematik warnte Borissow jüngst vor einem Ende des Flüchtlingsabkommens mit der Türkei.
Hintergrund sind Drohungen aus Ankara, das Flüchtlingsabkommen aufzukündigen, wenn es für türkische Bürger keine Aufhebung der Visapflicht bei Reisen in die EU gibt. EU-Politiker argumentieren, dass die Türkei nicht alle Vereinbarungen umgesetzt habe. Dank des Abkommens zwischen der EU und der Türkei ist die Zahl der ankommenden Flüchtlinge in Europa deutlich zurückgegangen.
Aufregung über Doskozil-Kritik an Merkel
Kurz vor dem Treffen mit Merkel machte indes Kerns Parteikollege und Verteidigungsminister Hans Peter Doskozil (SPÖ) mit harscher Kritik an der deutschen Kanzlerin auf sich aufmerksam. „Die ‚Wir schaffen das‘-Politik ist unverantwortlich“, sagte Doskozil zur „Kronen Zeitung“ (Freitags-Ausgabe). Merkel hatte diesen Satz kurz vor der Grenzöffnung am 31. August des vergangenen Jahres gesagt, um ihren Landsleuten Mut zur Aufnahme von Flüchtlingen zu machen. Für Doskozil hat er - und seine mehrfache Wiederholung seitdem - jedoch dafür gesorgt, dass ein neuer „Anziehungsfaktor für Fluchtbewegungen nach Europa entsteht“, sagte er der „Krone“.
Im Interview mit der deutschen „Bild“-Zeitung sagte Doskozil zudem: „Wir werden es nicht hinnehmen, dass Österreich durch diese Ermunterung in eine Position kommt, dass dann wieder vermehrt Flüchtlinge von Italien über Österreich nach Deutschland wollen und gleichzeitig Deutschland die Grenzen schließt.“ Ein Durchwinken sei nicht mehr möglich. Das Boulevardblatt titelte: „Ösis stänkern gegen Merkel“.
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