Umbrien, Latium und Marken betroffen
Bei dem schweren Erdbeben in Mittelitalien steigt die Zahl der Todesopfer. Waren es laut ersten Berichten bis zu sechs Tote, so gehen Medienberichte mittlerweile von acht bis 21 Toten aus.
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In der Gemeinde Amatrice kamen nach Angaben der Nachrichtenagentur ANSA fünf Menschen ums Leben, in einem anderen kleinen Ort zwei. Der Bürgermeister des Ortes Accumoli sagte, ein Mensch sei tot geborgen worden. Zudem sei eine Familie mit zwei kleinen Kindern ohne Lebenszeichen verschüttet, eine weitere Person werde vermisst. Laut anderen Medienberichten gibt es bereits 13 Tote: Es seien sechs Menschen in Accumoli in der Region Latium, fünf in Amatrice und zwei in Pescara del Tronto in der Adria-Region Marken gestorben.
Zehn Tote in Arquata
Am stärksten betroffen ist laut jüngsten Medienangaben aber der Ort Arquata in der Region Marken. Dort sollen zehn Menschen ums Leben gekommen sein. Die italienische Tageszeitung „Corriere della Sera“ spricht auf ihrer Website in einer vorläufigen Bilanz mittlerweile von 21 Toten. Und es ist zu befürchten, dass die Zahl der Todesopfer weiter steigt, da noch viele Menschen eingeschlossen sind.
Ein Bub konnte unterdessen Mittwochvormittag lebend im Ort Pescara del Tronto gerettet werden. Im Ort Amatrice halfen Ärzte einem verletzten sechsjährigen Zwilling aus den Trümmern. Der Bruder des Buben sei noch verschüttet, berichtete ANSA.
Lage sehr unübersichtlich
Vom Zivilschutz gab es zunächst keine offiziellen Opferzahlen, da die Lage noch unübersichtlich war. Die Rettungsdienste konnten einige Orte in der bergigen Gegend nur schwer erreichen. Das Erdbeben mit einer Stärke von mehr als sechs und mehrere Nachbeben hatten in der Nacht die gesamte Region von Umbrien, Latium und den Marken erschüttert und war auch in Rom und an der Adria-Küste zu spüren.

APA/AFP/Filippo Monteforte
Amatrice wenige Stunden nach dem verheerenden Beben
„Der halbe Ort ist weg“
Der Bürgermeister von Amatrice, Sergio Pirozzi, berichtete von Menschen, die unter den Trümmern begraben seien. Es habe einen Erdrutsch gegeben, sagte er der RAI. „Der halbe Ort ist weg.“ Ein Einwohner sagte dem Sender: „Alles ist kaputt.“ Pirozzi betonte, dringlichste Aufgabe sei es nun, „so viele Menschenleben wie möglich zu retten. Wir hören Stimmen unter den Trümmern, wir müssen die Leute retten.“

Omniscale/OSM/ORF.at
Die Rettungsarbeiten in Amatrice wurden erheblich erschwert, da die Straßen zur Kleinstadt durch Geröll blockiert waren. Eine Brücke, die nach Amatrice führt, stürzte teilweise ein. Die Regierung in Rom entsandte Soldaten, um Hilfe zu leisten. Aus der Luft wollten sich Experten am Vormittag ein Bild vom gesamten Ausmaß der Schäden machen.
Spitäler evakuiert
Auch Krankenhäuser wurden durch die schweren Erdstöße beschädigt. Die Patienten aus dem kleinen Spital in der besonders betroffenen Ortschaft Amatrice müssten woanders hingebracht werden, berichtete ANSA. Auch in anderen Orten der Region wurden am Mittwoch beschädigte Krankenhäuser und Seniorenheime geräumt. In Amatrice versuchten die Helfer, sechs Menschen aus einem meterhohen Trümmerberg zu retten. Es herrsche Chaos, „es ist ein Drama“, sagte Pirozzi.
Wegen der großen Zahl von Verletzten haben die Behörden die Bevölkerung zum Blutspenden aufgerufen. Die Bewohner der Gemeinden um das Epizentrum wurden gebeten, dazu in Krankenhäuser zu kommen.
150 Kilometer nordöstlich von Rom
Das Beben um etwa 3.30 Uhr hatte nach Angaben des geophysischen Instituts im deutschen Potsdam eine Stärke von 6,1 und lag in der vergleichsweise geringen Tiefe von zehn Kilometern. Die US-Erdbebenwarte USGS sprach von 6,2, das Zentrum liege südlich der umbrischen Kleinstadt Norcia. Das genaue Zentrum lag bei Accumoli ungefähr 150 Kilometer nordöstlich von Rom.

Reuters/Emiliano Grillotti
Bewohner und Zivilschützer suchen in Amatrice nach Überlebenden
Panik unter Touristen
Eine Angstnacht erlebte auch Norcia, Geburtsort des heiligen Benedikt. Schäden wurden in der Kathedrale gemeldet. Die vielen Touristen, die sich in der Ortschaft befinden, strömten in Panik auf die Straßen. „Es war so stark. Es war, als ob das Bett sich - mit uns drauf - von selbst bewegt“, so eine Frau aus Ceselli in der Region Umbrien. Eine andere Frau aus dem nahe gelegenen Scheggino sagte: „Es war schrecklich. Die Wände ächzten, und alle Bücher fielen von den Regalen.“ Mehrere Nachbeben erschütterten Mittelitalien. Eines, rund eine Stunde nach dem schweren Beben, erreichte die Stärke 5,5. Auch um 6.00 Uhr bebte die Erde erneut.
Erinnerungen an L’Aquila
Das Erdbeben sei mit jenem des Jahres 2009 vergleichbar, das die Abruzzen-Hauptstadt L’Aquila zerstört und über 300 Menschenleben gefordert hatte, berichtete Italiens Zivilschutzchef Fabrizio Curcio. „Es ist eine Tragödie wie in L’Aquila vor sieben Jahren. Amatrice ist nicht mehr zu erkennen, der ganze historische Kern ist zusammengebrochen“, sagte der Bürgermeister von L’Aquila, Massimo Cialente, der das rund 50 Kilometer entfernte Bebengebiet in Amatrice Mittwochvormittag besuchte.
In Europa ist Italien neben Griechenland besonders erdbebengefährdet. Unter dem Land bewegt sich ein etwa tausend Kilometer langer Keil der afrikanischen Platte mehrere Meter im Jahrhundert nach Norden und drückt gegen die Alpen unter die eurasische Platte.
Dabei können verheerende Kräfte frei werden. So starben 1908 in Messina auf Sizilien und in Südkalabrien mehr als 100.000 Menschen. Mindestens 3.000 Menschen wurden im November 1980 bei Erdstößen in Neapel und hundert weiteren Orten der Region Kampanien getötet. Im April 2009 kamen mehr als 300 Menschen ums Leben, als in der mittelitalienischen Region Abruzzen mit ihrer Hauptstadt L’Aquila die Erde bebte.
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